Durch ihre Vorlesungen und durch persönlichen Begegnungen
vor allem in Pakistan, wo wir damals lebten, und einmal in Amerika habe ich
Professor Dr. mult. Annemarie Schimmel ausführlicher kennengelernt. Von ihren
mehr als neunzig Büchern und zahllosen Artikeln steht beinahe ein Drittel auf
meinen Regalen. Drei Bücher haben einen tiefen Eindruck auf mich gemacht
- Gabriel’s Wing, A study into the religious ideas of ir Muhammad Iqbal [1877-1938], (1963);
- Und Muhammad ist sein Prophet. Die Verehrung des Propheten in der islamischen Frömmigkeit (1981) und
- in der Englischen Urfassung (1975): Mystische
Dimensionen des Islam.
Geschichte des Sufismus (1985).
Es war für Religionen
im Gespräch (RIG) eine Ehre, dass sie ihren Namen mit dieser Dialogreihe
verbunden hat. Sie baute nicht nur Brücken zwischen den Kulturen, sie war
selbst eine Vermittlerin und eine Transformatorin, inspiriert von ihren großen
Beispielen Goethe (1749-1832) und Friedrich Rückert (1788-1866), wie sie es
detailliert in ihren beiden Biographien beschreibt. Der Titel ihrer umfangreichen Autobiographie ist schon auf Goethe hin orientiert:
Morgenland und Abendland. Mein west-östliches Leben .
München: Beck 2002, 352 S. mit Fotos
Morgenland und Abendland. Mein west-östliches Leben .
München: Beck 2002, 352 S. mit Fotos
Sie schrieb
die letzten Zeilen an Pfingsten 2002, ein halbes Jahr vor dem Ende ihres
erfüllten Lebens. Man spürt schon auf vielen Seiten, wie sie mit Sterben und
Tod beschäftigt ist. Dieses Buch enthält nicht nur einen Überblick ihres
Lebens, sondern auch eine Kurzgeschichte der Orientalistik, wie sie diese
persönlich erlebt hat durch Reisen, Kongresse, Begegnungen und Bücher. Man
liest es fasziniert!
Das zweite Buch ist für ein großes Publikum gedacht: Auf den Spuren der Muslime. Mein Leben
zwischen den Kulturen (München 2002)
Es enthält Gespräche mit Hartmut Bobzin, Professor in Erlangen und Navid
Kermani, aus dem Iran stammender Schriftsteller und Wissenschaftler in Köln.
Die eigentliche Autobiographie hat sieben Teile.
In den Teilen 1 und 2 stellt sie mit Dankbarkeit fest, was sie ihren großen Lehrern und Lehrerinnen verdankt. Deutschland hatte, als sie jung war und viele Gelehrte aus dem Dritten Reich flüchteten, trotzdem gute Fachleute für ihre Weiterbildung wie Hellmut Ritter, Hans Schaeder, Fritz Meier, Ernst Kühnel usw. Sie promovierte zum ersten Mal, als sie 19 Jahre jung war, und zwar über arabische politische Geschichte (1941). Ab 1. Dezember 1941 wurde sie, gezwungen von den Nazis, im Auswärtigen Amt in Berlin angestellt, um dort türkische Telegramme zu dechiffrieren. Sie habilitierte sich 1946. Sie fertigte eine zweite Doktorarbeit über die mystische Liebe im Islam an (1951), und zwar beim durchaus frommen Doktorvater Friedrich Heiler in Marburg, der – im Gegensatz zu manchen anderen Universitätsprofessoren – auch Frauen gegenüber aufgeschlossen war.
In den Teilen 1 und 2 stellt sie mit Dankbarkeit fest, was sie ihren großen Lehrern und Lehrerinnen verdankt. Deutschland hatte, als sie jung war und viele Gelehrte aus dem Dritten Reich flüchteten, trotzdem gute Fachleute für ihre Weiterbildung wie Hellmut Ritter, Hans Schaeder, Fritz Meier, Ernst Kühnel usw. Sie promovierte zum ersten Mal, als sie 19 Jahre jung war, und zwar über arabische politische Geschichte (1941). Ab 1. Dezember 1941 wurde sie, gezwungen von den Nazis, im Auswärtigen Amt in Berlin angestellt, um dort türkische Telegramme zu dechiffrieren. Sie habilitierte sich 1946. Sie fertigte eine zweite Doktorarbeit über die mystische Liebe im Islam an (1951), und zwar beim durchaus frommen Doktorvater Friedrich Heiler in Marburg, der – im Gegensatz zu manchen anderen Universitätsprofessoren – auch Frauen gegenüber aufgeschlossen war.
Der dritte Teil beschreibt die für sie entscheidenden
fünf Jahre in Ankara als Professorin für Religionsgeschichte. Ihre tiefen
Freundschaften mit Muslimen fingen damals an und wurden immer zahlreicher. Das
ganze Buch ist ein Lob der muslimischen Gastfreundschaft.
Während eines Zwischenspiels in Europa (1959-1967) führte sie die Hauptschriftleitung einer arabischen Zeitschrift Fikrun wa Fann (Denken und Kunst).
Der Kanadier Wilfred Cantwell Smith überzeugte sie, eine Professur an der berühmten Harvard Universität in Amerika zu akzeptieren. Ein reicher Inder hatte die Finanzen zum Studium der islamischen Kultur im indischen Kontinent zur Verfügung gestellt. Zur gleichen Zeit war sie Beraterin für islamische Kunst am Metropolitan Museum in New York. Obwohl sie in Amerika von 1967-1992 mit Freuden arbeitete und viele begabte Schüler aus der ganzen Welt bekam, blieb Harvard für sie ‘das westliche Exil der Seele’.
Während eines Zwischenspiels in Europa (1959-1967) führte sie die Hauptschriftleitung einer arabischen Zeitschrift Fikrun wa Fann (Denken und Kunst).
Der Kanadier Wilfred Cantwell Smith überzeugte sie, eine Professur an der berühmten Harvard Universität in Amerika zu akzeptieren. Ein reicher Inder hatte die Finanzen zum Studium der islamischen Kultur im indischen Kontinent zur Verfügung gestellt. Zur gleichen Zeit war sie Beraterin für islamische Kunst am Metropolitan Museum in New York. Obwohl sie in Amerika von 1967-1992 mit Freuden arbeitete und viele begabte Schüler aus der ganzen Welt bekam, blieb Harvard für sie ‘das westliche Exil der Seele’.
Die Teile 6 und 7
beschreiben ihre Wanderungen durch den Orient und die Rückkehr nach Europa (1992-2002). In Bonn war sie
wirklich zu Hause.
Auf der letzten Seite ihrer Autobiographie steht ein
Zitat von Johann Gottfried Herder (1744-1803), das ihr wohl als Leitmotiv
gedient hat: ”Aus der Poesie lernen wir Zeiten und Nationen gewiss tiefer
erkennen als auf dem täuschenden trostlosen Wege der politischen und
Kriegsgeschichte” (S. 328).
Annemarie Schimmel kannte diese politische Dimension des Islam
(vgl. auch ihr Islam in the Indian Subcontinent, Leiden 1980, 303 S.
= Handbuch der Orientalistik II, IV, 3) seit ihrer ersten Dissertation. Desto peinlicher war für sie die Empörung von deutschen Schriftstellern und Journalisten gegen die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels in Frankfurt am
17. Oktober 1995, als ob sie muslimischen Diktatoren unkritisch und naiv gestützt hätte. Schmerzhaft fand sie es, dass ein alter Schüler sich an dieser Hetze beteiligt hatte. Ihre Liebe für den Islam, den Muslim und die Muslima sucht das Herz dieser Religion in der Mystik der Gottesliebe.
Annemarie Schimmel kannte diese politische Dimension des Islam
(vgl. auch ihr Islam in the Indian Subcontinent, Leiden 1980, 303 S.
= Handbuch der Orientalistik II, IV, 3) seit ihrer ersten Dissertation. Desto peinlicher war für sie die Empörung von deutschen Schriftstellern und Journalisten gegen die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels in Frankfurt am
17. Oktober 1995, als ob sie muslimischen Diktatoren unkritisch und naiv gestützt hätte. Schmerzhaft fand sie es, dass ein alter Schüler sich an dieser Hetze beteiligt hatte. Ihre Liebe für den Islam, den Muslim und die Muslima sucht das Herz dieser Religion in der Mystik der Gottesliebe.
Was den Dialog betrifft, möge ein Zitat aus Auf den Spuren der Muslime (S. 149) ihre
Haltung verdeutlichen: Im Kapitel ‘Christlich-islamischer Dialog’ fragen
Kermani und Bobzin:
“Ist es hilfreicher, selbst religiös zu sein, wenn man Religionen, auch alte Religionen, verstehen möchte?”
Annemarie Schimmel antwortete: “Ich könnte es mir nicht anders vorstellen. Wenn man Religion verstehen will, muss man nach meiner Überzeugung auch ein Organ dafür haben, genau wie man nur Klavier oder Geige spielen kann, wenn man musikalisch ist”. Annemarie Schimmel kann uns auch durch ihr literarisches Erbe lehren, wie man die ‘Musik’, das heißt das Gute, Wahre und Schöne im Islam, wie in jeder Religion, entdecken kann.
Der Titel ihrer Festschrift, zum 80. Geburtstag am 7. April 1992, drückt das treffend aus: Gott ist schön und er liebt die Schönheit. God is beautiful and he loves beauty.
“Ist es hilfreicher, selbst religiös zu sein, wenn man Religionen, auch alte Religionen, verstehen möchte?”
Annemarie Schimmel antwortete: “Ich könnte es mir nicht anders vorstellen. Wenn man Religion verstehen will, muss man nach meiner Überzeugung auch ein Organ dafür haben, genau wie man nur Klavier oder Geige spielen kann, wenn man musikalisch ist”. Annemarie Schimmel kann uns auch durch ihr literarisches Erbe lehren, wie man die ‘Musik’, das heißt das Gute, Wahre und Schöne im Islam, wie in jeder Religion, entdecken kann.
Der Titel ihrer Festschrift, zum 80. Geburtstag am 7. April 1992, drückt das treffend aus: Gott ist schön und er liebt die Schönheit. God is beautiful and he loves beauty.
Summary: In the Memory of Annemarie Schimmel (1923-2003)
The author describes the international
importance of Prof. Dr. mult. Annemarie Schimmel who has been deeply
appreciated worldwide because of her excellent scientific work on Islam in
gerneral and on sufism, poetry and
Middle East Studies in special. As expert in many Asian languages she tells in
her autobiography her engagement on Muslim traces between Turkey, Pakistan,
India, Iran, Near East and Central Asia. Annemarie Schimmel has helped to
discover the beauty of Islam in a world where this religion is often
discredited by fanatic Muslims themselves and anti-Islamic prejudices in the
Western world.
Zuerst erschienen in:
Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.):
Wegmarken zur Transzendenz. Religionen im Gespräch, Bd. 8 (RIG 8).
Wegmarken zur Transzendenz. Religionen im Gespräch, Bd. 8 (RIG 8).
Balve: Zimmermann 2004, S. 320-322
Rig8/schimmel3.
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