Als Antwort auf die NS-Propaganda-Medien war die BBC das Modell für die deutschen Öffentlich-Rechtlichen (ÖRR) Sender ab 1950. Bei uns im Dorf gab es ab 1958 Fernseher, und mein Bruder (*1953) sah mit Opa und Nachbarkindern (kein TV!) das Kinderprogramm. Die Mutter liebte Musik-Radio, und ich (*1949) schaute danach gerne mit Vater Bildungs- und politische Sendungen. Denn die öffentlich-rechtlichen Sender dienten auch als Basis der Bildungsexpansion der 1960er Jahre.
Sie waren zugleich demokratische Bildungsanstalt im Kontext des
Radios und
der regionalen dritten TV- Programme konzipiert.
Die Digitaltechnik demokratisiert heute weiter: Rundfunkprogrammzeitschriften
zeigen diese Modernisierungstendenzen. Streaming-Giganten wie Netflix und
Start-ups prägen inzwischen die Medienlandschaft. Und die Welt wird von
TV-Clips überschwemmt.
Doch 2020 gab es durch Shutdowns im Zusammenhang der Corona-Pandemie kaum soziale Kontakte. Es war auch das Jahr für Trash-TV wie z.B. RTL-TV mit #CoupleChallenge« etc.: Am 3. Januar dieses Jahres sahen 10,5 Millionen ZuschauerInnen das Fernsehexperiment »Feinde« auf den ARD-Sendern als „TV-Event«.
- SCHIRACH-FILMPROJEKT „FEINDE“
Viele Stunden schlechtes Fernsehen (FAZ, 02.01.2021) - Mehr als zehn Millionen Zuschauer sahen »Feinde«
(SPIEGEL, 04.01.2021)
So birgt die Jagd nach Quoten viele Gefahren: Angebote im Radio, Fernsehen und dem Internet müssen geschützt werden:
in der global ausgerichteten Welt mit ihren unterschiedlichen Wertvorstellungen
ist es schwierig, dem Jugendschutz in den Medien immer gerecht zu werden.
Die Medien sind vielschichtig und weitgehend frei verfügbar. Deshalb müssen
Aufsicht, Steuerungsmechanismen, Kontrollen und Verbote neu diskutiert und
ständig weiterentwickelt werden. Die Anbieter von Medien tragen Verantwortung
für alle, besonders für Kinder und Jugendliche.
8
Milliarden Euro kostet der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland. Der
Rundfunkbeitrag beträgt derzeit 17,50 € monatlich. Deutschlands Kommission zur
Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) sah bei den
Sendern eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden Euro und empfahl eine
Anhebung des Rundfunkbeitrags. Diese Anhebung entfiel, well Sachsen-Anhalts
Ministerpräsident Haseloff, CDU, die Regierungsvorlage für den
Landtag zum Rundfunkstaatsvertrag zurückzog. Haseloff hatte die
Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender über die ostdeutschen
Bundesländer kritisiert. Er wünsche sich, dass ARD und ZDF "nach 30
Jahren endlich im vereinigten Deutschland ankommen ... Zuweilen erinnere die
Berichterstattung aus Ostdeutschland an >Auslandsreportagen<: Dies sei
auch einer der Gründe, warum es die öffentlich-rechtlichen Sender im Osten
schwerer hätten ... Die Sender seien "in vielen Sparten Westfernsehen
geblieben". Jedoch der MDR ist m.E. doch mehr „Ost-deutsch“!? Und
kann der Konzern ARD/ZDF ...
mit 45.000 Angestellten und festen Freien MitarbeiterInnen wirklich die
Gebühren anheben, auch wenn er „am Markt vorbeiproduziert“?
Eine
Mehrheit der Bürger war im November gegen eine Erhöhung des Beitrags für ARD,
ZDF und Deutschlandradio (INSA- Umfrage); nur 3% waren
einverstanden, und 84% fanden die Gebühren viel zu hoch. Die Alten - im
Durchschnitt 62 Jahre alt - lieben noch immer die öffentlich-rechtlichen
Sender.
Aber unter den Jungen sehen nur 8% die ARD und 5 % das ZDF.
Die Kids lieben Netflix, YouTube und Instagram.
Doch die „digitale Erschöpfung“ erfordert, die Kontrolle über unser Leben
wiederzugewinnen: Kann Fernsehen gar zu Demenz führen? ...
und reduziert TV unser Denkvermögen?
Daher sollten bei der
Programmauswahl die Erkenntnisse aus dem Bereich der Neuroplastizität
entsprechende Berücksichtigung finden. Darauf verweist:
Prof. Dr.
Manfred Spitzer [2020], Digitales Unbehagen - Risiken, Nebenwirkungen und
Gefahren der Digitalisierung (Details, s.u.).
Anzustreben
ist also ein bewussterer Umgang mit dem ÖRR und
den - neuen - Medien: Neben einer guten Berichterstattung ist es ein stetiges
Ringen, ein vielfältiges und zielgruppenspezifisches Angebot vorlegen zu
können.
Daher gilt es, den SchülerInnen besonders derzeit und weiterhin nachhaltiges Bildungsfernsehen
anzubieten. Dazu ist ein besseres Verständnis der komplexen
Zusammenhänge wie Denken, Fühlen, Sehen, Sprechen, Schmecken, Riechen, Träumen,
Bewegen, Erinnern, Erkennen nötig, also ein vertieftes Bewusstsein. Die
kognitive Neurowissenschaft hilft, Mechanismen sozialer Interaktion
zu erkennen und überbezahlte Medienhypes mit
Wahrnehmungsverzerrungen zu reduzieren: Darum gilt, Fußball-/Sport, Krimis und
Talkshows durch kompetente Beiträge zu kompensieren. Beispiele
dafür gibt es auf 3sat, ARTE, Phoenix und ZDF-Info... Generell bietet unser
ÖRR global betrachtet insgesamt relativ gute Inhalte!
So hilft
darum auch ein Blick über die Grenzen weiter: SRG - das Schweizer
Pendant zu ARD und ZDF – wird überwiegend aus Gebühren finanziert: Jeder Haushalt
mit Empfangsgerät für Radio und Fernsehen zahlte bis Ende 2018 37,60
Schweizer Franken im Monat (umgerechnet 32,29 Euro). Bei einer Volksabstimmung
im März 2018 hatten sich die Schweizer gegen die Abschaffung der Gebühren
entschieden.
Weiteres
Beispiel - Österreich: Für das ORF zahlt jeder Haushalt Gebühren,
die abhängig vom Wohnort sind. Die englische BBC arbeitet mit 8 nationalen und 6 regionalen
Sendern – und mit weniger als 10.000 MitarbeiterInnen.
In Dänemark werden
die Rundfunkgebühren pro Haushalt ab 2022
abgeschafft.
Das
Scheitern des ersten Medien-Änderungsstaatsvertrags in Sachsen-Anhalt und der föderalen
Medienpolitik in Deutschland erfordert inhaltliche und organisatorische
Reformen. Etliche Gremien (Rundfunkräte , Verwaltungsräte
usw.) müssten verbessert werden. Dazu könnten die kleinen ÖRR-Anstalten, Saarländischer Rundfunk und Radio Bremen, danach auch der
Hessische Rundfunk, fusionieren.
Die Corona-Zeit bringt
finanziell für viele Bürger Belastungen und Einschränkungen.
Daher müssen die ÖRR-Ausgaben und deren Subventionierung kritisch
betrachtet werden. Darüber hinaus kann es zahlreiche Sport- und
Unterhaltungsformate auch im privaten Medien geben.
Wichtig gegen den „Informations-Overload“ durch TV, Twitter, Videoblogs und YouTube-Clips aufs Handy (Attention Deficit Trait, ADT und sich ergebende Konzentrationsschwächen) hilft Disziplin und Konzentration. Denn jede/r braucht Phasen und Rückzugsräume, in denen er/sie sich entspannen kann: Kurze und häufige Pausen sind besser als ein langer Urlaub gegen Konzentrationsmangel und Stress.
Wichtiger ist noch, der Verrohung von Kommunikation und das Erstarken des
Populismus durch Soziale Medien (Twitter, Facebook etc.) entgegenzutreten, denn
dadurch verändert sich unsere Kommunikation. Als Beispiel sei die mediale
Kommerzialisierung des Privatlebens von Menschen benannt. Zur Erkennung und zur
Abwehr solcher Gefahren ist ein intensiver Wertediskurs über unsere Medien
unverzichtbar. Es geht um ständig neue Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten,
was als moralisch geboten, verboten oder erlaubt gelten darf. Früher erwartete
man solche Kriterien von den Religionen, heute von der Ethik. Die ethischen
Aspekte in der Entwicklung der Informationstechnologie im Konflikt zwischen
unbegrenzter digitaler Kommunikation und den Möglichkeiten ihres Missbrauchs:
gesellschaftlich, politisch und nicht zuletzt ökonomisch, müssen generell mehr
beachtet werden. Der ÖRR muss helfen ,eine wertebezogene Digitalkompetenz zu
fördern.
https://www.bpb.de/apuz/25396/medienethik
Manfred Spitzer: Digitales Unbehagen.
Risiken, Nebenwirkungen und Gefahren der Digitalisierung.
München: mvg- Verlag 2020, 144 S.
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