TU
Dortmund – FK
14 Humanwissenschaften und Theologie
Kurs:
Interreligiöses Lernen mit Heiligen Schriften und Erzählungen aus den
Weltreligionen
Dozent:
Dr. Reinhard Kirste
Wintersemester
2016/2017
Protokollantinnen:
Dr. Melanie Günter, Jessica Zielazny
Protokoll zum 02.11.2016
Buddhismus: Die Bedeutung des Lotos-Sutra [Lotus-Sutra]
für Mahayana-Buddhisten
für Mahayana-Buddhisten
(Gastreferent:
Yoshiharo Matsuno, Frankfurt/M.)
Buddhismus
Der Buddhismus ist eine
Religion die ihren Ursprung in Indien hat. Buddhisten berufen sich auf die
Lehre von Siddharta Gautama (in Sanskrit Siddharta
Gautama bzw. in Pali Siddhatta Gotama).
Er wird als der „historische Buddha“ bezeichnet. Ausgangspunkt aller
buddhistischen Schulen ist die Erleuchtung von Siddhartha Gautama unter dem
Bodhi-Baum. Dies ist in allen buddhistischen Schulen gleich.
Buddhas Erleuchtung unter dem Bodhi-Baum
Nach
der Überlieferung wurde Siddhartha als Sohn des Herrscherhauses von Shakya
geboren. Daher trägt er den Beinamen Shakyamuni. Kurze Zeit nachdem Buddha
geboren wurde, starb seine Mutter. Er wurde daher von seiner Tante aufgezogen.
Buddha führte am Palast ein Leben im Luxus. Er erkannte jedoch schon bald, dass
Reichtum und Luxus nicht die Grundlage für Glück sind. Somit beschloss er im
Alter von 29 Jahren sein Luxusleben zu verlassen, um nach der Wahrheit zu
suchen. Zu diesem Zweck besuchte er 95 verschiedene Yoga-Schulen. Dort lebte er
in strenger Askese. Buddha hat in seiner Jugend beide Extreme erlebt, sowohl
Luxus als auch die totale Askese. Er fand jedoch in beidem keine Antwort. Nach
Jahren der Askese und der Meditation hatte Buddha schließlich das Erlebnis des
Erwachens (bodhi). Unter dem
Bodhi-Baum gelangte Buddha zu folgender Erkenntnis: Die wahre Natur
menschlichen Glücks liegt nicht in Luxus oder Askese, sondern in der Mitte des
Weges. Unter dem Bodhi-Baum fand Buddha drei konkrete Antworten.
Die drei Elemente der Erleuchtung
- „Das
Leben ohne Anfang und ohne Ende“: Das erste Wort Buddhas nach der
Erleuchtung lautete: „Das Tor zur
Unsterblichkeit ist geöffnet“. Unsterblichkeit bedeutet für ihn nicht
Vergangenheit oder Zukunft, sondern pure Gegenwart. Vom buddhistischen
Standpunkt her geht es darum, im „Hier und Jetzt“ zu leben. Es geht um das
Leben ohne Anfang und ohne Ende. Darum sprechen alle buddhistischen
Schulen von Achtsamkeit. Das wichtigste Element im Buddhismus, um Erleuchtung
zu erlangen, ist Achtsamkeit.
- „Ich
bin Du, Du bist ich“: Dieser Grundsatz ist die Grundlage der
buddhistischen Ethik. Sie bedeutet beispielsweise, dass ich den Anderen
nicht ohrfeigen kann, weil ich mir damit selbst wehtun würde. Und wenn es
mir weh tut, verzichte ich automatisch auf Gewalt. Man braucht somit keine
Moral vorher zu bedenken. Dies ist ein klarer Grundsatz, den etwa auch Mahatma
Gandhi vertrat. Mit dieser Klarheit haben sich auch Buddhisten konkret in der
Friedensbewegung engagiert. Nicht um politisch etwas erreichen zu wollen,
sondern weil es wehtut, Krieg zu führen und zu beobachten, wie Andere
leiden. Das ist dann sozusagen mein eigenes Leiden.
- „Ich
bin das Ganze“:
‚Ich bin das Ganze‘ bedeutet, dass es keine Trennung
zwischen Schöpfer und Schöpfung gibt. Wir sind selbst zugleich die Ursache
und die Wirkung. Eine einzelne Person stellt das Ganze dar, ohne Schöpfer
und Schöpfungstrennung. Das heißt, im Buddhismus gibt keine Hierarchie.
Schöpfer und Schöpfung sind identisch. Anders als im Christentum, wo wir
Schöpfer und Schöpfung haben.
Inhalt des Lotos-Sutras
Wie ist das
Lotos–Sutra entstanden? Die ursprüngliche Lehre von Siddharta Gautama, dem
historischen Buddha, war zunächst in der Maghada-Sprache, einer indischen Regionalsprache,
die im Land gesprochen wurde. Buddha wurde schließlich von seinen Anhängern
gefragt, ob eine hochoffizielle Sprache benutzt werden sollte, wie das Sanskrit,
um seine Lehren zu verbreiten. Seine Anweisung jedoch lautete, die Sprachen zu
benutzen, die die Menschen sprechen und hören. Erst später kam es zu
Übersetzungen in das Pali und in das Sanskrit durch seine Schüler.
100
Jahre nach dem Tod von Siddharta Gautama kam es zu einer Spaltung innerhalb der
buddhistischen Gemeinschaft. Die eine Richtung stellten die Schüler dar, die
direkt vom lebenden Buddha die Lehre erfahren hatten. Sie verstärkten die
Richtung im Sinne einer Lehre, wie Buddha sie selbst gelehrt hat. Diese muss
dann in die Tat umgesetzt werden. Es handelt sich hierbei um eine fast
dogmatische Herangehensweise. Die andere Richtung hat verschiedene Lehren und
Beispiele Buddhas aufgenommen. Diese sollte man im täglichen Leben anwenden.
Sie sollte Beispiel gebend dafür sein, wie man den Geist Buddhas praktisch versteht.
Das sollte zugleich die Grundlage des Glaubens sein.
Die eine Richtung
wird Mahayana
genannt. Mahayana bedeutet „großes
Fahrzeug“ (von ‚maha‘ =groß und ‚yana‘ = Fahrzeug). Die Mahayana-Buddhisten
nennen die andere Richtung Hinayana, „kleines Fahrzeug“. Es kam bald zum Konflikt in der buddhistischen
Gemeinde und letztendlich zur Spaltung. Man nennt dies das erste Schisma im
Buddhismus. Der Konflikt innerhalb der Gemeinden dauerte lange an. Entstanden
ist daraus auch das Lotos-Sutra. Dieses versucht beide Richtungen zusammen zu
führen, denn hier werden beide Richtungen akzeptiert anstatt zu spalten.
Das Lotos-Sutra
besteht aus 28 Kapiteln und wird ähnlich wie die Bibel gelesen und im täglichen
Leben benutzt. Es ist in ganz Asien verbreitet und kam über China, Korea nach
Japan. Die Lotos-Sutra-Übersetzung in Chinesisch erreicht Japan etwa im Jahr
552 n. Chr. Das ist der Beginn des Buddhismus in Japan. Japanische Buddhisten
haben sich von Anfang an mit dem Lotos-Sutra beschäftigt.
Warum ist das
Lotos-Sutra so wichtig für alle Buddhisten?
Im Lotos-Sutra werden
drei Diskriminierungen überwunden:
- Frauen
können wie Männer die Erleuchtung erlangen.
- Böse
Menschen können ebenfalls Erleuchtung erlangen.
- Intellektuelle
können trotz mancher Verstandeshindernisse Erleuchtung erlangen.
Die sieben Gleichnisse im Lotos-Sutra
Seitenangaben nach:
Das Lotos-Sutra. Übersetzt von Max Deeg. Darmstadt: WBG 2007
1. Vom brennenden Haus und den drei Fahrzeugen (S. 83-93)
2. Erkenntnis durch den Glauben [Vom verlorenen
Sohn] (S. 102-111, vgl. Lukas 15,11-32)
3. Von den Kräutern und den Heilkräften (S. 117-125)
4. Die Phantomstadt (S. 153-159)
6. Die strahlende Perle aus dem Haarknoten (S. 220-223)
7. Der abwesende
(gute) Arzt, dessen Söhne Gift trinken (S. 239-240)
1. Gleichnis:
„Vom brennenden Haus
und den drei Fahrzeugen“
Shakyamuni lehrt im
Lotos-Sutra (Kapitel III, S. 83-93) die Parabel vom brennenden Haus und den
drei Fahrzeugen. Buddha sieht von weitem, dass Kinder in einem brennenden Haus
spielen, ohne das Feuer zu bemerken. Er überlegt, wie er alle Kinder aus dem
Haus holen kann. Er sagt zu ihnen, ihr bekommt drei wunderschöne Fahrzeuge.
Im übertragenden Sinn
sagt Buddha damit, dass die ganze Welt brennt! In dieser Welt solltet ihr nicht
glücklich sein. Kommt heraus aus dem Haben-Modus und tretet in den Seins-Modus.
Mit der Parabel erläutert Shakyamuni, dass die vorläufigen Lehren der drei
Fahrzeuge nur als ein Hilfsmittel anzusehen waren für die Offenbarung des bedeutenden
Fahrzeugs der Buddhaschaft.
2. Gleichnis: „Erkenntnis durch Glauben“
(bzw. „Vom verlorenen Sohn“)
In Kapitel IV (S.
102-111) wird die Parabel von einem gekidnappten Kind erzählt, das viele Jahre
später auf seinen reichen Vater trifft, aber nicht weiß, dass dieser sein Vater
ist. Der inzwischen junge Mann tritt in dessen Dienste und arbeitet viele Jahre
für ihn. Der Vater gibt dem Sohn immer höhere Verantwortung, verrät ihm aber nichts von seiner Herkunft, außer dass er
sagt: „Du kannst mich wie einen Vater betrachten“. Erst im Sterben setzt der Vater
seinen Sohn als Erben ein und sagt: „Dieser ist mein echter leiblicher Sohn“.
Das Gleichnis steht
für die „Buddha-Natur“: Es bedeutet, wir wissen noch nichts über unsere
Identität.
3. Gleichnis: „Von den Kräutern und den
Heilkräften“ (bzw. „Vom Wald“)
Im Gleichnis von den
Kräutern und den Heilkräften (Kapitel V,
S.
117-125) erzählt Shakyamuni, wie der Regen auf zwei Bäume und drei Pflanzen
gleichmäßig herunterfällt und keine Unterschiede macht.
Buddha entwickelt
damit eine ökumenische Richtung im Lotos-Sutra. Er erklärt mit dieser Parabel,
dass seine Lehre für alle Menschen gleichermaßen gilt. Je nach dem persönlichen
Charakter nehmen die Menschen diese Lehre an.
4. Gleichnis: „Die Phantomstadt“
Hier (S. 153-159) erzählt
Buddha von einem Reiseleiter, der versucht, alle Reisende mitzunehmen. Die
Reisenden sind sehr erschöpft und wollen nicht weiter. Der Reiseleiter
erschafft daraufhin eine Fata Morgana Oase, die die Reisenden wieder an Kraft
und Mut gewinnen lässt. Anschließende lässt der Reiseleiter die Fata Morgana
wieder verschwinden.
Die Parabel zeigt,
dass Buddha es nicht ablehnt, eine Phantomstadt zu erschaffen, um Gläubige
mitzunehmen, aber diese sollen nicht in der Illusion verbleiben.
5. Gleichnis: „Vom Juwel, das in der Kleidung
versteckt war“
Ein armer Mann trifft
eines Tages seinen reichen Freund wieder und isst und trinkt mit ihm. Während
der arme Mann betrunken seinen Rausch ausschläft, näht ihm der reiche Mann ein
kostbares Juwel in seinen Mantel ein, da er für seinen armen Freund sorgen
möchte. Jahre später treffen die beiden Männer wieder aufeinander, und der
reiche Mann wundert sich darüber, dass sein Freund immer noch in Armut lebt.
Der arme Mann hatte das Juwel nicht entdeckt. Der Reiche weist ihn auf den
kostbaren Stein hin.
Das Gleichnis (S.
168-175) verdeutlicht, dass wir einen wunderbaren Schatz in uns selbst haben,
den wir aber auch erkennen müssen. Die gierige Haltung soll überwunden werden.
6. Gleichnis: „Die strahlende Perle aus dem
Haarknoten“
Dieses Gleichnis (S:
220-223) erzählt von einem reichen König, der all seinen Kriegsgewinn bis auf
das letzte Juwel verschenkt, das er in seinen Haaren trägt.
Das Gleichnis zeigt
auf, dass der Schatz in uns selber liegt.
7. Gleichnis: „Der abwesende (gute) Arzt,
dessen Söhne Gift trinken“
Ein Vater, von Beruf
Arzt, geht auf Reisen und seine Kinder nehmen in seiner Abwesenheit Gift ein.
Als der Vater zurückkehrt, findet er manche seiner Kinder zum Teil leicht und
andere schwer vergiftet vor. Die leicht Vergifteten nehmen die vom Vater
verordnete Medizin und gesunden. Die schwer Vergifteten können die Medizin
nicht einnehmen. Der Vater geht wieder auf Reisen und schickt den Kindern eine
Nachricht über seinen Tod. Diese Nachricht desillusioniert die schwer
Vergifteten. Sie haben große Angst und nehmen die Medikamente nun ein. Die
Todesnachricht wirkt also nicht nur desillusionierend, sondern zugleich auch
als Ermutigung, die Medikamente einzunehmen. Bis der Vater heimkehrt, sind die
Kinder genesen.
Das Gleichnis (S.
239-240) spielt mit den zwei Phasen ‚Leben‘ und ‚Tod‘. Das Leben, das beide
Elemente beinhaltet, ist nicht einfach tot. Das Leben ist ohne Anfang und Ende
und verschwindet nicht. Buddhas Beispiel: Das Leben ist wie die Sonne. Sie
scheint permanent, auch wenn man das nicht wahrnehmen kann.
Lotus-Sutra-Manuskript (Original: British Library) |
Zeit und
Zeitlosigkeit
Die
Wirklichkeit und die Gegenwart als Zeit sowie das Handeln sind direkt miteinander
verbunden.
Erst das Erwachen/die Erleuchtung ermöglicht den Weg
Erst das Erwachen/die Erleuchtung ermöglicht den Weg
in
die Zeitlosigkeit
des Nirvana Der Buddha ist bereits
frei von den zeitlichen Bedingungen.
TU-DO/SoSe
2016/2017-Protokoll-16-11-02
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