Samstag, 15. Februar 2025

Spirituelle Räume und Raumbegehungen: Kirche, Moschee, Synagoge

 Spirituelle Gebetsorte und Räume der Stille >>>

I.  Kirche (katholischer und lutherischer Prägung)

Die Kult-Dramatik eines Kirchenraumes entdecken:

  1. St. Peter mit Friedhof,
    Dortmund-Syburg (Foto: IRB
    )

    Um den Ort in seiner Besonderheit zu erspüren, erfolgt eine Umkreisung der Kirche, gleichzeitig lässt sich dabei sehen, dass ursprünglich um die Kirche herum der Kirchhof (Friedhof) angelegt wurde, die Toten bleiben also dem Heiligen nahe.

  2. Das Betreten der Kirche von der Rückseite (oder in vielen westfälischen Kirchen von der Seite im hinteren Teil der Kirche) über eine Schwelle, die die Grenze markiert, weil hier der Weg vom „Außen“, dem Äußeren, zum „Inneren“ beginnt.

  3. Mit dem Eintritt und dem Eintauchen der Finger in das Weihwasserbecken (in der katholischen Kirche) ist dies der unmittelbare Übergang vom Pro-Fanum (dem Weltlichen) zum Fanum (dem Heiligen). Hier erinnern sich die Betenden an ihre Taufe und reinigen sich gleichzeitig symbolisch mit dem Zeichen des Kreuzes (vgl. Waschung vor dem Moscheegebet).

  4. Das Taufbecken steht in vielen Kirchen dicht am Eingang.

    Romanisches Taufbecken,
    Kirche St. Peter, Dortmund Syburg (Foto: IRB)

    Kanzel, Marktkirche Unser Lieben Frauen,
    Halle/Saale (Foto: IRB)

    Oft gibt es eine gesonderte Taufkapelle, weil erst mit der Taufe der Heilsweg beginnt, und früher erst das Kind durch die Taufe bewusst in die Kirche aufgenommen wurde.

  5. Die Stühle und Bänke laden zum Verweilen auf dem Heilsweg ein., in katholischen Kirchen ergänzt durch einen Kreuzweg mit 14 Stationen, so dass die Gläubigen meditierend das Leiden Christi nachvollziehen können.

  6. Die Kanzel ist eine entscheidende Station auf dem Weg zum Heil, weil durch die Predigt den Hörenden da Evangelium, die frohe Botschaft angesagt wird.

  7. In den katholischen Kirchen befinden sich darüber hinaus Beichtstühle an den Seiten, um vor der unmittelbaren Begegnung mit dem Heiligen nach der Ermahnung durch die Predigt, die eigenen Sünden los zu werden.

  8. Kölner Domfenster (wikipedia):
    Lichtwirkung im
     Domchor (seit 1340)

    Kirchenfenster erzählen oft Ereignisse aus den biblischen Büchern oder den Heiligen-Legenden.

  9. Das Lesepult (Ambo) am Altar macht deutlich, woher das Heil verkündigt wird, nämlich aus der Mitte der Gottesgegenwart heraus, die im katholischen Bereich das „Ewige Licht“, eine rote Leuchte in der Nähe des Altars, symbolisiert.

  10. Der Altar mit den Geräten für Brot und Wein macht deutlich, dass nun die innige Verbindung mit Christus erlebt wird. Hier wird durch die Einsetzungsworte zum Abendmahl die Verbindung mit Christus erlebt (Eucharistie / Heiliges Abendmahl oder auch Herrenmahl genannt). In katholischen Kirchen gibt es für die Aufbewahrung der heiligen Geräte und des geweihten Brotes und des Weines ein Tabernakel, in alten Kirchen oft architektonisch als Sakramentshäuschen hervor- gehoben. Vom Altar aus lässt sich oft besonders gut auf die Orgel blicken, die meist die Gesänge und bestimmte liturgische Stücke begleitet und gewissermaßen die materialisierte Form des Gotteslobes ist.

  11. Vom Altar aus wird der Segen gesprochen – und der Weg geht wieder in den Alltag hinaus (d.h., das Pro-Fanum beginnt wieder).

Kanzelaltar in der Ev.-Luth. Kirche
Hildesheim-Marienrode (Foto: IRB)

Die protestantische Variante
eines Kanzelaltars
symbolisiert, dass Wort und Sakrament unmittelbar zusammen gehören und das, was am Altar geschieht, nur verstanden wird durch das Wort Gottes, das (von oben kommt und darum von dort) gepredigt wird. 

Ev.-reformierte Kirche Göttingen (wikipedia)




In der reformierten Tradition ist der
Kult-Charakter des Gotteshauses zugunsten der Form eines Schulhauses, eines Versammlungshauses 
für die Gemeinde (meist mit quadratischem Grundriss) geändert. 
Sie stimmt in diesem Haus ihre Lieder an, hört die Predigt und erinnert sich am Altar-Tisch an die Gemeinschaft Jesus mit seinen Jüngern beim Passahmahl (Abendmahl).

Geheimnisse des Stephansdoms Wien (J. Hisch)

Bildergalerie: Ev.-Luth. Kirche Gersthofen (Franken)


II. Orthodoxe Kirche

Russisch-Orthodoxe Kirche Bad Ems (Foto: IRB)

Beim Betreten einer orthodoxen Kirche fällt sofort die Ikonostase (Ikonenwand) auf, auch die Bemalung ist in vielen orthodoxen Kirchen Deutschlands ausgesprochen üppig. Diese Malereien und Ikonen bilden Christus, die Heiligen ab und stellen biblische Geschichten dar. Dennoch lohnt auch hier der schrittweise Zugang auf die Ikonostase. Verweilorte zur Besinnung könnten sein:

1. Vorhalle (griechisch: Narthex )

Der Narthex, der nach Westen, dem Sonnenuntergang, liegt symbolisiert die Welt in ihrem gegenwärtigen Zustand. In der Zeit der frühen Kirche war der Narthex der Ort, von dem aus die Taufbewerber (Katechumenen) am Gottesdienst teilnahmen; denn da sie noch nicht getauft waren, durften sie das Kirchenschiff, den Raum für die Gläubigen, noch nicht betreten. Dies ist den oft außerhalb der Kirchen oder unmittelbar am Eingang der Kirchen liegenden Taufkapellen ähnlich, wie sie die römisch-katholische Tradition entwickelte. Durch alttestamentliche Bilderszenen an den Wänden wurde den zu Taufenden die Notwendigkeit der Taufe vor Augen geführt, die auch hier vollzogen wurde. 

Griechisch-Orth. Kirche Düsseldorf:
 Heiliger Apostel Andreas (wikipedia)
Homepage mit Bildergalerie

Christ-Erlöser-Kathedrale, Moskau
 (wikipedia: Russisch-Orthodoxe Kirche
)



2. Kirchenschiff

Im Kirchenschiff versammeln sich die Gläubigen mit der ganzen Kirche: mit Christus und allen Heiligen, die bildhaft in den Ikonen gegenwärtig sind. Daher ist Christus in der Kuppel dargestellt, und zwar als der Pantokrator der Allherrscher, der Allmächtige), also zugleich als Schöpfer, Erlöser und kommender 'Lichter.
Deshalb hat die Kuppel in der orthodoxen Kirche eine herausragende Bedeutung und die "Standardarchitektur"
ist die Kreuzkuppelkirche.

3. Ikonenpult

Dieses steht üblicherweise ziemlich in der Mitte des Raums. Die Ikone stellt den Heiligen des betreffenden Tages bzw. des Festes dar. Die Gläubigen bekreuzigen sich davor (von rechts nach links nach orthodoxer Sitte) und küssen die Ikone, d.h. sie küssen nicht das Bild, sondern sie verehren die damit hinter dem Bild durchschimmernde göttliche Wirklichkeit. Dann zünden sie Kerzen an, um ihr Gebet gewissermaßen „lichtvoll“ zu machen.

4. Der Apostel-Leuchter

In vielen Kirchen hängt ein großer Leuchter mit 12 Lichtern, die die 12 Jünger bzw. Apostel darstellen. Sie erleuchten gewissermaßen die Gläubigen.

An liturgisch nicht festgelegter  Stelle findet man eine Ikone mit einer Tafel oder einem Buch als Gedächtnis an die Toten, für die man Kerzen entzündet. Damit wird verdeutlicht, dass die Gestorbenen und die Lebenden eine einzige Gemeinde (im Himmel und auf der Erde) bilden.

In Deutschland haben sich inzwischen Bänke und Stühle für die Gläubigen mehr oder minder durchgesetzt, während üblicherweise (besonders in den „klassisch“ orthodoxen Ländern der Gottesdienst aus Ehrerbietung vor Gott stehend mitgemacht wird.

5. Lesepult für das Evangelium

Verschieden gestaltet sein kann der Platz, von dem aus das Evangelium verlesen wird, der Ambo. Manchmal hat er die Form einer Kanzel. Im Kirchenschiff vieler orthodo­xer Kirchen findet man einen besonders schön gestalteten Sitz, der auch »Thron« ge­nannt wird; dieser ist für den Bischof reserviert. In anderen Kirchen befindet sich dieser Sitz (griech.: Kathedra) auch im Altarraum. Dieser Stuhl ist mit einer Christus-Ikone ge­schmückt; sie soll zeigen, dass Christus der eigentliche Leiter des Gottesdienstes ist; der Bischof handelt im Gottesdienst in seinem Auftrag.

Griech.-Orth.- Kirche Dortmund: Ikonostase (Foto: IRB)

6. Ikonostase

Kirchenschiff und Altarraum sind durch die Ikonostase getrennt.
Sie trennt auch das Diesseits
des Kirchenraumes vom Jenseits
der göttlichen Wirklichkeit.

Schema der Bildordnungen:

Ganz oben befindet sich ein Kreuz als Abschluss-Symbol des Lebens
und Überwindung des Todes

Oberste Reihe der Bilder: In der Mitte Christus als Pantokrator ( = Herrscher des Alls = der über allem herrscht). Neben ihm Maria, die Gottesgebärerin und und Johannes dem Täufer sowie weitere Heilige, Propheten und Urväter des Alten Testaments.

Reihe darunter: Ikonen, die die wichtigsten Feste des Kirchenjahres verdeutlichen, also gleichzeitig die wichtigsten Ereignisse der Heilsgeschichte Jesu Christi von seiner Geburt Christi, bis zur Auferstehung.

7. Die Türen als Durchlässe in der Ikonostase

in der Ikonostase befinden sich drei Türen.

Die mittlere Tür wird Königstür oder Heilige Tür genannt. Auf ihr sind die Verkündigung des Erzengels Gabriel an die Gottesgebärerin Maria dargestellt sowie die vier Evangelisten. Es können auch Patriarchen der Alten Kirche (Kirchenväter) sein, die die „Göttliche Liturgie“ und weitere Gestaltungselemente der orthodoxen Liturgie entwickelt haben. Auf oder unmittelbar neben den Seitentüren sind Engel oder heilige Diakone dargestellt.
Links neben der Königstür ist Christus als Kind (als der gekommene Erlöser) auf dem Arm seiner Mutter Maria dargestellt, rechts als der am Ende der Tage wiederkehrende Erlöser und Richter. Daneben finden sich noch Ikonen von der jeweiligen Gemeinde besonders verehrten Heiligen.

Altar in orthodoxen Kirchen (wikipedia)

8. Altarraum hinter der Ikonostase

Hinter der Ikonostase befindet sich der aufgrund der Höhe der Ikonostase zuweilen kaum einsehbare Altarraum (das Allerheiligste). Auf dem Altartisch liegt das Evangelienbuch, ein Kreuz für die Segnung der Gläubigen und ein Tuch mit der Darstellung der Grablegung Christi. Manchmal ist in das Altartuch auch eine Reliquie eingenäht. Hinzu kommen Kerzenleuchter und das ewige Licht im Tabernakel. Gesondert daneben steht ein Tisch, auf dem die Eucharistie, das Abendmahl (Brot und Wein) vorbereitete werden, auf der rechten Seite liturgische Gewänder (je nach Kirchenjahreszeit) und zusätzliche Abendmahlsgeräte. Auf der Rückseite des Altarrraums befindet sich: Sitz für Priester oder Bischof

Weitere Erläuterungen zur Ikonostase: http://orthpedia.de/index.php/Ikonost

>>> Orthodoxe Kirchen in Deutschland (wikipedia) >>>

II. Moschee

Der Gedanke des Schul- und Lehrhauses dominiert auch hier. Die Moscheekuppel (aus der römischen Architektur übernommen) symbolisiert in den Moscheen türkischer Tradition den Himmel, oft noch verstärkt durch einen Leuchter als Zeichen der göttlichen Erleuchtung für die Menschen.
Zur inneren und äußeren Reinigung ist vor dem Gebet die Waschung verpflichtend
(und zwar in besonderer Reihenfolge).

Merkez-Moschee, Duisburg Marxloh (Foto: IRB)

Nachdem der Muezzin (Gebetsrufer) zum Gebet eingeladen hat, in den islamisch geprägten Ländern als Lautsprecherstimme vom Minarett (= Ort des Lichts – Moscheeturm, an großen Moscheen mehrere Minarette), betreten die Betenden ohne Schuhe die Moschee, das Gebetshaus, das gleichzeitig er Versammlungsraum gesehen wird. Sie ist mit Teppichen belegt, die dem Betenden die Reinheit des Hauses deutlich macht und ihn oft in der Ausrichtung der Teppichmuster gleich nach Mekka weist (Kibla = Gebetsrichtung nach Mekka).

Mihrab, DITIB-Moschee Iserlohn (Foto: IRB)
An der Stirnwand befindet sich der Mihrab, die oft sehr schön mit Fliesen, Marmor oder Mosaiken geschmückte Gebetsnische in Richtung Mekka mit dem Wort „Allah“(Gott) zur Rechten und „Mohammed“ zur Linken (es wird von Rechts nach Links gedacht, so wie man arabisch schreibt.), in der Mitte oft eine Koransure im Sinne der Gebetseinladung.

Fatimid Minbar in der Ibrahimi Mosque
 in Hebron --- Minbar - wikipedia.en --- 

Das Lesepult – etwas erhöht - für die (tägliche) Koranauslegung und kleine Lesepulte dienen dazu, um den Koran oder einen Koran-Kommentar zur Lektüre darauf abzulegen.

Minbar ( = Kanzel) ist der Ort für die Freitagspredigt des Vorbeters, der symbolisch schon einige Schritte „nach oben“ gegangen ist, auf die 7. von 13 Stufen. Damit wird die Autorität der Predigt sichtbar, der Imam (Vorbeter) wird zum Verkündiger der göttlichen Botschaft.

Eine Uhr befindet sich praktisch in jeder Moschee, um die Gebetszeiten nach dem Sonnenstand exakt einhalten zu können. Wenig Schmuck, keine figürlichen Elemente, nur Ornamentik, vielleicht noch Tafeln mit den Namen der vier Kalifen und den beiden Söhnen Alis sind zu sehen.

Weitere Anregungen - Lernort:
>>> Schwetzingen - Schlosspark und Moschee >>> 


III. Synagoge

Ehem. Synagoge Hagen-Hohenlimburg mit Bildergalerie (Foto: IRB)

Auch die Synagoge hat mehrere Funktionen: Der Sabbatgottesdienst spielt zwar eine zentrale Rolle, aber die Synagoge ist auch „Schulhaus“, d.h.
Studienplatz für die Tora (die Weisungen Gottes) und natürlich Versammlungsort der Gemeinde.

Bima und Toraschrein der Hornburger Synagoge im 

Der Toraschrein (Toranische) ist der Ort für die „Heilige Lade“, das heißt in der gewöhnlich mit einem Vorhang bedeckten Nische stehen die Torarollen, die man nur zur Lesung und beim feierlichen Umhertragen sehen soll. Über dem Toraschrein sind die Tafeln der 10 Gebote als Symbolik der Weisung Gottes und als ständige Mahnung für die Betenden deutlich sichtbar angebracht.

In der Nähe des Schreins befindet sich auch das Toralicht als Zeichen der immer währenden Gegenwart Gottes (auf Grund von 3. Mose 24,2-3; vgl. Ewiges Licht in der katholischen Kirche)

Die Verlesung der Tora erfolgt auf einer Erhöhung, einer freistehenden Kanzel oder Bühne, die als Almemor bezeichnet wird (an das arabische Wort für Kanzel = al minbar anklingend). Dazu wird jeweils eine Torarolle feierlich aus dem Toraschrein geholt und auf den Tisch (Bima = Erhöhung) des Almemor gelegt. Der Almemor steht immer im Zentrum der Synagoge.

Menora = der siebenarmige Leuchter: Sie erinnert an den Leuchter im Tempel zu Jerusalem, der im Jahre 70. n. Chr. nach der Eroberung Jerusalems nach Rom verschleppt wurde. Gleichzeitig gilt die 7 als Zahl der Vollendung.

Rekonstruktion der Menora
des 
Tempels in Jerusalem,
hergestellt vom 
Temple Institute 
(wikipedia.en: Menorah).

Der in der Wand oder im Fenster angebrachte Davidsstern ist erst im Mittelalter zum jüdischen Symbol geworden.

In den orthodoxen Synagogen sitzen Männer und Frauen getrennt, deshalb ist für die Frauen in der Regel eine Empore vorgesehen (Frauenempore).

Eine Orgel ist nicht üblich und findet sich darum nur in Synagogen des liberalen Judentums.

Anregungen für den Unterricht:

>>> Gedenkorte und Zeugen jüdischen Lebens
       in Iserlohn und Umgebung >>>

>>> Orte jüdischen Lebens
       (besonders deutscher Sprachraum)
>>>


Gebet der Vereinten Nationen

Gott, unsere Erde ist nur ein kleines Gestirn im großen Weltall.

An uns liegt es, daraus einen Planeten zu machen,
dessen Geschöpfe nicht von Kriegen gepeinigt werden,
nicht von Hunger und Furcht gequält,
nicht zerrissen in sinnlose Trennung nach Rasse, Hautfarbe und Weltanschauung.
Gib uns Mut und die Voraussicht,
schon heute mit diesem Werk zu beginnen,
damit unsere Kinder und Kindeskinder einst ohne Scham
 den Namen Mensch tragen können. Amen

Reinhard Kirste



relpäd/Spiritueller Raum-bearb., 28.11.05, bearb. Februar 2025


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