Bereits mehrfach wurde über
den West-östlichen Divan in Iserlohn/Westfalen in der Reihe "Religionen im Gespräch" (RIG) berichtet:
- RIG 3:
Interreligiöser Dialog zwischen Tradition und Moderne 1994,
S. 419-420,
vgl. ICT 13, 1995, S. 55-56; - RIG 5: Die dialogische Kraft des Mystischen. 1998, S. 544-548.
Der Name klingt bewusst an den „West-östlichen Divan" von Johann Wolfgang
von Goethe an, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass die Begegnung von
Kulturen und Religionen eine Bereicherung für alle diejenigen wird, die sich
ein Stück weit in andere Glaubens- und Lebensweisen hineinnehmen lassen.
Rafik Schami, der bekannte Erzähler syrischer Herkunft, schreibt in seinem Buch Damaskus im Herzen und Deutschland im Blick (München: [Hanser 2006], dtv TB 2012, 3. Aufl.) Von der Flucht eines Propheten. Dort begeistert ihn die interkulturelle Kraft Goethes:
„Man ist geneigt zu
denken, Goethe sei während oder vor der Arbeit an seinem kleinen literarischen
Juwel in den Orient gefahren, doch er war nur zwischen Weimar, Wiesbaden,
Frankfurt und Heidelberg hin und her gependelt. Er vermochte aber durch die
Magie der Literatur besser als das Heer heutiger wichtig tuender Journalisten
in Kairo, Damaskus oder Tel Aviv den Orient zu verstehen und zu vermitteln. Das
ist die unfassbare Magie der Literatur. Und dennoch ist dieses Juwel weder
orientalisch noch okzidentalisch geworden. Die Poesie schaukelt zwischen beiden
Stühlen und widerspiegelt so auch meine Seele. Ich müsste mein Herz zerreissen,
wenn ich trennen wollte, was sich in mir aus Ost und West, Orient und Okzident
vereinigt hat. Und ich konnte auch nach der tausendsten Wiederholung noch immer
ausrufen:
Wer sich selbst und andre kennt
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.
Sinnig zwischen beiden Welten
Sich zu wiegen lass ich gelten;
Also zwischen Ost- und Westen
Sich bewegen, sei's zum Besten!“
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.
Sinnig zwischen beiden Welten
Sich zu wiegen lass ich gelten;
Also zwischen Ost- und Westen
Sich bewegen, sei's zum Besten!“
West-östlicher Divan, Nachtrag
zum Divan , 1825/26
Diese
Worte Goethes aus dem Nachtrag zum Diwan 1825/26 geschrieben, zeigen die
Verwobenheit des Westens mit dem Osten, darum gehören Berichte von
„Betroffenen", aber auch das Anhören von Texten aus anderen geografischen
und spirituellen Landschaften bei diesem Hin- und Herwiegen dazu. Dem Klang
fremder Töne durch verschiedene Musikdarbietungen nachzulauschen, weckt in den
Hörern oft unvermutete Erkenntnisse, welche eigene Bereicherung
Multireligiosität und Multikulturalität in einer Gesellschaft bringen. Seit dem
Jahre 1991 setzen sich Menschen in „unserem“ Diwan oder auf diesem (geistigen)
Diwan zusammen, sie setzen sich dem fremden Bekannten und dem unbekannten und
doch Vertrauten aus und merken dabei, wie sich selbst verändern: Deutsche und
Ausländer, Muslime, Christen, Anhänger der Baha’i-Religion, Marokkaner, Griechen,
Iraner, Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien, Männer und Frauen.
Im
Grunde hat mit diesem Diwan eine geistige Wanderung, eine interreligiöse
Pilgerreise begonnen, von der zu hoffen steht, dass sie dem Zusammenleben von
Menschen verschiedener Glaubensweisen und damit auch der deutschen Gesellschaft
in unserer Region zugute kommt. Inzwischen rückt der 100. Diwan näher …
Diese
Veranstaltung ist nicht zur Massenbewegung herangewachsen, aber es gibt
genügend Menschen aus den verschiedensten Kreisen" in und um Iserlohn, aber
auch aus größerer Entfernung, die der Meinung sind, dass diese „Baustelle
Kulturbrücke“ eine nicht zu unterschätzende Facette im multikulturellen Leben
unserer Region ist. Der Gedanke der Brückenbaustelle ist auch mit Bedacht
gewählt, weil es zwar Brückenschläge von hier nach dort gibt, aber noch viel zu
tun bleibt, bis wirklich die verschiedenen Religionen und Kulturen zueinander
gefunden haben, ohne ihre eigene Identität zu verlieren. Kleine Geschenke als
Erinnerung und Anstoss für neue Aktivitäten, sowie aktuelle Diskussionen
vervollständigen das Bild dieser "Baustelle Kulturbrücke", die immer
wieder daran erinnert, dass in einer multikulturellen Gesellschaft, die
interreligiöse Verantwortung, d.h. die Verantwortung aller Glaubenden füreinander
aus noch so verschiedenen Traditionen nicht einfach ausgeblendet werden kann.
Wegen
Umbauarbeiten in der Reformierten Kirche im Stadtzentrum Iserlohns, wo der
Diwan seit 1993 eine Bleibe hatte, ist er nach 10 Jahren in die Kapelle der Ev.
Akademie Iserlohn gezogen und hat sich dort sehr schnell fest etabliert. Der
Vorbereitungskreis hat auch nur leichte Veränderungen erfahren. Von den
nichtchristlichen Religionen wirken eine Muslima und eine Hindu-Frau mit.
So
hat sich über die Jahre hinweg ein Bewusstsein bei Teilnehmenden und
Vorbereitenden entwickelt, dass nämlich die Begegnung mit dem Anderssein des
Anderen Gemeinsamkeiten und Unterschiede so entdecken lässt, dass nicht der
Gedanke der Abgrenzung, sondern der gegenseitigen Bereicherung vorherrschend geworden
ist, also wirklich eine Brückenfunktion zwischen den Religionen, allerdings
brauchen diese „Brückenschläge“ weiterer Festigung, ganz im Sinne des
Untertitels: Denn dieser Diwan heisst
nicht umsonst: Baustelle Kulturbrücke.
Zuerst erschienen in: Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.):
Europa im Orient - der Orient in Europa. Religionen im Gespräch, Bd. 9 (RIG 9).
Balve: Zimmermann 2006, S. 342-345,
aktualisiert, 07.06.2018
relpäd/DiwanRIG 9)
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