Donnerstag, 13. September 2018

Jan Slomp: The Gospel of Barnabas – Das islamische Barnabas-Evangelium


Deutsche Zusammenfassung des englischen Beitrags über den „ Sitz im Leben“
des Barnabas-Evangeliums 
von Jan Slomp
Erschienen in:
David Thomas (ed.): Christian-Muslim Relations.
A Bibliographical History (CMRBH)
Volume 9:
Western and Southern Europe (1600-1700)

Leiden/Boston: Brill 2017, S. 371–388
Das Evangelium von Barnabas (BE) spielte in den Verhältnissen zwischen Muslimen und Christen keine Rolle, bis es von Rahmatullah al-Kairanawi erwähnt wurde. Dieser debattierte 1854 mit dem deutschen Missionar Karl Gottlieb Pfander (1803-1865), der damals im Dienst der Church Missionary Society, in Agra, Indien stand. Kairanawi argumentierte, dass es ein ursprüngliches Evangelium von Barnabas (BE) gäbe, das von der Kirche versteckt wurde, weil es mit der Botschaft des Korans übereinstimme.
Im BE verneint Jesus nämlich, Gottes Sohn zu sein. Er erklärt, dass nicht er, sondern Muhammad der künftige Messias sein würde. Nicht Jesus sondern Judas wurde gekreuzigt. Nicht Petrus sondern Barnabas ist der hervorragende Jünger und ähnliche Argumente. Kairanawi hatte Zitate aus diesem Evangelium gefunden, und zwar in der Einführung der englischen Koranübersetzung von George Sale (1734). Sale gebrauchte eine spanische Fassung vom BE.
Vgl.:
https://en.wikipedia.org/wiki/George_Sale

Missionare ärgerten sich verständlicherweise über diese wiederholten Behauptungen.Auf Grund von Nachforschungen wurde eine italienische Handschrift des BE in Wien gefunden. Die Geschwister Lonsdale und Laura veröffentlichten 1907 ein Faksimile des Textes mit englischer Übersetzung.In einer langen Einführung machten sie klar, dass es sich im BE um eine Fälschung handelt. Man darf nicht vergessen, dass die Kolonialzeit zugleich eine Art Hochkultur von christlichen Missionen in der muslimischen Welt war, die von dieser als Bedrohung empfunden wurde.
In Ägypten veranlasste der Reformist Rashid Rida (1865-1935) eine arabische Übersetzung des BE durch einen koptischen Christen. Rashid Rida glaubte, das BE sei das Urevangelium, verfasst von Barnabas, dem Gefährten des Paulus. Mit der kurz darauf erschienenen Urdu-Übersetzung des arabischen Textes begann ein Triumphzug des BE in den großen muslimischen Kultursprachen, wie Indonesisch, Persisch, Türkisch und Swahili. In Europa erschienen Übersetzungen ins Französische, Deutsche, Niederländische, in das moderne Italienisch und das modern Spanisch. Die englische Übersetzung, ohne kritische Einführung, wurde am meistem verbreitet. Alle islamischen Editionen unterstützen die Echtheit des BE und benutzen es als apologetisches Instrument. Das BE bestärkt nämlich das seit Jahrhunderten formulierte muslimische Misstrauen bezüglich der Bibel: Dort seien verfälschende Änderungen im Text vorgenommen worden
(siehe Tahrif, Encyclopaedia of Islam New Edition [2000] X,111-112).
Dies behindert den Dialog, denn Leser/innen des BE werden meistens in muslimischen Ländern mit einer großen christlichen Minderheit gefunden, wie Ägypten, Indonesien und Pakistan. Das gilt natürlich auch für Länder mit muslimischen Minoritäten.
Inhalt und Wirkung dieser vielleicht größten religiösen Verfälschung im Bezug auf neutestamentliche Schriften haben die Forschungen von Jacques Jomier O.P.(1914-2008) in Kairo und Toulouse, Christine Schirrmacher, Universität Bonn und ev.Theol. Fakultät (ETF), Leuven, sowie weitere Gelehrten deutlich gemacht.
Die Quellenforschung wurde sehr gefördert als der Neutestamentler J.E. Fletcher (1976) eine unvollendete spanische Handschrift des BE in Sydney entdeckte.
Vgl.:
https://www.jstor.org/stable/1560539?seq=1#page_scan_tab_contents
Es handelt sich um das gleiche Exemplar, das bereits George Sale gesehen hatte. Es war von einem Aufkäufer für Universitäten nach Australien transportiert, aber an der Universität Sydney in die Rumpelkammer geraten.
Luis Bernabé Pons (Universität Alicante), veröffentlichte den Text 1998. Begleitet von seinem Doktorvater, dem Morisken-Spezialisten Mikel de Epalza, zeigte er auf überzeugende Weise, dass der Verfasser des BE ein Moriske (spanisch: morisco) war. Morisken waren Muslime die sich 1492 entscheiden mussten, ins Exil zu gehen oder Christen zu werden und so im Lande zu bleiben. Viele Morisken lebten jedoch alsr Krypto-Muslime weiter.  
Das BE zeigt nun Ahnlichkeiten mit anderen Morisken-Fälschungen, den sogenannten Bleibüchern von Sacromonte / Plomos de Sacromonte. Es sind Texte, die auf Bleitafeln geschrieben geschrieben sind und im Kloster Sacromonte in Granada entdeckt wurden. Als Gerard Wiegers 2004 in Nijmegen seine Antrittsvorlesung hielt, demaskierte er den Morisken-Übersetzer Alonso de Luna (1570 – nach 1619) als den Autor des BE. Denn der Vergleich der spanischen und italienischen Texte weist auf nur einen Autor hin, der wahrscheinlich jedoch Helfer hatte. Beide Handschriften sind unvollständig.
Der spanische Text hat ein Vorwort, aber die Kapitel 121–222 der italienischen Handschrift fehlen. Der italienische Text hat an der Stelle des Vorwortes leere Seiten. Vermutlich wurde die Arbeit nach den Ausweisungen der Morisken nach 1609/10 plötzlich gestoppt.Die italienische Fassung wurde nach Rom geschickt. Die Päpste hatten ja die Inquisition genehmigt, durch die auch Alonso de Luna entdeckt wurde wurde. Man konnte damals noch nicht ahnen, dass diese Handschriften drei Jahrhunderte später Kirchen und Christen in Verlegenheit bringen würden. Man darf wohl sagen, dass es beiden Religionen offensichtlich an Respekt für die Schriften des anderen fehlt.
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Material zu den Barnabas-Studien (Auswahl):


Relpäd/Slomp-Gospel of Barnabas, 13.09.2018 
CC


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