Montag, 7. November 2016

Der Buddha, die Erleuchtung und das Lotos-Sutra

TU Dortmund – FK 14 Humanwissenschaften und Theologie
Kurs: Interreligiöses Lernen mit Heiligen Schriften und Erzählungen aus den Weltreligionen
Dozent: Dr. Reinhard Kirste
Wintersemester 2016/2017
Protokollantinnen: Dr. Melanie Günter, Jessica Zielazny

Protokoll zum 02.11.2016

Buddhismus: Die Bedeutung des Lotos-Sutra [Lotus-Sutra]
 für Mahayana-Buddhisten
(Gastreferent: Yoshiharo Matsuno, Frankfurt/M.)

Buddhismus
Der Buddhismus ist eine Religion die ihren Ursprung in Indien hat. Buddhisten berufen sich auf die Lehre von Siddharta Gautama (in Sanskrit Siddharta Gautama bzw. in Pali Siddhatta Gotama). Er wird als der „historische Buddha“ bezeichnet. Ausgangspunkt aller buddhistischen Schulen ist die Erleuchtung von Siddhartha Gautama unter dem Bodhi-Baum. Dies ist in allen buddhistischen Schulen gleich.

Buddhas Erleuchtung unter dem Bodhi-Baum
Nach der Überlieferung wurde Siddhartha als Sohn des Herrscherhauses von Shakya geboren. Daher trägt er den Beinamen Shakyamuni. Kurze Zeit nachdem Buddha geboren wurde, starb seine Mutter. Er wurde daher von seiner Tante aufgezogen. Buddha führte am Palast ein Leben im Luxus. Er erkannte jedoch schon bald, dass Reichtum und Luxus nicht die Grundlage für Glück sind. Somit beschloss er im Alter von 29 Jahren sein Luxusleben zu verlassen, um nach der Wahrheit zu suchen. Zu diesem Zweck besuchte er 95 verschiedene Yoga-Schulen. Dort lebte er in strenger Askese. Buddha hat in seiner Jugend beide Extreme erlebt, sowohl Luxus als auch die totale Askese. Er fand jedoch in beidem keine Antwort. Nach Jahren der Askese und der Meditation hatte Buddha schließlich das Erlebnis des Erwachens (bodhi). Unter dem Bodhi-Baum gelangte Buddha zu folgender Erkenntnis: Die wahre Natur menschlichen Glücks liegt nicht in Luxus oder Askese, sondern in der Mitte des Weges. Unter dem Bodhi-Baum fand Buddha drei konkrete Antworten.

Die drei Elemente der Erleuchtung

  1. „Das Leben ohne Anfang und ohne Ende“: Das erste Wort Buddhas nach der Erleuchtung lautete: „Das Tor zur Unsterblichkeit ist geöffnet“. Unsterblichkeit bedeutet für ihn nicht Vergangenheit oder Zukunft, sondern pure Gegenwart. Vom buddhistischen Standpunkt her geht es darum, im „Hier und Jetzt“ zu leben. Es geht um das Leben ohne Anfang und ohne Ende. Darum sprechen alle buddhistischen Schulen von Achtsamkeit. Das wichtigste Element im Buddhismus, um Erleuchtung zu erlangen, ist Achtsamkeit.
  2. „Ich bin Du, Du bist ich“: Dieser Grundsatz ist die Grundlage der buddhistischen Ethik. Sie bedeutet beispielsweise, dass ich den Anderen nicht ohrfeigen kann, weil ich mir damit selbst wehtun würde. Und wenn es mir weh tut, verzichte ich automatisch auf Gewalt. Man braucht somit keine Moral vorher zu bedenken. Dies ist ein klarer Grundsatz, den etwa auch Mahatma Gandhi vertrat. Mit dieser Klarheit haben sich auch Buddhisten konkret in der Friedensbewegung engagiert. Nicht um politisch etwas erreichen zu wollen, sondern weil es wehtut, Krieg zu führen und zu beobachten, wie Andere leiden. Das ist dann sozusagen mein eigenes Leiden.
  3. „Ich bin das Ganze“: ‚Ich bin das Ganze‘ bedeutet, dass es keine Trennung zwischen Schöpfer und Schöpfung gibt. Wir sind selbst zugleich die Ursache und die Wirkung. Eine einzelne Person stellt das Ganze dar, ohne Schöpfer und Schöpfungstrennung. Das heißt, im Buddhismus gibt keine Hierarchie. Schöpfer und Schöpfung sind identisch. Anders als im Christentum, wo wir Schöpfer und Schöpfung haben.

Inhalt des Lotos-Sutras
Wie ist das Lotos–Sutra entstanden? Die ursprüngliche Lehre von Siddharta Gautama, dem historischen Buddha, war zunächst in der Maghada-Sprache, einer indischen Regionalsprache, die im Land gesprochen wurde. Buddha wurde schließlich von seinen Anhängern gefragt, ob eine hochoffizielle Sprache benutzt werden sollte, wie das Sanskrit, um seine Lehren zu verbreiten. Seine Anweisung jedoch lautete, die Sprachen zu benutzen, die die Menschen sprechen und hören. Erst später kam es zu Übersetzungen in das Pali und in das Sanskrit durch seine Schüler.

100 Jahre nach dem Tod von Siddharta Gautama kam es zu einer Spaltung innerhalb der buddhistischen Gemeinschaft. Die eine Richtung stellten die Schüler dar, die direkt vom lebenden Buddha die Lehre erfahren hatten. Sie verstärkten die Richtung im Sinne einer Lehre, wie Buddha sie selbst gelehrt hat. Diese muss dann in die Tat umgesetzt werden. Es handelt sich hierbei um eine fast dogmatische Herangehensweise. Die andere Richtung hat verschiedene Lehren und Beispiele Buddhas aufgenommen. Diese sollte man im täglichen Leben anwenden. Sie sollte Beispiel gebend dafür sein, wie man den Geist Buddhas praktisch versteht. Das sollte zugleich die Grundlage des Glaubens sein.
Die eine Richtung wird Mahayana genannt. Mahayana bedeutet „großes Fahrzeug“ (von ‚maha‘ =groß und ‚yana‘ = Fahrzeug). Die Mahayana-Buddhisten nennen die andere Richtung Hinayana, „kleines Fahrzeug“. Es kam bald zum Konflikt in der buddhistischen Gemeinde und letztendlich zur Spaltung. Man nennt dies das erste Schisma im Buddhismus. Der Konflikt innerhalb der Gemeinden dauerte lange an. Entstanden ist daraus auch das Lotos-Sutra. Dieses versucht beide Richtungen zusammen zu führen, denn hier werden beide Richtungen akzeptiert anstatt zu spalten.
Das Lotos-Sutra besteht aus 28 Kapiteln und wird ähnlich wie die Bibel gelesen und im täglichen Leben benutzt. Es ist in ganz Asien verbreitet und kam über China, Korea nach Japan. Die Lotos-Sutra-Übersetzung in Chinesisch erreicht Japan etwa im Jahr 552 n. Chr. Das ist der Beginn des Buddhismus in Japan. Japanische Buddhisten haben sich von Anfang an mit dem Lotos-Sutra beschäftigt.

Warum ist das Lotos-Sutra so wichtig für alle Buddhisten?

Im Lotos-Sutra werden drei Diskriminierungen überwunden:
  1. Frauen können wie Männer die Erleuchtung erlangen.
  2. Böse Menschen können ebenfalls Erleuchtung erlangen.
  3. Intellektuelle können trotz mancher Verstandeshindernisse Erleuchtung erlangen.

Die sieben Gleichnisse im Lotos-Sutra
Seitenangaben nach: Das Lotos-Sutra. Übersetzt von Max Deeg. Darmstadt: WBG 2007
1.  Vom brennenden Haus und den drei Fahrzeugen (S. 83-93)
2.  Erkenntnis durch den Glauben [Vom verlorenen Sohn] (S. 102-111, vgl. Lukas 15,11-32)
3.  Von den Kräutern und den Heilkräften (S. 117-125)
4.  Die Phantomstadt (S. 153-159)
6.  Die strahlende Perle aus dem Haarknoten (S. 220-223)
7.  Der abwesende (gute) Arzt, dessen Söhne Gift trinken (S. 239-240)

1. Gleichnis: „Vom brennenden Haus und den drei Fahrzeugen“
Shakyamuni lehrt im Lotos-Sutra (Kapitel III, S. 83-93) die Parabel vom brennenden Haus und den drei Fahrzeugen. Buddha sieht von weitem, dass Kinder in einem brennenden Haus spielen, ohne das Feuer zu bemerken. Er überlegt, wie er alle Kinder aus dem Haus holen kann. Er sagt zu ihnen, ihr bekommt drei wunderschöne Fahrzeuge.
Im übertragenden Sinn sagt Buddha damit, dass die ganze Welt brennt! In dieser Welt solltet ihr nicht glücklich sein. Kommt heraus aus dem Haben-Modus und tretet in den Seins-Modus. Mit der Parabel erläutert Shakyamuni, dass die vorläufigen Lehren der drei Fahrzeuge nur als ein Hilfsmittel anzusehen waren für die Offenbarung des bedeutenden Fahrzeugs der Buddhaschaft.

2. Gleichnis: „Erkenntnis durch Glauben“ (bzw. „Vom verlorenen Sohn“)
In Kapitel IV (S. 102-111) wird die Parabel von einem gekidnappten Kind erzählt, das viele Jahre später auf seinen reichen Vater trifft, aber nicht weiß, dass dieser sein Vater ist. Der inzwischen junge Mann tritt in dessen Dienste und arbeitet viele Jahre für ihn. Der Vater gibt dem Sohn immer höhere Verantwortung, verrät ihm  aber nichts von seiner Herkunft, außer dass er sagt: „Du kannst mich wie einen Vater betrachten“. Erst im Sterben setzt der Vater seinen Sohn als Erben ein und sagt: „Dieser ist mein echter leiblicher Sohn“.
Das Gleichnis steht für die „Buddha-Natur“: Es bedeutet, wir wissen noch nichts über unsere Identität.

3. Gleichnis: „Von den Kräutern und den Heilkräften“ (bzw. „Vom Wald“)
Im Gleichnis von den Kräutern und den Heilkräften (Kapitel V, S. 117-125) erzählt Shakyamuni, wie der Regen auf zwei Bäume und drei Pflanzen gleichmäßig herunterfällt und keine Unterschiede macht.
Buddha entwickelt damit eine ökumenische Richtung im Lotos-Sutra. Er erklärt mit dieser Parabel, dass seine Lehre für alle Menschen gleichermaßen gilt. Je nach dem persönlichen Charakter nehmen die Menschen diese Lehre an.

4. Gleichnis: „Die Phantomstadt“
Hier (S. 153-159) erzählt Buddha von einem Reiseleiter, der versucht, alle Reisende mitzunehmen. Die Reisenden sind sehr erschöpft und wollen nicht weiter. Der Reiseleiter erschafft daraufhin eine Fata Morgana Oase, die die Reisenden wieder an Kraft und Mut gewinnen lässt. Anschließende lässt der Reiseleiter die Fata Morgana wieder verschwinden.
Die Parabel zeigt, dass Buddha es nicht ablehnt, eine Phantomstadt zu erschaffen, um Gläubige mitzunehmen, aber diese sollen nicht in der Illusion verbleiben.

5. Gleichnis: „Vom Juwel, das in der Kleidung versteckt war“
Ein armer Mann trifft eines Tages seinen reichen Freund wieder und isst und trinkt mit ihm. Während der arme Mann betrunken seinen Rausch ausschläft, näht ihm der reiche Mann ein kostbares Juwel in seinen Mantel ein, da er für seinen armen Freund sorgen möchte. Jahre später treffen die beiden Männer wieder aufeinander, und der reiche Mann wundert sich darüber, dass sein Freund immer noch in Armut lebt. Der arme Mann hatte das Juwel nicht entdeckt. Der Reiche weist ihn auf den kostbaren Stein hin.
Das Gleichnis (S. 168-175) verdeutlicht, dass wir einen wunderbaren Schatz in uns selbst haben, den wir aber auch erkennen müssen. Die gierige Haltung soll überwunden werden.

6. Gleichnis: „Die strahlende Perle aus dem Haarknoten“
Dieses Gleichnis (S: 220-223) erzählt von einem reichen König, der all seinen Kriegsgewinn bis auf das letzte Juwel verschenkt, das er in seinen Haaren trägt.
Das Gleichnis zeigt auf, dass der Schatz in uns selber liegt.

7. Gleichnis: „Der abwesende (gute) Arzt, dessen Söhne Gift trinken“
Ein Vater, von Beruf Arzt, geht auf Reisen und seine Kinder nehmen in seiner Abwesenheit Gift ein. Als der Vater zurückkehrt, findet er manche seiner Kinder zum Teil leicht und andere schwer vergiftet vor. Die leicht Vergifteten nehmen die vom Vater verordnete Medizin und gesunden. Die schwer Vergifteten können die Medizin nicht einnehmen. Der Vater geht wieder auf Reisen und schickt den Kindern eine Nachricht über seinen Tod. Diese Nachricht desillusioniert die schwer Vergifteten. Sie haben große Angst und nehmen die Medikamente nun ein. Die Todesnachricht wirkt also nicht nur desillusionierend, sondern zugleich auch als Ermutigung, die Medikamente einzunehmen. Bis der Vater heimkehrt, sind die Kinder genesen.
Das Gleichnis (S. 239-240) spielt mit den zwei Phasen ‚Leben‘ und ‚Tod‘. Das Leben, das beide Elemente beinhaltet, ist nicht einfach tot. Das Leben ist ohne Anfang und Ende und verschwindet nicht. Buddhas Beispiel: Das Leben ist wie die Sonne. Sie scheint permanent, auch wenn man das nicht wahrnehmen kann.



Lotus-Sutra-Manuskript (Original: British Library)
Zeit und Zeitlosigkeit
Die Wirklichkeit und die Gegenwart als Zeit sowie das Handeln sind direkt miteinander verbunden.
Erst das Erwachen/die Erleuchtung ermöglicht den Weg
in die Zeitlosigkeit des Nirvana Der Buddha ist bereits frei von den zeitlichen Bedingungen.



 Weiterführende Quellen:


TU-DO/SoSe 2016/2017-Protokoll-16-11-02

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