Hinduismus: Dem
Kreislauf der Wiedergeburten entrinnen können?
Der
Umgang mit Krankheit wird im Hinduismus durch die beiden Pole Karma und Reinkarnation
geprägt. Karma im Sinne von Tatfolge wirkt sich positiv aus, wenn der Dharma,
d.h. das tugendhafte Gesetz gehalten wird. „Das Karma haftet am feinstofflichen
Körper, der den Tod überdauert und für die Kontinuität zwischen den
verschiedenen Verkörperungen des Atman (Selbst) im Geburtenkreislauf sorgt.“
(Hutter, Heller, Figl 2003: 635).
So
muss je nachdem wie die bisherigen Leben verlaufen sind, mit entsprechenden
Freuden und Leiden – gerade auch in den außerirdischen Existenzen – gerechnet
werden. Dies kann bedeuten, dass eine gewisse Ergebenheit in das Leiden und
damit auch in die Krankheit für viele Glaubende die Folge ist. Diese wird erst
überwunden, wenn aus den personhaften, individuellen Wiedergeburten der Weg in
das wahre (unindividuelle) Selbst vollzogen ist.
Buddhismus: Überwindung
des Leidens – Pfade zur Befreiung
Der
Buddhismus nimmt den Gedanken vom Kreislauf der Wiedergeburten, vom Rad des
Lebens, das sich unaufhörlich dreht, wieder auf, aber anders als im Hinduismus
wird das unvergängliche geistige Prinzip im Menschen zugunsten eines anderen Wirklichkeitsverständnisses
der menschlichen Existenz zurück gewiesen: Während der Körper verwest,
verkörpert sich die „Seele“ im Sinne einer mentalen Daseinsenergie in anderen
Körpern. Die Neuformation des Menschen nach dem Tod wird jedoch in den
einzelnen Richtungen unterschiedlich gesehen. Letztlich geht es jedoch um das
Erwachen, das Erreichen der Buddhanatur, so dass die geistigen Bestandteile des
Menschen, die Essenz des Geistes schließlich zur Überwindung des Todes führt
und die Todlosigkeit bzw. das Nirvana erreicht wird.
Buddhas
Lehre vom Leiden hatte den Sinn, entmutigenden Fatalismus aufzuweichen, weil es
nach der hinduistischen Lehre für viele Menschen offensichtlich keinen
Entrinnen mehr aus dem ewigen Kreislauf der Widergeburten gab (Figl 2003: 638f).
Im
praktischen Leben des Buddhisten kann so die Hoffnung der Überwindung des
Leidens konkrete Gestalt von Buddha-Paradiesen annehmen, entscheidend aber bleibt,
dem Leiden entrissen zu werden und die Befreiung der Todlosigkeit bzw. des
Nirvana zu erlangen, d.h. Krankheit auch als eine Möglichkeit anzunehmen, den
Lebenssinn zu schulen und auch so zum Leben zu erwachen.
Im
Jahre 2004 hat die Deutsche Buddhistische Union (DBU) einen Kongress zu Alter,
krankheit und Tod durchgeführt, in dem deutlich wurde, welche Möglichkeit von
„spiritual“ and „medical care“ bis zur buddhistischen Sterbebegleitung in
Betracht kommen und wie sie Schritt für Schritt realisiert werden könnten
(Buddhismus aktuell 3/2004: 17-19: Wilfried Reuter: Was Heilung wirklich
bedeutet).
Judentum: Die Trennung
von Gott aufheben
Der
Umgang des Judentums mit dem Leiden hat eine Geschichte, deren Veränderungen
sich bereits in den biblischen Büchern nachvollziehen lassen. Sehr früh taucht
auch der Zusammenhang von Schuld und Vergeltung, Sühne und Vergebung auf, aber
letztlich soll nur jeder für seine eigen Sünde verantwortlich sein (Dt 24,16, 2
Kön 14,6). Mit dem Buch Hiob wird das von Gott kommende Leiden existentiell
dramatisch personalisiert, in der weiteren Entwicklung auch in den
Talmudkommentaren jedoch in die Richtung, dass Entsagung im Leiden nicht
aufkommt, sondern Anruf Gottes zur Veränderung die Gedankenrichtung ausmacht,
eine Tendenz, die durch die Shoah allerdings einen erheblichen Bruch
hervorbrachte und sich in der religiösen Alltagspraxis unterschiedlich
auswirkt, besonders bei den Menschen, die in ihren Familien noch Menschen haben
bzw. hatten, die die Hölle der KZs durchleiden mussten.
Ohne
auf weitere Details einzugehen, sei angemerkt, dass in der heutigen Praxis des
Umgangs mit Leiden, Sterben und Tod bleiben überwiegend die Normen und Rituale der
jüdischen Orthodoxie wirksam sind (Lau 1990, 332ff, 341ff).
Chinesische Religionen
mit Taoismus und Konfuzianismus
China
darf durchaus als ein Schmelztiegel vieler unterschiedlicher religiöser
Traditionen betrachtet werden. Die Einflüsse traditionaler Religionen
Zentralasiens mit starken schamanistischen Elementen gehören ebenso dazu wie
die vorbuddhistischen Hauptströmungen des Taoismus und Konfuzianismus, ebenso
wie der eingewanderte Buddhismus und Islam, aber auch schon im 5. Jahrhundert
das nestorianische Christentum – von den späteren christlichen
Missionsbewegungen einmal abgesehen. Der Fokus soll darum auf den beiden
Hauptströmungen Taoismus und Konfuzianismus deshalb liegen, weil diese
Gedankengebäude und Verhaltensorientierungen bis in die Gegenwart selbst bei
säkularisierten Chinesen hineinwirken. Da der Einfluss Chinas aber auch stark
in den Nachbarregionen war und ist, gehören u.U. auch Menschen aus Kambodscha,
Vietnam und Korea mit in diesem Kontext. Bei Europäern sind teilweise die Grundmuster
der Balance von Yin und Yang und esoterische Elemente in den Vordergrund
gerückt, so wie das I Ging teilweise im Westen verstanden wird.
Taoismus: Die
Wirklichkeit neu sehen lernen
Neben
dem Grundmuster von Yin und Yang, den Laotse zugeschriebenen Schriften mit dem
Tao te King ist der nach ihm lebende Weise Chuang Tzu mit der von ihm
erweiterten Lehre von der Stärke, die in der Schwäche wohnt, bekannt geworden:
So wie sich das Schilfrohr vom stärksten Sturmwind nicht geknickt werden kann,
so ist das Ziel des Lebens die Harmonie, das Tao. Krankheit und Leid sind durch
die Werturteile der Menschen bedingt. So gilt es die Freiheit zu suchen, ehe
das Urteil und die Schwierigkeiten Macht gewinnen. „Wenn wir auf die Dinge schauen
im Licht des Tao, ist nichts am besten, nichts am schlechtesten. Jedes Ding, in
seinem eigenen Licht besehen, hebt sich heraus auf seine eigene Weise … Aber
als Ganzes gesehen ragt kein einziges Ding hervor als ‚besser’.“ (Bancroft 1974: 194f).
Konfuzianismus: Die Welt
ordnen, den Menschen vervollkommnen
Der
Konfuzianismus, der sich ja bis hin zu Staatstheorien entwickelte, stellt sehr
intensiv die Frage nach dem Wert des Menschen, seines Selbstbewusstseins, der
Bedeutung des Gewissens, des ethischen Handelns und des Selbst-Transzendierens
im Sinne einer Geistigkeit, die sich im sog. Himmelskult ihr rituelles Muster
gesucht hat. Dabei spielt die Vorstellung eines persönlichen Gottes eine
untergeordnete Rolle. Konfuzius „hat einen ethischen Humanismus mehr und mehr
Raum gegeben“ (Ching 1989: 182). Es bleibt auch eine Spannung zwischen Kult,
Ritus und Meditation bestehen. Der immer wieder auftretende Gedanke einer
idealen Gesellschaft geht in Richtung der großen Einheit bzw. der großen
Gleichheit (Ching: aaO 208). Ziel also ist eine harmonische Balance zwischen Aktivität und Passivität, in
die auch die Fragen nach Leiden, Krankheit und Sterben einzuordnen sind.
Japanische Religionen:
Sich neu orientieren
Christian
Oberländer hat auf die Spannung zwischen traditioneller Medizin und modernem
Krankheitsverständnis in Japan besonders hingewiesen und er resümiert: „Der
Blick auf die langfristige Entwicklung von Japans ‚traditioneller’
Kanpô-Medizin relativiert exemplarisch die Frage nach dem Medizin- und
Krankheitsverständnis, weil er erkennen lässt, dass es ursprünglich kein
einheitliches, quasi außerhistorisches ‚traditionelles’ Krankheitsverständnis
gab, sondern dass das historische Krankheitsverständnis vielfältig war und im
Laufe des Modernisierungsprozesses umfangreiche Veränderungen durchlaufen hat“
(Zeitschrift für medizinische Ethik 2003: 286). Damit lassen sich im Blick auf
japanische Patienten kaum irgendwelche allgemeine Orienteierungshilfen geben,
sondern beim jeweiligen Patienten spielt sein biografischer Hintergrund, seine
persönliche Entwicklung und sein gegenwärtiger Glaubensschwerpunkt in der
religiös pluralen Vielfalt, Japans die auffälligste Rolle.
Zoroastrismus
(Parsismus): Das Böse besiegen, zum Licht kommen
Diese
dualistisch geprägte Religion – und damit die ständige Auseinandersetzung
zwischen Gut und Böse, Licht und Finsternis – kommt aus dem Mittleren Osten. Muslimische
Iraner und Iraker haben durchaus zoroastrische Elemente in ihrem
Glaubensverständnis verinnerlicht. Der Zoroastrismus schien durch die
islamische Invasion in das Zweistromland, den Iran und Indien fast zum
Verlöschen verurteilt zu sein, erholte sich jedoch wieder – gerade in der
Gegenwart. In Deutschland treten die Anhänger Zarathustras allerdings nur
vereinzelt auf, während im indischen und englischen Raum diese Gruppe etwas
stärker vertreten ist, allerdings in recht verschiedenen Ausformungen, so dass
sich traditionelle und moderne Elemente im Blick auf den Dualismus, die
Befolgung bestimmter Regeln und individuelles Verhalten oft auch mischen
(Kreybroek 1993: 298ff). Da die Rituale z.B. bei Sterben und Tod sehr
kompliziert sind, haben westliche Zoroastrier einen Teil dieser Riten
verlassen, ziehen im Blick auf die Bestattung jedoch in der Regel die
Verbrennung vor (vgl. Nigosian 2001: 101-103).
Jainismus: Die Welt
überwinden
Der
etwa zeitlich parallel zum Buddhismus entstehende Jainismus (Dundas 1992)) gilt
als Religion des Mitleidens (compassion) und eines konsequent gelebten
ökologischen Verhaltens und strenger vegetarischer Ernährung, sozusagen auf dem
Weg der Askese zum Heil. Auch hier spielen Vorstellungen der Reinkarnation eine
beachtliche Rolle. Auf diesem Weg zur Vollendung wird der Leib eher als ein
Hindernis empfunden. Der Sieg über die Leidenshaften ist auch ein Sieg über das
Leiden. Am Leiden geht man
zugrunde, sofern man nicht aus dem Kreislauf des Karma herauskommt: „There must
always remain the possibility of responding to spiritual prompting and awakening
or suddenly experiencing fear of the round of rebirth” (Dundas : 87). Angesichts der konsequent gelebten Gewaltlosigkeit
aller Jains ist jede Behandlung herausgefordert, den kranken Jain in seinem
durch Krankheit herausgeforderten Läuterungsprozess zu begleiten, so dass die
Seele eine höhere spirituelle Ebene erreicht.
Christentum: Leiden als
Durchgang zur Gemeinschaft mit Gott
Durch
die Passion und Kreuzigung Jesu hat das Leiden im Kontext des Heils eine herausragende
Bedeutung gewonnen und schwankt zwischen schicksalhaft bis moralisch böse. Kaum
eine andere Religion hat auch die Frage: Warum kann Gott dass Leid zulassen? so
intensiv thematisiert wie das Christentum (Theodizeefrage). Aber immer steht im
Hintergrund, dass das Leiden für den Glauben und das Heil nutzbar gemacht
werden soll. Die Briefe des Paulus, Augustins Gedanke vom Leiden als von Gott
zugelassener Mangel des Guten wirken in der gesamten Christentumsgeschichte
nach, ebenso wie der Ansatz des Irenäus, der das Leiden als Teil des Bösen
sieht, um beim Menschen einen Lernprozess in Gang zu setzen, der ihn (wieder)
zu Gott zurückführen wird.
Bei
der Vielfältigkeit des Christentums ist zu berücksichtigen, dass neben den
großen Kirchen (katholische, evangelische und orthodoxe Kirchen) besonders die
Zeugen Jehovas, die Christengemeinschaft, die Mormonen, die Neuapostolische
Kirche, die Quäker, die Siebenten-Tags-Adventisten, die Rastafaris und – sofern
man sie wirklich vollständig dem Christentum zuordnen will – die Zigeuner
(Sinti und Roma hauptsächlich als die größten Gruppen) Verhaltensweisen und
Riten entwickelt haben, die unterschiedlich auf die theologischen Vorgaben
reagieren.
Für
das Christentum insgesamt hat m.E. Walter Hollenweger den Dienst am Kranken auf
den Punkt gebracht:
„Der
Christ weiß sehr wohl. Es gibt gesunde Sünder und kranke Heilige. Weder führt
der Glaube notwendigerweise zur Heilung, noch ist die Krankheit
notwendigerweise die Folge von Unglauben. Christen verharren im Gebet und im
Gottvertrauen in gesunden und in kranken Tagen … Das Christliche am Gebet für
die Kranken ist die Einsicht, dass das Gebet keine unfehlbare Medizin ist, die
garantiert wirkt, wenn alles andere versagt.“ So geht es Hollenweger nicht
darum, „Gottes Eingriff zu beweisen, sondern den christlichen Gemeinden Mut zu
machen, die leibhafte, materielle Seite ihres Gottesdienstes ernst zu nehmen.“
(Hollenweger 1988: 58.59)
Islam: Sich von Gott
gehalten wissen
Im
Islam spielt die Heilsgeschichte keine besondere Rolle. Der Gläubige ist in die
Hand des allmächtigen und barmherzigen Gottes hinein gegeben, so dass von daher
auch Leiden im Prinzip mit Gelassenheit getragen werden können, denn die
Freunde Gottes brauchen keine Angst zu haben (Sure 10,62). Es scheint so, dass
muslimische Patienten sich insgesamt leichter mit Leiden und Krankheit
abfinden, als Menschen, die selbst säkularisiert, aus der christlichen
Tradition kommen. Dennoch wird man wohl nicht einfach von Schicksalsergebenheit
oder Schicksalsgläubigkeit reden dürfen.
Interessant
jedoch ist, dass die Schia gegenüber der Sunna das Leidensmotiv wesentlich
verstärkt, das in manchem dem christlichen Märtyrergedanken nahe kommt.
In
Großbritannien hatte sich die islamische Seite schon früh auf die veränderte
Situation unter Migrationsbedingungen eingestellt und die Islamic Foundation in
Großbritannien hatte ein Begleitbuch herausgegeben, das sowohl grundsätzliche
Überlegungen mit hoher inner-islamischer Konsensfähigkeit als auch praktische
Orientierung bietet, weil es Menschen auf der Erfahrungsebene anspricht, die
mit Andersgläubigen in ihrem Berufsalltag zu tun haben (McDermott 1980). Gerade
beim Islam zeigt sich die Bandbreite religiöser Traditionen, die zwischen dem
starren Festhalten an althergebrachten Traditionen und Flexibilisierung
gegenüber einer neuen kulturellen Situation schwankt, wie sie viele Migranten
durch ihre Einwanderung erlebt haben und im Umgang mit der autochthonen stark
säkularisierten Gesellschaft in Deutschland immer wieder erleben (vgl. auch Borek
1999: 131ff). Ina Wunn hat mir ihrer ausführlichen Untersuchung „Muslimische
Patienten“ in Hannover und Umgebung gezeigt, wo die speziellen Bedürfnisse
muslimischer Patientinnen und Patienten liegen. Sie hat eine Reihe islamischer
Gesprächspartner, aber auch konkrete „Fälle“ bearbeitet und kommt zu dem
ermutigenden Schluss: „Bezüglich der besonderen Anforderungen der Religion sind
einerseits die großen Häuser so weltläufig, ist andererseits der Islam so
beweglich, dass tatsächliche Konfrontationen zwischen den Erfordernissen von
Medizin und Pflege und religiösen Pflichten nicht auftreten. Das heißt jedoch
nicht, dass es keinen Spielraum für Verbesserungen gäbe“ (Wunn 2006: 199), z.B.
im Blick auf die weibliche Schamhaftigkeit, die Hygiene, die Ernährung bis hin
zu intensiveren und kompetenten Gesprächsangeboten aus der eigenen islamischen
Gemeinde.
Sikhismus:
Haushalterschaft und Verantwortung
Der
streng monotheistisch ausgerichtete Sikhismus ist eine Religion der Hingabe,
auf der die völlige Befreiung erreicht wird. Die Symbole dieser Hingabe wirken
in die alltägliche und zeremoniale Praxis bis in die Kleidung hinein (Turban,
Kurzschwert) hinein. Entscheidend ist jedoch die medizinische und soziale Sorge
und Verantwortung, die in Indien etwa dazu geführt hat, das es eine , so dass
es viele von Sikhs betriebene Krankenhäuser und Wohlfahrtseinrichtungen gibt
(Cole / Singh Sambhi 1995: 150f). „Aus dem Ichgefühl entsteht die Welt … und
vergisst man Gottes Namen, so muss man Leid erfahren. Wer dem Guru folgt,
vertieft sich in die wirkliche Erkenntnis und verbrennt sein Ichgefühl im Wort.
Rein ist er an Leib und Sinn, rein ist seine Rede, er gehet in den Wahren Gott
ein“ (so Guru Nanak in: Thiel-Horstmann 116)
Baha’i: Die von Gott
gegebene Menschenwürde achten
Angehörigen
der Baha’i-Religion kommen aus unterschiedlichen Ländern (hauptsächlich Iran)
oder sind deutsche Konvertiten. Da diese Religion keine besonders von der
christlichen Tradition abweichende Riten bei der Behandlung von Kranken und
Sterbenden entwickelt hat, ist eigentlich nur der Kontakt mit Menschen der
Religion vom Arzt bzw. vom Krankenhaus her zu halten, um auf etwaige kulturelle
Besonderheiten Rücksicht zu nehmen (vgl. Adamson / Hainsworth 1998).
Traditionale Religionen
Vertreter
traditionaler Religionen werden nur in wenigen Fällen in einem deutschen
Krankenhaus auftauchen, dennoch sollte man sich aber klarmachen, dass Kranke
aus Zentralasien, China, Afrika und Amerika Elemente religiösen Verhaltens
mitbringen, die den Einfluss der Heimatkultur zeigen. Heil und Heilung bilden in den meisten
Kontexten einen unauflöslichen Zusammenhang (vgl. Lee-Linke 2006). Es sei nur
daran erinnert, dass ein wie auch immer gearteter Ahnenglaube unmittelbar auf
den Krankheitsverlauf und den Gesundungsprozess einwirkt, aber auch die Art des
Sterbens mit bestimmt.
Dazu
ein Beispiel aus einem Gebet gegen Krankheit aus Sibirien:
„Vater, sende weg Kinderkrankheiten
von dem, der jetzt betet!
Mutter, beschütze vor dem Bösen
Denjenigen, der jetzt betet!
Wasche ihn mit kaltem Quellwasser,
hebe seinen Kopf empor vom Kissen,
lass es ihm besser gehen von Tag zu
Tag,
lass ihn frisch atmend vom Bette
sich erheben!
Heile alle Krankheiten schnell,
reinige die Eingeweide!
Stelle wieder her acht Geberationen!
So zu Mitternacht habe ich in gutem
Herzen
Und mit guten Worten um jegliches
Ding gebetet“ (di Nola 1984: 50).
Alternative
Heilungsverständnisse
Nicht
an eine bestimmte Religion gebunden, aber angesichts des Einflusses einer Fülle
religiöser Strömungen in den Alltag des heutigen Menschen, spielen auch
alternative Heilungsformen eine immer größere Rolle. Die Bandbreite reicht von
anthroposophischen Ansätzen über Heilkräuterkunde bis zu esoterischen und
magischen Praktiken, die teilweise bewusst an traditionale Religionen anknüpfen
und durch den Besuch von Schamanen aus Asien, Lateinamerika oder Afrika noch
verstärkt werden.
Walter
Hollenweger hat jedoch schon sehr früh darauf hingewiesen – und die zunehmende
Praxis von Heilungsgottesdiensten innerhalb und außerhalb der Kirchen (z.B. in
charismatischen Gruppen sowie in vielen religiösen Traditionen) zeigt dies an –
dass sich hier ein Feld bisher noch kaum systematisch wahrgenommener
Möglichkeiten auftut.
„Die
Frage ist nicht mehr, ob es Heilung jenseits unserer Plausibilitätsstrukturen
gibt. Ihre Tatsächlichkeit ist erwiesen. Die Frage ist vielmehr, in welchem
kulturellen Kontext, im Umfeld von welchem Menschen- und
Wirklichkeitsverständnis solche Heilungen geschehen und verstanden werden
können. Mit anderen Worten: Wie gehen wir mit ihnen medizinisch und theologisch
verantwortlich um.“ (Hollenweger 1988: 51)
Auszug aus: Reinhard Kirste: Begleitung von Krankheit und Sterben:
Religionswissenschaftlich fundierte Möglichkeiten -
Voraussetzungen und Anregungen.
in: Michael Klöcker / Udo Tworuschka (Hg.): Handbuch der Religionen (HdR) ©
Religionswissenschaftlich fundierte Möglichkeiten -
Voraussetzungen und Anregungen.
in: Michael Klöcker / Udo Tworuschka (Hg.): Handbuch der Religionen (HdR) ©
Bamberg: Mediengruppe Oberfranken 1997ff, hier: HdR I-19, EL 23/2010
Vgl.auch: Jenseitsvorstellungen in den Religionen
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