Mittwoch, 20. November 2019

Interreligiöse Schule - Konzept für eine multikulturelle Gesellschaft - eine Konferenz 1994 in Ede


Bart ten Broek,  Trees Andree, Anders von Soest,  Reinhard Kirste

Das Konzept einer interreligiösen Schule als Chance
für eine multikulturelle Gesellschaft

Gekürzte und überarbeitete Beiträge, gehalten am 9. September 1994 in der Juliana-van-Stolberg-Schule Ede 

anlässlich einer Tagung des Evangelischen Schulreferates Iserlohn, der Interreligiösen Arbeitsstelle (INTR°A)
und der Universität Utrecht


Bart ten Broek:  Chancen und Gefahren

Die Kinder führen uns gleich ein kleines Spiel vor. Sie machen eine Reise durch die Wüste. Das ist ein gutes Thema, denn wir haben das Gefühl, dass wir immer durch die Wüste der gegenwärtigen Gesellschaft reisen. Und die Kinder - sie laufen, sie suchen Ruhe, sie suchen Oasen, und wenn sie Oasen gefunden haben, sind sie sehr fröhlich. Aber unterwegs braucht man einander und sie werden enden mit dem Lied: „Gib mir die Hand“.

Es gibt, solange das Modell der Begegnungsschule besteht, oder wie wir sagen: das Modell von Anerkennung und Wiedererkennung, es gibt in all den Jahren, die wir bestehen, eine Spannung, einen gesellschaftlichen Prozess einerseits, der in der Schule und ihrer Umgebung stattfindet. Zugleich geht es um schnelle Veränderungen im niederländischen Schulunterricht. Und was wir bemerken, ist, dass Skeptiker nur nach Zahlen schauen , wie die Entwicklung und die Verhältnisse hier sind. Es gibt hier an der Schule mehr Kinder aus der Türkei und aus Marokko als niederländische Kinder. Aber wir schämen uns dafür nicht. Wir denken, daß das Gesetz seine Zeit braucht, und wir bemerken, dass es auch leichte Veränderungen gibt, denn die gesellschaftlichen großen Probleme bleiben bestehen. In den Zeitungen der Niederlande wurde gemeldet, dass es im Jahre 2000 im Westen der Niederlande möglicherweise 45% Ausländer gibt.

Die Gesellschaft wird sich also sehr stark ändern. So bemerkt man ständig Angst bei vielen Menschen. Diese suchen wir in dieser Schule zu durchbrechen. Wir schaffen dies mit Kindern von Ede. Die Skeptiker machen einen großen Fehler, denn in einer Gruppe dieser Schule haben wir wieder mehr niederländische Kinder. Wir wollen aber nicht nur sagen: das ist gut - es ist leicht, das zu tun - hier haben wir das Gefühl: Anders sein ist schön, aber es geht zwei Meter vor und einen Meter zurück (wie bei der Echternacher Springprozession).

Uns geht es um gesellschaftliche Werte, die uns sehr wichtig sind:

·      Die Mitarbeit der Eltern. Sie haben die Verantwortung übernommen, mitzuarbeiten.
·      Die Gleichwertigkeit im Dialog, mit Verträgen, Vertretern der verschiedenen Religionen und der Gebrauch der eigenen Sprache.
·      Das Know-How , die Haltung und die innere Einstellung meiner Kolleginnen und Kollegen.

Ich hoffe, dass wir mit diesem Tag weiter entdecken, daß die Vorurteile, die auch in uns stecken, hinderlich sind, gerade wenn wir es gut machen wollen.

Ich wünsche uns allen einen sehr guten Tag, und ich hoffe, daß die Schule, die in vielen Situationen, wovon Sie gehört oder gelesen haben, daß die Schule etwas mitgibt, wovon Sie sagen: Es ist gut, diese Schule zu stützen und so zu glauben, daß wir etwas entwickeln, was gut ist für die heutigen Kinder.

Anders von Soest:  Die Freiheit des Unterrichts

Ede ist eine Gemeinde mit 100 000 Einwohnern, zerstreut über einige Dörfer und eine Stadt mit ungefähr 65 000 Einwohnern. In Ede wohnen Leute mit 82 - sie hören es gut - 82 verschiedenen Nationalitäten. Über multi-kulturelles Zusammenleben gesprochen, 82 Nationalitäten - herzlich Willkommen!. Und diese Leute haben keine Religion oder verschiedene Religionen. Ich freue mich immer, wenn religiöse und nicht-religiöse Menschen miteinander kommunizieren, denn das Nicht-Kommunizieren führt leicht zum Konflikt. Der Dialog ist so wichtig, in einer Gemeinschaft von Menschen, in einer Schule, in einer Gemeinde. Selbst bin ich inspiriert durch Martin Buber. Martin Buber hat eine Schrift geschrieben „Ich und Du“. Martin Buber spricht von drei Relationen. Relation Ich und Du, Relation zwischen Gott und Menschen. Ich und du - Relation zwischen Menschen und Menschen und Ich - Es, Relation zwischen Mensch und Sache.

Ist es nicht schrecklich, dass Menschen zuweilen mehr Freude erleben an einer Relation mit Dingen als an einer Relation mit Gott oder mit Menschen? Darum sind einige Passagen in diesem Kontext wichtig wie es im INTR°A-Faltblatt steht: Sie schreiben: „Der Gedanke von Toleranz und Versöhnung soll so umfassend gefördert werden, dass Bewährung, Vertiefung und Förderung der eigenen religiösen Identität und Spiritualität dabei als Grundlage eines weiterführenden Dialogs gewonnen werden.“

Die Freiheit des Unterrichtes ist sehr wichtig in Holland, und ich freue mich darüber. Eltern können ihre Kinder in diese Schule gehen lassen oder in eine andere Schule. Das ist gut. Ich hoffe dann auch auf eine gute Konferenz hier in Ede für sie und natürlich für die Gemeinschaft der Juliana-von-Stolberg-Schule.

Trees Andree:  Bedeutung für Pädagogik Wissenschaft

Wenn man nicht mit dem Auto, wie viele von Ihnen vielleicht, sondern mit dem Zug nach Ede fährt, dann steigt man am Bahnhof Ede-Wageningen aus. Für viele Leute in den Niederlanden , aber auch für Ausländer ist Ede-Wageningen ein Begriff, weil alle Züge, Intercity, Schnellzug und natürlich jeder Bummelzug in Ede-Wageningen halten. Nun ist es aus alphabetischen Gründen aber so, daß man Ede vor Wageningen gestellt hat. Eigentlich ist Wageningen bekannter, berühmter, weil sich hier die einzige Landwirtschaftshochschule der Niederlande befindet. Ede hat Industrie, Fabriken, Fabrikarbeiter. Wageningen dagegen hat wegen der Hochschule Studenten und Professoren, und Wageningen hat Labore, Chemiker, Laboranten, landwirtschaftliche Versuchsbetriebe und Versuchsgärten, wo man, was dort wächst und blüht, studiert und damit experimentiert. Ede und Wageningen - ein Bahnhof, aber sehr verschiedene Städtchen. Und Ede ist so gesehen die unbedeutendere von beiden.

Jetzt stellen Sie sich vielleicht die Frage, warum ich Ihnen dies erzähle. Was soll man mit den Kenntnissen von Wageningen anfangen, wenn man hier in Ede an der Schule ist?

Je länger ich darüber nachgedacht habe, je mehr ist mir Übereinstimmung zwischen Ede und Wageningen aufgefallen. Ede hat keine landwirtschaftliche Hochschule. Aber Ede hat die einzige interreligiöse Schule der Niederlande und nicht nur der Niederlande, sondern Europas, die Juliana-von-Stolberg-Schule.

Was in Ede, an dieser Schule im letzten Jahrzehnt auf dem Gebiet des interreligiösen Unterrichts unter sehr schweren Umständen entwickelt wurde, ist sehr wertvoll, nicht nur für diese spezielle Schule und ihre Schüler, sondern für einen viel weiteren Kreis und für eine längere Zeit. Das Konzept der konfessionellen Schule steht unter Druck, weil wir jetzt in diesem Lande noch neben dem öffentlichen Schulwesen eine Verschiedenheit an Bekenntnisschulen haben, lässt es sich absehen, dass in der nächsten Zukunft viele von diesen Schulen zusammengehen müssen und Gesamtschulen werden. Aber welche Signatur werden diese Schulen haben? Wie kann man für die Zukunft das Religiöse, das viele Konfessionen verbindet, und die Eigenheit der eigenen Tradition, die jeder Religion kostbar ist, in der Schule, in Erziehung und Bildung sicherstellen? Und gerade das ist es, was Ede zu bieten hat.

Die Juliana-von-Stolberg-Schule, die sich aus einer protestantisch-christlichen Schule entwickelt hat, als interreligiöse Schule, ist ein Muster für die Gegenwart. Nein, nicht als Blaupause, aber als gutes Beispiel, wie man diesen Weg gehen kann. Denn jede Schule hat ihren eigenen Weg zu gehen. Aber man kann lernen von dem, was andere mitgemacht, untersucht und geprüft haben. Dafür ist es notwendig, dass man Einsicht in den ganzen Prozess hat, mit Fallen und Aufstehen, mit Lachen und Weinen. Und gerade das ist die Kostbarkeit dieser Juliana-von-Stolberg-Schule. Mit der Universität Utrecht, aber auch mit anderen Instituten wird zusammengearbeitet, um das, was hier gewachsen ist, für andere fruchtbar zu machen. Man kann sagen, dass diese Zusammenarbeit bis jetzt im wissenschaftlichen Sinne sehr ergiebig gewesen ist und noch mehrere Möglichkeiten in sich trägt. Leider wirkt sich diese Fruchtbarkeit nicht auf die Anzahl der Schüler aus, insbesondere nicht auf die  Anzahl der christlich-niederländischen Schüler in dieser Schule. Aber haben wir nicht aus der Bibel gelernt, dass ein Prophet selten in seiner eigenen Stadt Anerkennung bekommt? Und wenn man sich dazu vorstellt, dass man hier schon Anfang der achtziger Jahre, vor mehr als zehn Jahren, ein Muster für Erziehung und Bildung entwickelte, worin christliche und muslimische Kinder gleichwertig wachsen können, jeder in seiner Eigenheit und dadurch auch nicht bedroht im Verständnis füreinander, dann kann man vielleicht feststellen, dass die Juliana-von Stolberg-Schule ihrer Zeit voraus gewesen ist. Und das kann fatal für sie sein.

Jetzt wird diese Schule in ihrem Fortbestehen bedroht, nicht wegen ihrer Qualität, nur wegen ihrer Quantität. Damit droht ein einzigartiges Experiment, ein Versuchsgarten, worauf Wageningen eifersüchtig sein könnte, verloren zu gehen. Das wäre nicht nur ein Verlust für Ede, sondern auch für das Zentrum für Interreligiöses Lernen der Universität Utrecht und für die Interreligiöse Arbeitsstelle in Nachrodt, Deutschland, und für meine Kollegen in Hamburg, Berlin, Jena  und am Comenius-Institut in Münster und weiter in Europa. Ich möchte heute gerne die Gelegenheit nutzen, darauf aufmerksam zu machen, daß hier mehr geschieht als Unterricht für ca. 120 Kinder.

Die Juliana-von Stolberg-Schule hat, wie man heute wieder konstatieren kann, eine viel weitere,  auch wissenschaftlich wertvolle Ausstrahlung. Ede hat eine einzigartige Primarschule, wo SchülerInnen und LehrerInnen, Studenten und Professoren aus verschiedenen Ländern sich treffen. Ede hat in der Juliana-von-Stolberg-Schule ein eigenes Labor und Versuchsgarten, wo nicht nur Pflanzen, sondern wo Kinder wachsen, wo eine neue Gesellschaft lebendig wird, wo Menschen von verschiedenen Kulturen und Religionen lernen, in Gleichmütigkeit  miteinander in Frieden zusammenzuleben, wo an der Zukunft gebaut wird.

Ede und Wageningen - ein Bahnhof, sehr verschiedene Städte. Aber Ede ist nicht die unbedeutendere von diesen beiden.

Reinhard Kirste:  Übertragbare Erfahrungen?

Wir haben uns heute in einer Schule versammelt, in deren Nähe, nämlich auf der Eder Heide, das Ende der deutschen Okkupation durch alliierte Fallschirmjäger eingeleitet wurde, wie das in dem englischen Film „Die Brücke von Arnheim“ erschreckend dokumentiert wird. Arnheim musste noch länger unter deutscher Besatzung leiden, denn wie der englische Titel des Films wörtlich übersetzt lautet: es war „eine Brücke zuviel“.

Die Sprache von uns Deutschen, die wir heute hier sind, ist dieselbe Sprache wie die der damaligen Besatzer, einer wahrhaft brutalen Besatzung.

Wenn wir uns heute auf deutsch unterhalten, in einer niederländischen Schule, weil wir - die deutsche Gäste - kein niederländisch sprechen, aus welchen Gründen auch immer, so empfinde ich dies als eine beeindruckende Geste unserer Gastgeber. Aber es geht noch um mehr. Alle miteinander versuchen wir, Brücken zu bauen und nicht Brücken abzubrechen; denn wir wissen, dass die Zukunft in unseren Kindern liegt, niederländischen, deutschen, marokkanischen, türkischen, molukkischen, eben in den Kindern dieser Welt. Sie mögen braun, weiß oder schwarz sein, blonde oder dunkle Haare haben, sie mögen Schlitzaugen haben oder runde Augen. Um diese Kinder geht es. Für diese Kinder ist das Beste gerade gut genug. Und das Beste - das haben so wenige verstanden - dieses Beste ist eine gute Erziehung.

In Deutschland haben wir einige größere institutionelle Schwierigkeiten als in den Niederlanden, denn: Erziehung wird sehr stark reglementiert: Über Lehrpläne, Schulpläne, Administrationen. Und immer wieder hört man den Ruf: Bloß nicht so viel experimentieren! Nein, umgekehrt muss es sein: Unsere Kinder erwarten Kreativität von uns, den Lehrerinnen und Lehrern. Da können wir nicht immer in den alten ausgefahrenen Geleisen fahren, denn unsere Welt verändert sich rasant. Und in dieser veränderten Welt brauchen wir Werte und Maßstäbe, die dem Frieden und der Versöhnung dienen. Unsere Politiker - gerade in Deutschland - haben besonders durch die Ausländer- und Asylgesetzgebung bewiesen, dass man Leute ausgrenzt, statt Brücken baut, dass man bestehende Brücken sogar noch abbaut.

Die Juliana-van-Stolberg-Schule ist für mich nun eine Brücke, wo die Kinder dieser Welt  ohne Grenzen zusammenkommen. Eine Schule, wie die in Ede, macht vor, dass man interreligiös lernen kann, dass man Werte und Maßstäbe haben kann aus der eigenen Religion. In Deutschland ist ein solches Experiment leider nicht möglich.
Unser Wunsch kann eigentlich nur sein, dass die Kolleginnen und Kollegen, die mit aus Deutschland gekommen sind, sich am heutigen Tag ein Stück weit überzeugen, dass es nicht nur wichtig ist, miteinander auf Konferenzen Dialog zu treiben.

Auch das auf manchen internationalen Konferenzen proklamierte Weltethos fängt an der Basis an: Arbeit vor Ort, Arbeit mit den Kindern. Alle großen Pädagogen von Pestalozzi bis Janusz Korczak haben uns dieses gelehrt, daß diese Zukunft als Zukunft des Friedens in unseren Kindern liegt. Und deswegen danke ich, daß wir hier sind und hoffe, daß wir Ideen, auch praktische Ideen, im Laufe dieses Tages entwickeln können und mit nach Hause nehmen.


Pressemitteilung
Begegnung niederländerdischer und deutscher Religionspädagogen in der
Juliana-van-Stolberg-Schule Ede am 9.September 1994

Die interreligiöse Basisschule Juliana-van-Stolberg war am Freitag, 9.September 1994 Gastgeberin für das Evangelische Schulreferat Iserlohn und die Interreligiöse Arbeitsstelle (INTR°A) aus Nachrodt/ Westfalen.
Diese Arbeitsstelle wird geleitet von Prof. Dr. Udo Tworuschka, Jena und Dr. Reinhard Kirste, Schulreferent in Iserlohn. Zusammen mit Prof. Dr. Paul Schwarzenau, Dortmund, bilden sie die Redaktion der Buchreihe „Religionen im Gespräch“ (RIG). Hier wird alle zwei Jahre eine Bestandsaufnahme der interreligiösen Situation versucht.
Die Deutschen waren nach Ede gekommen, weil sie mit ihren niederländischen Kolleginnen und Kollegen einen Gedankenaustausch über ein bemerkenswertes interreligiöses Schulmodell führen wollten.
Diese Schule ist die einzige in den Niederlanden (wahrscheinlich auch in ganz Europa), in der christliche und muslimische Eltern als Gleichberechtigte die Schule mittragen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bedauerten, daß dieses wegweisende Modell bisher so wenig Nachahmer gefunden hat. Sie äußerten die Hoffnung, daß die Behörden diese Schule weiter fördern.

Die niederländische Professorin Dr. Trees Andree von der Universität Utrecht war der Meinung, daß religiöses Lernen aus drei Elementen besteht und zwar nicht nur
*      „Lernen über“ im Sinne von Information, sondern auch
*      „Lernen mit“ anderen zusammen und
*      „Lernen in“ der eigenen Tradition durch Begegnung mit anderen.
Gleichzeitig legte sie eine wissenschaftliche Untersuchung über die Modellschule in Ede vor. Diese Arbeit wird in Kürze auch in Deutsch erscheinen (in der Reihe „Iserlohner Con-Texte“ ICT 13: Interreligiöse Schule - ein niederländisches Modell).

Die Modellschule in Ede wird vom „Centrum voor interreligieus Leren“ (= Zentrum für interreligiöses Lernen) in Utrecht wissenschaftlich begleitet.
Der Schulleiter Bart ten Broek unterstrich, daß interreligiöses Lernen einen langen Atem erfordert. Es handelt sich um einen Prozeß, der das Engagement aller Beteiligten nötig macht.
Die Schule in Ede muß in ihrem Modellcharakter erhalten bleiben.
Darüberhinaus wäre es wünschenswert, daß sie zu einem Stück Selbstverständlichkeit in einer multikulturellen Gesellschaft wird.
(Diese Erklärung wurde auch in den Niederlanden veröffentlicht.)


Aus einem Interview mit Radio MK
im Zusammenhang mit dem Lehrerbesuch in Ede am 6. September 1994

Radio MK = Radio Märkischer Kreis gehört zu den zahlreichen lokalen Rundfunkanstalten (Lokalradios),
die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden sind.

Die Juliana-von-Stolberg-Schule in Ede ist die einzige, die bisher dieses interreligiöse Schulmodell praktiziert, das heißt, dass die Schülerinnen und Schüler zum einen den christlichen Religions­unterricht besuchen, zum anderen aber auch über andere Religionen, zum Beispiel: den Islam aufgeklärt werden. Das pädagogische Konzept erklärt der evangelische Schulreferent aus Iserlohn, Dr. Reinhard Kirste so:

Dieses Konzept ist von der Schule frei gestaltet. Das ist mit dem niederländischen Schulgesetz möglich, und zwar so, dass man einen Lehrplan entwickelt hat, der die Begegnung von Schülern verschiedener Religionen, Rassen und Weltanschauungen ermöglicht. Man muss dazu wissen, dass die Schule eben von niederländischen Kindern, marokkanischen, türkischen, molukkischen Kindern und einigen anderen besucht wird, und man jetzt überlegt hat, wie die verschiedenen kulturellen Hintergründe und die religiösen Traditionen so aufeinander abgestimmt werden können, dass man gegenseitig lernen kann.

Im sogenannten Begegnungsunterricht wird versucht, die Gemeinsamkeiten der Religionen aufzudecken, aber auch Unterschiedliches und Fremdes kennen zu lernen oder besser zu verstehen. Das Voneinander-Lernen steht immer im Mittelpunkt des Unterrichtes.

Dies geschieht einmal, indem die Kinder in ihrer religiösen Tradition, wo sie herkommen, christlich, islamisch zum Beispiel, gefestigt werden, und auf der anderen Seite aber Begegnungsstunden stattfinden, so dass die Kinder sich gegenseitig aus ihren religiösen Traditionen erzählen und natürlich alle Feste, die sich irgendwie anbieten, jetzt gemeinsam gefeiert werden.

Die Erfahrungen der Schulleitung sind durchweg positiv. Das liegt unter anderem daran, dass sich der Schulvorstand aus den Eltern der christlichen und muslimischen Schüler und interessierten Einzelpersonen zusammensetzt. Und genau dieser Schulvorstand organisiert alle anfallenden Arbeiten. So können auch individuelle Wünsche erfüllt werden. Da kommt natürlich die Frage auf:  Ist so eine Unterrichtsform nicht auch auf deutsche Schulen übertragbar? Dazu noch einmal Dr. Reinhard Kirste:

Dies ist in Deutschland undenkbar. Allerdings hat es immer wieder Versuche gegeben, stärker die multikulturelle Situation in den Schulen zu berücksichtigen. Aber bisher ist es auch nicht gelungen, einen islamischen Religionsunterricht an den deutschen Schulen einzuführen. Es scheint jetzt zum ersten Mal in Nordrhein-Westfalen überhaupt möglich zu sein, einen Ethikunterricht einzuführen. Also hier muss noch sehr viel getan werden. Und die Holländer sind uns um vieles an dieser Stelle voraus.“


Zuerst erschienen in:
Iserlohner Con-Texte, ICT 13: Interreligiöse Schule - ein Vorbild aus den Niederlanden.
Hg. Paul Schwarzenau / Reinhard Kirste. Iserlohn 1995, S. 4-33, hier zitiert: S. 40-44


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