Donnerstag, 13. August 2020

Völkermühle Europas - Zuckmayers Plädoyer für kulturelle Vielfalt

Der Rhein bei Rolandseck
Carl Zuckmayer (1896-1977), von den Nazis ins Exil getriebener Schriftsteller, hat mit "Des Teufels General" ein Antikriegsdrama der besonderen Art geschrieben.
 Es spielt 1941. 
Hauptperson ist General Harras, Chef der Luftwaffenlogistik und leidenschaftlicher Flieger. 
So arbeitet er für die Nationalsozialisten, obwohl er deren Standpunkte und Taten verachtet und und dies immer wieder öffentlich verlauten lässt.

Die Uraufführung von 1946 fand in Zürich statt. Das Stück wurde unter der Regie von Helmut Käutner verfilmt. Curd Jürgens spielt darin den General Harras. Hier kommt auch die Sinnlosigkeit eines Krieges zur Sprache, wenn man bedenkt, dass alle Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit zusammengehören.


Ein faszinierendes Plädoyer für Multikulturalität und Multireligiosität bietet die
Szene im Haus der Schauspielerin Geis. 
Anlässlich einer Theaterpremiere mitten im 2. Weltkrieg wird im großen Salon des Hauses gefeiert. General Harras, macht sich um den ihm untergebenen ehrgeizigen Leutnant Hartmann etwas Sorgen, weil dieser ausgesprochen verschlossen wirkt. Er stellt ihn zur Rede. Dabei kommt heraus, dass die Verlobte von Hartmann die Verbindung gelöst hat, weil der junge Leutnant keinen Ariernachweis erbringen kann. Nun  besteht die Vermutung, dass eine der rheinischen Urgroßmütter aus dem Ausland gekommen ist. Es sind keine Urkunden zur genealogischen Bestimmung vorhanden.

HARRAS hat sich auf die Lippen gebissen, brummt vor sich hin: So so. Daran liegt's. Da läuft so ein armer Junge mit einer unbestimmbaren Urgroßmutter herum.
- In aufsteigender Wut - Na, und was wissen Sie denn über die Seitensprünge der Frau Ururgroßmutter? Die hat doch sicher keinen Ariernachweis verlangt. Oder – sind Sie womöglich gar ein Abkömmling von jenem Kreuzritter Hartmann, der in Jerusalem in eine Weinfirma eingeheiratet hat? 

HARTMANN sachlich: Soweit greift die Rassenforschung nicht zurück, Herr General. 


HARRAS: Muss sie aber! Muss sie! Wenn schon – denn schon! Denken Sie doch – was kann da nicht alles vorgekommen sein in einer alten Familie. Vom Rhein – noch dazu. Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas!
(Ruhiger) Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor – seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. – Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsass, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant – das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt – und – und der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven, und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald, und – ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein – das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. Seien Sie stolz darauf, Hartmann – und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt. Prost.





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