Bart ten Broek, Trees
Andree, Anders von Soest, Reinhard
Kirste
Das Konzept einer
interreligiösen Schule als Chance
für eine
multikulturelle Gesellschaft
Gekürzte und
überarbeitete Beiträge, gehalten am 9. September 1994 in der
Juliana-van-Stolberg-Schule Ede
anlässlich einer Tagung des Evangelischen
Schulreferates Iserlohn, der Interreligiösen Arbeitsstelle (INTR°A)
und der Universität Utrecht
und der Universität Utrecht
Bart ten Broek:
Chancen und Gefahren
Die Kinder führen uns gleich ein
kleines Spiel vor. Sie machen eine Reise durch die Wüste. Das ist ein gutes
Thema, denn wir haben das Gefühl, dass wir immer durch die Wüste der
gegenwärtigen Gesellschaft reisen. Und die Kinder - sie laufen, sie suchen Ruhe,
sie suchen Oasen, und wenn sie Oasen gefunden haben, sind sie sehr fröhlich.
Aber unterwegs braucht man einander und sie werden enden mit dem Lied: „Gib mir
die Hand“.
Es gibt, solange das Modell der
Begegnungsschule besteht, oder wie wir sagen: das Modell von Anerkennung und
Wiedererkennung, es gibt in all den Jahren, die wir bestehen, eine Spannung,
einen gesellschaftlichen Prozess einerseits, der in der Schule und ihrer
Umgebung stattfindet. Zugleich geht es um schnelle Veränderungen im
niederländischen Schulunterricht. Und was wir bemerken, ist, dass Skeptiker nur
nach Zahlen schauen , wie die Entwicklung und die Verhältnisse hier sind. Es
gibt hier an der Schule mehr Kinder aus der Türkei und aus Marokko als
niederländische Kinder. Aber wir schämen uns dafür nicht. Wir denken, daß das
Gesetz seine Zeit braucht, und wir bemerken, dass es auch leichte Veränderungen
gibt, denn die gesellschaftlichen großen Probleme bleiben bestehen. In den
Zeitungen der Niederlande wurde gemeldet, dass es im Jahre 2000 im Westen der
Niederlande möglicherweise 45% Ausländer gibt.
Die Gesellschaft wird sich also sehr
stark ändern. So bemerkt man ständig Angst bei vielen Menschen. Diese suchen
wir in dieser Schule zu durchbrechen. Wir schaffen dies mit Kindern von Ede.
Die Skeptiker machen einen großen Fehler, denn in einer Gruppe dieser Schule haben
wir wieder mehr niederländische Kinder. Wir wollen aber nicht nur sagen: das
ist gut - es ist leicht, das zu tun - hier haben wir das Gefühl: Anders sein
ist schön, aber es geht zwei Meter vor und einen Meter zurück (wie bei der
Echternacher Springprozession).
Uns geht es um gesellschaftliche Werte,
die uns sehr wichtig sind:
·
Die Mitarbeit der Eltern. Sie haben die
Verantwortung übernommen, mitzuarbeiten.
·
Die Gleichwertigkeit im Dialog, mit
Verträgen, Vertretern der verschiedenen Religionen und der Gebrauch der eigenen
Sprache.
·
Das Know-How , die Haltung und die
innere Einstellung meiner Kolleginnen und Kollegen.
Ich hoffe, dass wir mit diesem Tag
weiter entdecken, daß die Vorurteile, die auch in uns stecken, hinderlich sind,
gerade wenn wir es gut machen wollen.
Ich wünsche uns allen einen sehr guten
Tag, und ich hoffe, daß die Schule, die in vielen Situationen, wovon Sie gehört
oder gelesen haben, daß die Schule etwas mitgibt, wovon Sie sagen: Es ist gut,
diese Schule zu stützen und so zu glauben, daß wir etwas entwickeln, was gut
ist für die heutigen Kinder.
Anders von Soest: Die
Freiheit des Unterrichts
Ede ist eine Gemeinde mit 100 000
Einwohnern, zerstreut über einige Dörfer und eine Stadt mit ungefähr 65 000
Einwohnern. In Ede wohnen Leute mit 82 - sie hören es gut - 82 verschiedenen
Nationalitäten. Über multi-kulturelles Zusammenleben gesprochen, 82
Nationalitäten - herzlich Willkommen!. Und diese Leute haben keine Religion
oder verschiedene Religionen. Ich freue mich immer, wenn religiöse und
nicht-religiöse Menschen miteinander kommunizieren, denn das Nicht-Kommunizieren
führt leicht zum Konflikt. Der Dialog ist so wichtig, in einer Gemeinschaft von
Menschen, in einer Schule, in einer Gemeinde. Selbst bin ich inspiriert durch
Martin Buber. Martin Buber hat eine Schrift geschrieben „Ich und Du“. Martin
Buber spricht von drei Relationen. Relation Ich
und Du, Relation zwischen Gott und
Menschen. Ich und du - Relation zwischen Menschen und Menschen und Ich
- Es, Relation zwischen Mensch und Sache.
Ist es nicht schrecklich, dass Menschen
zuweilen mehr Freude erleben an einer Relation mit Dingen als an einer Relation
mit Gott oder mit Menschen? Darum sind einige Passagen in diesem Kontext
wichtig wie es im INTR°A-Faltblatt steht: Sie schreiben: „Der Gedanke von
Toleranz und Versöhnung soll so umfassend gefördert werden, dass Bewährung,
Vertiefung und Förderung der eigenen religiösen Identität und Spiritualität
dabei als Grundlage eines weiterführenden Dialogs gewonnen werden.“
Die Freiheit des Unterrichtes ist sehr
wichtig in Holland, und ich freue mich darüber. Eltern können ihre Kinder in
diese Schule gehen lassen oder in eine andere Schule. Das ist gut. Ich hoffe
dann auch auf eine gute Konferenz hier in Ede für sie und natürlich für die
Gemeinschaft der Juliana-von-Stolberg-Schule.
Trees Andree:
Bedeutung für Pädagogik Wissenschaft
Wenn man nicht mit dem Auto, wie viele
von Ihnen vielleicht, sondern mit dem Zug nach Ede fährt, dann steigt man am
Bahnhof Ede-Wageningen aus. Für viele Leute in den Niederlanden , aber auch für
Ausländer ist Ede-Wageningen ein Begriff, weil alle Züge, Intercity, Schnellzug
und natürlich jeder Bummelzug in Ede-Wageningen halten. Nun ist es aus
alphabetischen Gründen aber so, daß man Ede vor Wageningen gestellt hat. Eigentlich
ist Wageningen bekannter, berühmter, weil sich hier die einzige
Landwirtschaftshochschule der Niederlande befindet. Ede hat Industrie,
Fabriken, Fabrikarbeiter. Wageningen dagegen hat wegen der Hochschule Studenten
und Professoren, und Wageningen hat Labore, Chemiker, Laboranten,
landwirtschaftliche Versuchsbetriebe und Versuchsgärten, wo man, was dort
wächst und blüht, studiert und damit experimentiert. Ede und Wageningen - ein
Bahnhof, aber sehr verschiedene Städtchen. Und Ede ist so gesehen die unbedeutendere
von beiden.
Jetzt stellen Sie sich vielleicht die
Frage, warum ich Ihnen dies erzähle. Was soll man mit den Kenntnissen von
Wageningen anfangen, wenn man hier in Ede an der Schule ist?
Je länger ich darüber nachgedacht habe,
je mehr ist mir Übereinstimmung zwischen Ede und Wageningen aufgefallen. Ede
hat keine landwirtschaftliche Hochschule. Aber Ede hat die einzige
interreligiöse Schule der Niederlande und nicht nur der Niederlande, sondern
Europas, die Juliana-von-Stolberg-Schule.
Was in Ede, an dieser Schule im letzten
Jahrzehnt auf dem Gebiet des interreligiösen Unterrichts unter sehr schweren
Umständen entwickelt wurde, ist sehr wertvoll, nicht nur für diese spezielle
Schule und ihre Schüler, sondern für einen viel weiteren Kreis und für eine
längere Zeit. Das Konzept der konfessionellen Schule steht unter Druck, weil
wir jetzt in diesem Lande noch neben dem öffentlichen Schulwesen eine
Verschiedenheit an Bekenntnisschulen haben, lässt es sich absehen, dass in der
nächsten Zukunft viele von diesen Schulen zusammengehen müssen und
Gesamtschulen werden. Aber welche Signatur werden diese Schulen haben? Wie kann
man für die Zukunft das Religiöse, das viele Konfessionen verbindet, und die
Eigenheit der eigenen Tradition, die jeder Religion kostbar ist, in der Schule,
in Erziehung und Bildung sicherstellen? Und gerade das ist es, was Ede zu
bieten hat.
Die Juliana-von-Stolberg-Schule, die
sich aus einer protestantisch-christlichen Schule entwickelt hat, als
interreligiöse Schule, ist ein Muster für die Gegenwart. Nein, nicht als
Blaupause, aber als gutes Beispiel, wie man diesen Weg gehen kann. Denn jede
Schule hat ihren eigenen Weg zu gehen. Aber man kann lernen von dem, was andere
mitgemacht, untersucht und geprüft haben. Dafür ist es notwendig, dass man
Einsicht in den ganzen Prozess hat, mit Fallen und Aufstehen, mit Lachen und
Weinen. Und gerade das ist die Kostbarkeit dieser Juliana-von-Stolberg-Schule.
Mit der Universität Utrecht, aber auch mit anderen Instituten wird
zusammengearbeitet, um das, was hier gewachsen ist, für andere fruchtbar zu
machen. Man kann sagen, dass diese Zusammenarbeit bis jetzt im
wissenschaftlichen Sinne sehr ergiebig gewesen ist und noch mehrere
Möglichkeiten in sich trägt. Leider wirkt sich diese Fruchtbarkeit nicht auf
die Anzahl der Schüler aus, insbesondere nicht auf die Anzahl der christlich-niederländischen
Schüler in dieser Schule. Aber haben wir nicht aus der Bibel gelernt, dass ein
Prophet selten in seiner eigenen Stadt Anerkennung bekommt? Und wenn man sich dazu
vorstellt, dass man hier schon Anfang der achtziger Jahre, vor mehr als zehn
Jahren, ein Muster für Erziehung und Bildung entwickelte, worin christliche und
muslimische Kinder gleichwertig wachsen können, jeder in seiner Eigenheit und
dadurch auch nicht bedroht im Verständnis füreinander, dann kann man vielleicht
feststellen, dass die Juliana-von Stolberg-Schule ihrer Zeit voraus gewesen ist.
Und das kann fatal für sie sein.
Jetzt wird diese Schule in ihrem
Fortbestehen bedroht, nicht wegen ihrer Qualität, nur wegen ihrer Quantität.
Damit droht ein einzigartiges Experiment, ein Versuchsgarten, worauf Wageningen
eifersüchtig sein könnte, verloren zu gehen. Das wäre nicht nur ein Verlust für
Ede, sondern auch für das Zentrum für
Interreligiöses Lernen der Universität Utrecht
und für die Interreligiöse Arbeitsstelle
in Nachrodt, Deutschland, und für meine Kollegen in Hamburg, Berlin, Jena und am
Comenius-Institut in Münster und weiter in Europa. Ich möchte heute gerne die
Gelegenheit nutzen, darauf aufmerksam zu machen, daß hier mehr geschieht als
Unterricht für ca. 120 Kinder.
Die Juliana-von Stolberg-Schule hat,
wie man heute wieder konstatieren kann, eine viel weitere, auch wissenschaftlich wertvolle Ausstrahlung.
Ede hat eine einzigartige Primarschule, wo SchülerInnen und LehrerInnen, Studenten
und Professoren aus verschiedenen Ländern sich treffen. Ede hat in der
Juliana-von-Stolberg-Schule ein eigenes Labor und Versuchsgarten, wo nicht nur
Pflanzen, sondern wo Kinder wachsen, wo eine neue Gesellschaft lebendig wird,
wo Menschen von verschiedenen Kulturen und Religionen lernen, in
Gleichmütigkeit miteinander in Frieden
zusammenzuleben, wo an der Zukunft gebaut wird.
Ede und Wageningen - ein Bahnhof, sehr
verschiedene Städte. Aber Ede ist nicht die unbedeutendere von diesen beiden.
Reinhard Kirste:
Übertragbare Erfahrungen?
Wir haben uns heute in einer Schule
versammelt, in deren Nähe, nämlich auf der Eder Heide, das Ende der deutschen
Okkupation durch alliierte Fallschirmjäger eingeleitet wurde, wie das in dem
englischen Film „Die Brücke von Arnheim“ erschreckend dokumentiert wird.
Arnheim musste noch länger unter deutscher Besatzung leiden, denn wie der
englische Titel des Films wörtlich übersetzt lautet: es war „eine Brücke
zuviel“.
Die Sprache von uns Deutschen, die wir
heute hier sind, ist dieselbe Sprache wie die der damaligen Besatzer, einer
wahrhaft brutalen Besatzung.
Wenn wir uns heute auf deutsch
unterhalten, in einer niederländischen Schule, weil wir - die deutsche Gäste -
kein niederländisch sprechen, aus welchen Gründen auch immer, so empfinde ich
dies als eine beeindruckende Geste unserer Gastgeber. Aber es geht noch um
mehr. Alle miteinander versuchen wir, Brücken zu bauen und nicht Brücken
abzubrechen; denn wir wissen, dass die Zukunft in unseren Kindern liegt,
niederländischen, deutschen, marokkanischen, türkischen, molukkischen, eben in
den Kindern dieser Welt. Sie mögen braun, weiß oder schwarz sein, blonde oder
dunkle Haare haben, sie mögen Schlitzaugen haben oder runde Augen. Um diese Kinder
geht es. Für diese Kinder ist das Beste gerade gut genug. Und das Beste - das
haben so wenige verstanden - dieses Beste ist eine gute Erziehung.
In Deutschland haben wir einige größere
institutionelle Schwierigkeiten als in den Niederlanden, denn: Erziehung wird
sehr stark reglementiert: Über Lehrpläne, Schulpläne, Administrationen. Und
immer wieder hört man den Ruf: Bloß nicht so viel experimentieren! Nein,
umgekehrt muss es sein: Unsere Kinder erwarten Kreativität von uns, den
Lehrerinnen und Lehrern. Da können wir nicht immer in den alten ausgefahrenen
Geleisen fahren, denn unsere Welt verändert sich rasant. Und in dieser
veränderten Welt brauchen wir Werte und Maßstäbe, die dem Frieden und der
Versöhnung dienen. Unsere Politiker - gerade in Deutschland - haben besonders
durch die Ausländer- und Asylgesetzgebung bewiesen, dass man Leute ausgrenzt,
statt Brücken baut, dass man bestehende Brücken sogar noch abbaut.
Die Juliana-van-Stolberg-Schule ist für
mich nun eine Brücke, wo die Kinder dieser Welt
ohne Grenzen zusammenkommen. Eine Schule, wie die in Ede, macht vor, dass man interreligiös lernen kann, dass man Werte und Maßstäbe haben kann aus der
eigenen Religion. In Deutschland ist ein solches Experiment leider nicht
möglich.
Unser Wunsch kann eigentlich nur sein,
dass die Kolleginnen und Kollegen, die mit aus Deutschland gekommen sind, sich
am heutigen Tag ein Stück weit überzeugen, dass es nicht nur wichtig ist,
miteinander auf Konferenzen Dialog zu treiben.
Auch das auf manchen internationalen
Konferenzen proklamierte Weltethos
fängt an der Basis an: Arbeit vor Ort, Arbeit mit den Kindern. Alle großen
Pädagogen von Pestalozzi bis Janusz Korczak haben uns dieses gelehrt, daß diese
Zukunft als Zukunft des Friedens in unseren Kindern liegt. Und deswegen danke
ich, daß wir hier sind und hoffe, daß wir Ideen, auch praktische Ideen, im
Laufe dieses Tages entwickeln können und mit nach Hause nehmen.
Pressemitteilung
Begegnung
niederländerdischer und deutscher Religionspädagogen in der
Juliana-van-Stolberg-Schule
Ede am 9.September 1994
Die interreligiöse Basisschule Juliana-van-Stolberg war am
Freitag, 9.September 1994 Gastgeberin für das Evangelische Schulreferat
Iserlohn und die Interreligiöse Arbeitsstelle (INTR°A) aus Nachrodt/ Westfalen.
Diese Arbeitsstelle wird geleitet von Prof. Dr. Udo
Tworuschka, Jena und Dr. Reinhard Kirste, Schulreferent in Iserlohn. Zusammen
mit Prof. Dr. Paul Schwarzenau, Dortmund, bilden sie die Redaktion der
Buchreihe „Religionen im Gespräch“ (RIG). Hier wird alle zwei Jahre eine
Bestandsaufnahme der interreligiösen Situation versucht.
Die Deutschen waren nach Ede gekommen, weil sie mit ihren
niederländischen Kolleginnen und Kollegen einen Gedankenaustausch über ein
bemerkenswertes interreligiöses Schulmodell führen wollten.
Diese Schule ist die einzige in den Niederlanden
(wahrscheinlich auch in ganz Europa), in der christliche und muslimische Eltern
als Gleichberechtigte die Schule mittragen.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bedauerten, daß dieses
wegweisende Modell bisher so wenig Nachahmer gefunden hat. Sie äußerten die
Hoffnung, daß die Behörden diese Schule weiter fördern.
Die niederländische Professorin Dr. Trees Andree von der Universität Utrecht war der Meinung, daß
religiöses Lernen aus drei Elementen besteht und zwar nicht nur
* „Lernen über“ im Sinne von Information,
sondern auch
* „Lernen mit“ anderen zusammen und
* „Lernen in“ der eigenen Tradition durch
Begegnung mit anderen.
Gleichzeitig legte sie eine wissenschaftliche Untersuchung
über die Modellschule in Ede vor. Diese Arbeit wird in Kürze auch in Deutsch
erscheinen (in der Reihe „Iserlohner Con-Texte“ ICT 13: Interreligiöse Schule -
ein niederländisches Modell).
Die Modellschule in Ede wird vom „Centrum voor
interreligieus Leren“ (= Zentrum für interreligiöses Lernen) in Utrecht
wissenschaftlich begleitet.
Der Schulleiter Bart
ten Broek unterstrich, daß interreligiöses Lernen einen langen Atem
erfordert. Es handelt sich um einen Prozeß, der das Engagement aller
Beteiligten nötig macht.
Die Schule in Ede muß in ihrem Modellcharakter erhalten
bleiben.
Darüberhinaus wäre es wünschenswert, daß sie zu einem Stück
Selbstverständlichkeit in einer multikulturellen Gesellschaft wird.
(Diese Erklärung wurde auch in den Niederlanden
veröffentlicht.)
Aus einem Interview mit Radio MK
im Zusammenhang mit dem Lehrerbesuch in Ede am 6. September
1994
Radio MK = Radio
Märkischer Kreis gehört zu den zahlreichen lokalen Rundfunkanstalten
(Lokalradios),
die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden sind.
die in den letzten Jahren in Deutschland entstanden sind.
Die Juliana-von-Stolberg-Schule in Ede
ist die einzige, die bisher dieses interreligiöse Schulmodell praktiziert, das
heißt, dass die Schülerinnen und Schüler zum einen den christlichen Religionsunterricht
besuchen, zum anderen aber auch über andere Religionen, zum Beispiel: den Islam
aufgeklärt werden. Das pädagogische Konzept erklärt der evangelische
Schulreferent aus Iserlohn, Dr. Reinhard Kirste so:
Dieses Konzept ist von der Schule frei gestaltet. Das ist
mit dem niederländischen Schulgesetz möglich, und zwar so, dass man einen
Lehrplan entwickelt hat, der die Begegnung von Schülern verschiedener
Religionen, Rassen und Weltanschauungen ermöglicht. Man muss dazu wissen, dass die Schule eben von niederländischen Kindern, marokkanischen, türkischen,
molukkischen Kindern und einigen anderen besucht wird, und man jetzt überlegt
hat, wie die verschiedenen kulturellen Hintergründe und die religiösen
Traditionen so aufeinander abgestimmt werden können, dass man gegenseitig lernen
kann.
Im sogenannten Begegnungsunterricht
wird versucht, die Gemeinsamkeiten der Religionen aufzudecken, aber auch
Unterschiedliches und Fremdes kennen zu lernen oder besser zu verstehen. Das
Voneinander-Lernen steht immer im Mittelpunkt des Unterrichtes.
Dies geschieht einmal, indem die Kinder in ihrer religiösen
Tradition, wo sie herkommen, christlich, islamisch zum Beispiel, gefestigt
werden, und auf der anderen Seite aber Begegnungsstunden stattfinden, so dass die Kinder sich gegenseitig aus ihren religiösen Traditionen erzählen und
natürlich alle Feste, die sich irgendwie anbieten, jetzt gemeinsam gefeiert
werden.
Die Erfahrungen der Schulleitung sind
durchweg positiv. Das liegt unter anderem daran, dass sich der Schulvorstand aus
den Eltern der christlichen und muslimischen Schüler und interessierten
Einzelpersonen zusammensetzt. Und genau dieser Schulvorstand organisiert alle
anfallenden Arbeiten. So können auch individuelle Wünsche erfüllt werden. Da
kommt natürlich die Frage auf: Ist so
eine Unterrichtsform nicht auch auf deutsche Schulen übertragbar? Dazu noch
einmal Dr. Reinhard Kirste:
Dies ist in Deutschland undenkbar. Allerdings hat es immer
wieder Versuche gegeben, stärker die multikulturelle Situation in den Schulen
zu berücksichtigen. Aber bisher ist es auch nicht gelungen, einen islamischen
Religionsunterricht an den deutschen Schulen einzuführen. Es scheint jetzt zum
ersten Mal in Nordrhein-Westfalen überhaupt möglich zu sein, einen
Ethikunterricht einzuführen. Also hier muss noch sehr viel getan werden. Und die
Holländer sind uns um vieles an dieser Stelle voraus.“
Zuerst erschienen in:
Iserlohner Con-Texte, ICT 13: Interreligiöse Schule - ein Vorbild aus den Niederlanden.
Hg. Paul Schwarzenau / Reinhard Kirste. Iserlohn 1995, S. 4-33, hier zitiert: S. 40-44
© InterReligiöse Bibliothek (IRB)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen