Samstag, 20. Januar 2024

Dossier: Orientierung zum Sufismus (aktualisiert)

Darstellung in der Merkez-Moschee,
 Duisburg-Marxloh
Die spirituellen Kräfte und religiösen Veränderungen durch die Entstehung des Islam begünstigten sehr schnell mystische Richtungen in der neuen Religion. Sie werden unter dem Begriff Sufismus zusammengefasst (von arabisch Tasawwuf, wahrscheinlich von „suf“ = Wolle, also sich in Wolle kleiden). Der Sufismus war zugleich eine Antwort auf bald erfolgende institutionalisierte Erstarrungen in der der "umma", der Gemeinschaft aller Gläubigen. Und er war zugleich eine Antwort auf die religiöse Erstarrung, die dem tiefen Bedürfnis nach erlebter Religiosität nicht mehr entsprechen konnte. Auf der Basis von Koran und Sunna zogen sich die Sufis, ähnlich den christlichen Mönchen in Syrien und Ägypten, entweder in die Einöde zurück oder lebten - allerdings nicht zölibatär - in klosterähnlichen Orden mit einem Scheich als Oberhaupt. In diesen Orden (arabisch Tariqa = Weg, Methode) übten sich die Bruderschaften in einer Art Ur-Kommunismus zu teilweise strengem Fasten und intensivem Gebet. Einige von ihnen predigten jedoch auch öffentlich in den Städten im östlichen wie im westlichen Teil der islamischen Herrschaftsgebiete.

In dieser Weise wirkten u.a. Mansur al-Halladsch [Hallaj] (857–922), der in Bagdad wegen seiner Vorstellung von der im Menschen wirkenden Gottesliebe hingerichtet wurde. In Spanien und Nordafrika war es u.a. Ibn al-Arabi (1165-1241), der ins Exil gehen musste (s.u.). Die Mystiker, besonders unter dem Einfluss von Fariduddin Attar (1126–ca. 1230) und Djelaleddin Rumi [Dschalal ad-Din ar-Rumi] (1207–1273) sahen letztlich in einer korrelativ geprägten Liebesbeziehung Gott-Mensch-Gott eine Gleichwertigkeit aller Religionen. 
Halveti-Tekke im albanischen Berat --- Tekke (wikipedia)
Klöster im Islam: 
«Keuschheit und Sexualität haben  keinen Bezug zur Frömmigkeit»
(Interview mit dem Islamwissenschaftler Reinhard Schulze
,kath.ch, 21.02.2021)

Literatur: Islamische Mystik und Orden

Die Gottes-Erkenntnis kann man nicht durch Suchen erlangen,
aber nur die Suchenden erlangen sie.
Bayezid Bastami (Bistami), 803-875, persischer Mystiker aus: Hossein Kazemzadeh-Iranschähr (Hg.):
Leben und Sprüche der Sufi-Meister des Islam. Berlin: Dagyeli  2005, S. 174 
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Diese irdische Welt ist eine Karawanserei auf dem Wege zu Gott, und alle Menschen finden sich in ihr als Reisegenossen zusammen. Da sie aber alle nach demselben Ziel wandern und gleichsam eine Karawane bilden, so müssen sie Frieden und Eintracht miteinander halten und einander helfen und ein jeder die Rechte des andern achten. 
Abu Hamid al-Ghazali (1058-1111): Vom Professor in Bagdad zum wandernden Derwisch
Das Elixier der Glückseligkeit. DG 23. Köln: Diederichs 1984, 3. Aufl. 
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 Weitere wichtige Titel zur islamischen Spiritualität
  • NASR, Seyyed Hosein: Sufismo vivo.  
    Barcelona: Herder 2015, 248 pp.
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    Aus dem Amerikanischen.
    Zuerst erschienen bei Mandala Publ. 1980
    (San Rafael, CA, USA)
    In diesem Buch "Lebendiger Sufismus" kombiniert der Autor eine sorgsame Untersuchung über die Lehren und die Geschichte der Sufis mit einer Diskussion zur Bedeutung des Sufismus als lebendige spirituelle Tradition. 
  • Seyyed Hossein Nasr (ed.): Islamic Spirituality Foundations.
    World Spirituality Vol 19. 
    London: Routledge & Kegan Paul 1987, XXIX, 450 pp-, indices

Annemarie Schimmel:
Mystische und poetische

Peter Sanders Meetings with Mountains. 
Encounters with the Saints and Sages of the Islamic World.
London: Inspiral Books 2019
--- ISBN-10: ‎ 0955710618 --- ISBN-13: ‎ 978-0955710612
Rezension des Fotobuches - Marian Bremer: Heilige im Islam.
Das Licht der Weisen einfangen (Qantara.de, 21.04.2021)

Jesus in der Sufi-Tradition

  • Faouzi Skali (en collaboration avec Eva de Vitray-Meyerovitch): 
    Jésus dans la tradition soufie. Spiritualités vivantes. 
    Paris: Albin Michel 2013, 168 pp., lexique
  • Jesus in den Augen der Sufis (tech of heart, abgerufen 23.04.16)
  • Javad Nurbabakhsh: Jesús a los ojos de los sufíes.
    Colección "Otras Aguas Vivas".
    Madrid: Darek-Nyumba 1996, 125 pp.

Einzelne
islamische Mystiker/Poeten
und Orden


Fariduddin Attar
[= Vogelgespräche] Wiesbaden: Marix 2020, 6. Aufl., 192 S. ---
Inhaltsverzeichnis und Leseprobe >>>

Das persische Versepos #
"Die Konferenz der Vögel" / 
"Vogelgespräche" 
des Dichterfürsten Farud Du-Din Attar aus dem 12. Jahrhundert erzählt eine poetische und religionsphilosophische Geschichte:
Unter dem Vorsitz des Wiedehopfs – der auch im Koran und in Goethes „Westöstlichem Divan“ vorkommt – entschließt sich die Versammlung der Vögel, ihren legendären König, den Wundervogel Simurgh, im Qaf-Gebirge aufzusuchen.
Auf der beschwerlichen Reise durch das Tal der Suche, der Liebe, der Erkenntnis, der Unabhängigkeit, der Einheit, des Erstaunens und des Todes durchwandern sie – alle sieben Stadien des
Sufi-Einweihungspfades. 
Es sind viele Gespräche mit eingestreuten religiösen, subtilen und kuriosen Geschichten -  Märchen, Anekdoten,
Gleichnisse, in denen Dschinne, Derwische, Scheiche, aber auch Jesus und Sokrates vorkommen, Auf dem Sufipfad gehen Tausende der "Wandervögel" zugrunde. Doch für die Überlebenden hat sich die Mühe gelohnt: Sie erreichen die höchste Stufe der Vollkommenheit und erkennen sich selbst. "Gläubige und Ungläubige sind gleichermaßen in Blut getaucht und haben sich verirrt. Mir schwindelt. Ich bin nicht ohne Hoffnung, aber voller Ungeduld.

Fariduddin Attars "Vogelgespräche“:  "Der ist kein Mensch, dessen Seele nicht gelitten hat“

Fariduddin Attars Werk "Vogelgespräche“ gehört zu den bedeutendsten Klassikern der islamischen Mystik. In der Edition Orient ist nun eine opulent illustrierte Neuausgabe erschienen. Von Gerrit Wustmann (Qantara.de, 20.09.2022).

Fariduddin Attar: Vogelgespräche
Zweisprachig persisch-deutsch
Textbearbeitung von Marjan Fouladvand
Übersetzt aus dem Persischen von Thomas Ogger
Illustrationen von Mohammad Barrangi
Originaltitel: Simurgh (Persisch / 2019)
Berlin: Edition Orient 2022, 96 S., Illustr. --- ISBN 978-3-945506-27-1 
Vogelgespräche und andere klassische Texte,
vorgestellt von Annemarie Schimmel.

München: C.H. Beck 1999, 357 S.

--- Rezension: "Perlentaucher." 
--- Mehr zu den "Vogelgesprächen" 
   (wikipedia) 
  • Le Langage des oiseaux - mantic uttair - 
    Traduit du persan par Garcin de Tassy. 
    Paris: Sindbad [1982], 1991, 323 pp.
  • Attar: Das Buch der Leiden.
    Aus dem Persischen von Bernhard Meyer. 
    Mit einer Einführung von Monika Gronke. 
    Reihe: Orientalische Bibliothek. München: C.H. Beck 201), 399 S.

    Attar ist einer der größten islamischen Mystiker. Das „Buch der Leiden“ stand lange im Schatten seiner „Vogelgespräche“, aber gerade in seiner Düsterheit liegt auch die Modernität dieser „vielleicht schwärzesten Dichtung, die je von einem Menschen geschrieben worden ist“ (Navid Kermani). Bernhard Meyer hat den Hauptteil des verstörenden Werkes erstmals vollständig ins Deutsche übertragen.
    Der klassische persische Dichter ‘Attar (um 1136–1220) erzählt eine Seelenreise durch den Kosmos in vierzig Stationen. Der Wanderer bricht auf, um Erlösung von seinem Leiden zu finden, aber alle, die er um Hilfe bittet – die Erzengel, Paradies und Hölle, die vier Elemente, Satan, Dschinnen, Menschen und die Propheten von Adam bis Jesus –, schildern ihm nur ihr eigenes, viel schlimmeres Leiden. Erst Mohammed gibt ihm den Rat, nicht länger in der Welt zu suchen, sondern in sich selbst, und so versinkt er im „Meer der Seele“. Um diese Rahmenerzählung mäandern zahlreiche Geschichten, die das „Buch der Leiden“ trotz seiner Düsternis zu einer kurzweiligen Lektüre machen. Bernhard Meyer hat die 6200 Doppelverse in Prosa übertragen und mit erläuternden Anmerkungen versehen. Monika Gronke führt kundig in den Autor und seine Dichtung ein und erleichtert damit das Verständnis dieses einzigartigen Werkes der Weltliteratur.
Ibn Ata Allah und Al-Halladsch (Hallaj)
Ibn 'Arabî von Murcia (1165-1240)

Maulana (Mevlana) Dschelaleddin
R U M I  
(1207-1273)
München: C.H. Beck 1998, 398 S.

Abd el-Kader (1808 - 1883)
Muhammad al-Jazuli (gest. 1465) - 
Marokkanischer Sufimeister des 15. Jahrhunderts

Muslih Ad-Din Sa'di [Saadi]
- (um 1210- um 1252) -
persischer Poet und Mystiker
- berühmt durch seinen "Rosengarten" [Golestan]

Der Alawiyya-Orden

Weitere Mystiker/innen aus dem Mittleren Osten, Südostasien und Afrika
Mausoleum des Baba Taher in Hamadan (Ekbatan Observer-Blogger, 30.12.2006)
agar dar masǧedī yā dar kelīsā
to har ǧā’ī delam-rā ka‘be ānǧāst
torā ḫwāham torā ǧūyam naporsam
ke īnǧā masǧede yā ke kelīsāst

Ob in einer Moschee oder in der Kirche dort,
Wo immer Du bist, ist Dein Haus meines Herzens Ort.
Dich will ich, Dich such’ ich und ich frage nicht:
Ist hier die Moschee oder die Kirche dort?
Baba Taher (um 944 - um 1019),
persischer Dichter und Sufi (wikipedia)


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Tahera Aftab Sufi Women of South Asia. 
Veiled Friends of God
Women and Gender: The Middle East and the Islamic World, Bd: 20. Leiden: Brill 2022, 600 pp., illustr., index

Alexandre Papas: Thus Spake the Dervish. Sufism, Language, and the Religious Margins in Central Asia, 1400-1900Serie:Studies on Sufism, Vol.4 . Leiden: Brill 2019, IX, 230 pp., indices

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Devin DeWeese and Jo-Ann Gross (eds.): Sufism in Central Asia. 

New Perspectives on Sufi Traditions, 15th-21sCenturies. Serie: Handbook of Oriental Studies.  

Section 8 Uralic & Central Asian StudiesBand: 25. 

Leiden (NL): Brill 2018, XVIII, 340 pp., index  --- 

Verlagsinfos / Inhaltsverzeichnis

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Zachary Valentine Wright: Living Knowledge in West Africa
The Sufi Community of Ibrahim Niasse.
Islam in Africa, vol 18. Leiden: Brill 2015, XVIII, 334 pp.
Verlagsinfos, Inhaltsverzeichnis 

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Äthiopiens Sufi-Schrein: Das "Mekka der Armen"
(Bildergalerie, Qantara.de, September 2019)

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