Freitag, 9. April 2021

Jalda Rebling: EAJL - European Academy for Jewish Liturgy - Die Europäische Akademie für Jüdische Liturgie in London


 Im Sommer 2010 flog ich nach Israel, um am Sommerkurs der Conservative Yeshiva in Jerusalem teilzunehmen. 6 Wochen Zeit zum Lernen in Jerusalem. Keine Verpflichtungen. Ein Traum wird wahr.

Dort traf ich Chasan (englisch: Chazan)* Jaclyn Chernett. Wir hatten schon voneinander gehört.  Ihr erzählte man, von einer Frau aus Berlin, die ständig über den Ozean fliegt, um Nussach HaT´filla, die jüdische Liturgie, zu erlernen. Mir erzählte man, von einer Frau aus London die ständig über den Ozean fliegt um Nussach HaT´filla zu lernen. Und hier in Jerusalem trafen wir uns. Jacky erhielt ihre Semicha (Ordination) 2006 von der Academy for Jewish Religion (AJR) in New York, und ich erhielt meine Semicha (Ordination) wenige Monate später von der Alliance for Jewish Renewal (ALEPH)

Für uns beide war klar, dass wir wohl kaum einen „Job“ als Chasan an einer Synagoge in Berlin oder London erhalten würden. Wir sind Frauen und „Kol Ischa“, die Stimme der Frau, war für viele Gemeinden eine Unmöglichkeit. 

Jacky hatte in London eine Organisation gegründet, die 
European Academy for Jewish Liturgy (EAJL)
EAJL ist eine academy without walls, inklusiv und egalitär. EAJL ist eine der 5 Säulen von Masorti Europe (>>> 
Masorti Europe - Masorti Judaism). 
E
s gibt zunehmend kleine jüdische Gemeinden, die sich keiner Denomination zuordnen. 

Dort, wo sich mindestens zehn Juden zusammenfinden, können sie eine Gemeinde gründen. Sie brauchen eine Mikwe (ein Tauchbad) und einen Friedhof (Haus der Ewigkeit). Man braucht nicht einmal einen Rabbiner oder eine/n Chasan. Umso wichtiger wird die Arbeit von EAJL.

Da es immer mehr kleine unabhängige jüdische Gemeinden in Europa gab, wollte Jaclyn Chernett diesen Gemeinden ein Angebot machen: jeder kann lernen. Wenn du nur bestimmte Teile des Gebetes lernen möchtest, kol hakavod, komm wir heißen Dich willkommen und suchen dir einen qualifizierten Lehrer, der sich in deiner Tradition auskennt und ihr lernt „one – to –one“ über Skype oder Zoom.

Naja, sagte ich ihr, das ist großartig, aber lernen deine Studenten auch, wie man eine k´hilla k´dosha, eine heilige Gemeinde erschafft? Brauchen wir nicht auch Retreats oder Workshops und Kurse, die über mehrere Tage gehen z.B. von Mittwoch bis Sonntag? So könnten die Teilnehmenden sowohl Wochentagsgebete als auch einen ganzen Schabbat erleben. Wir coachen sie und lernen mit ihnen.

Und so entstand eine enge Zusammenarbeit, die zu einer tiefen Freundschaft wurde.  Während der Diskussionen entschieden wir, dass jeder willkommen sei, egal ob er/sie von World Union for Progressive Judaism – Wikipedia von einer Masorti-Gemeinde oder aus einer unabhängigen Chavurah kommt.  Juden verschiedener Traditionen können im Gebet zusammen zu einer Gemeinde werden, selbst wenn sie unterschiedliche Gebetbücher haben. So fand im Sommer 2012 der erste EAJL-Retreat statt. 

EAJL-Retreat 2018: Moriah Ferrús, Yohanan Martín Monterdéz, Jalda Rebling,
 Jaclyn Chernett, Joey Weisenberg 

Ein Jahr später bekamen wir eine Einladung, einen dreiwöchigen Kurs an der der Sommeruniversität der Conservative Yeshiva in Jerusalem zu geben. Der Kurs wurde ein großer Erfolg. Nicht nur Studenten aus aller Welt, sondern auch ausgebildete Kantoren nahmen an unseren Kursen und unseren Retreats teil.
Eine Kantorin sagte: „Ich habe etwas gelernt, von dem ich nicht wusste, dass es mir fehlte“.

Sommeruniversität der Conservative Yeshiva Jerusalem:
Dr. Laurence Jacobs, Saralee Shreel-Fox, Jalda Rebling, Jaclyn Chernett,  
Professor Joanna Kubar President  Masorti Europe, Rabbi Joel Levy, Rosh Yeshiva

Rabbi Tzvi Graetz (Direktor von Masorti Olami)
 

Neben dem one-to-one tutoring, also dem sehr individuellen Unterricht, lernen wir einmal im Jahr gemeinsam, entweder beim Retreat in England oder in der Sommeruniversität von Jerusalem.

Nussach-Klasse, Sommer 2017 (Conservative Yeshiva Jerusalem) 

Morgengebet nahe der Klagemauer in Jerusalem 2019


Inzwischen haben wir bereits an drei Absolventinnen und Absolventen ein Ba´al T´filla-Diplom ausgegeben.
Ein Ba´al T´filla ist ein Meister des jüdischen Gebets. Das heißt dass diese Absolventen das gesamte Spektrum jüdischer Liturgie und die sechs verschiedenen Arten der Kantillation unserer Bücher beherrschen.

Jetzt haben wir auch eine Chasan-Ausbildung (Semicha-Programm zur Ordination) entwickelt. In diesem Jahr noch wird die erste Absolventin eine Ordination als Chasan erhalten.

Die Covid 19-Plage verhinderte unser geplantes Retreat 2020. Dafür entstand ein EAJL-Online Learning Day. Wir beleuchteten Aspekte der aschkenasischen und der sephardischen Liturgie. Dieser Online-Lerntag wurde ein so großer Erfolg, dass wir nun ein Online Learning Programm entwickelten.
Wir unterrichten hier weiterhin in aschkenasischer und in sephardischer Tradition.

·        Ashkenazi-Jews - das aschkenasische Judentum (wikipedia.en)

·        Sephardi-Jews - das sephardische Judentum (wikipedia.en)

·        Das sephardische Judentum auf der Iberischen Halbinsel und seine wirkungsgeschichtliche Bedeutung

Im Sommer 2021 werden wir drei Wochen lang online an der Sommeruniversität in Jerusalem unterrichten. Die moderne Technik ermöglicht uns weltberühmte Chasanim, jüdische Kantorinnen und Kantoren, als Dozenten für diesen Kurs zu gewinnen. Damit können alle europäischen Jüdischen Gemeinden, seien sie noch so klein, von den besten Chasanim dieser Welt lernen.

Auch unsere Studenten kommen inzwischen aus aller Welt: von Neuseeland bis zur amerikanischen Westküste lernen Studierende aller Altersgruppen mit EAJL-Nussach HaT´filla. Wir nennen die Liturgie auch musikalische Tora. Diese musikalische Tradition ist Jahrtausende alt. Wir tragen sie zurück in alle vier Enden dieser Welt, in denen es jüdische Gemeinden gibt.

Drei Generationen jüdischer Frauen werden zur Tora gerufen

Als Chasan Jacky im Sommer 2010 nach drei Wochen ihren Kurs abgeschlossen hatte und nach London zurückgeflogen war, sprach mich der Rosch Yeshiva, der Direktor der Yeshiva, morgens um 7 Uhr, kurz vor dem Morgengebet, an:„Jalda kannst Du unseren Nussach-Kurs leiten?“ Hmm, eigentlich war ich ja gekommen um zu lernen. Am meisten lernen wir von unseren Schülern.  Also sagte ich zu und begann noch am selben Tag den Unterricht.

Zur Erläuterung:
Chasan: Ein Chasan ist ein Meister, eine Meisterin der jüdischen Liturgie. Er/sie  leitet die Jüdischen Gemeinden im Gebet sowie bei allen Ereignissen im Lebenszyklus von der Geburt bis zum Tod. Er/sie lehrt jüdisches Wissen.  
Ein/e Chasan studiert genauso lange wie ein/e  Rabbiner/in.  In vielen Seminaren studieren sie gemeinsam mit den Rabbinats-Studenten. Das Studium wird mit einer Semicha, einer jüdischen Ordination, abgeschlossen. 

Interreligiöses-feministisches Gespräch, Ramadan 2019:
Ganz links die Moderatorin, Feride Funda Gencaslan, Pfarrerin Gerdi Nützel und Jalda Rebling


Mehr zu Jalda Rebling (Homepage) >>>

Überregionale interkulturelle und unterreligiöse Musikarbeit
ergänzt durch den interkulturellen Mittelpunkt:
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MAKOM - Kunst & Schule in Wittbrietzen,  Ortsteil von Beelitz (Brandenburg)
--- Jalda Rebling ist seit Februar 2021 auch Director of Studies der 
     
European Academy for Jewish Liturgy (EAJL)  in London.

Jalda Rebling, Susanne Ansorg, Sabine Heller und
Hans-Werner Apel, Stefan Maass, Michael Metzler und Veit Heller


Alle Fotos © Jalda Rebling

Redaktion: InterReligiöse Bibliothek (IRB)

  

 

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