Dankesworte von Monika
& Udo Tworuschka anlässlich der Verleihung
des Engel-der-Kulturen-Preises am 03.11.2018 in Köln
des Engel-der-Kulturen-Preises am 03.11.2018 in Köln
(Udo Tworuschka) – Vor 10 Jahren wurde diese
Kunstaktion von den Burscheider Künstlern Carmen Dietrich und Gregor Merten initiiert.
Inzwischen wurden weltweit über 60 Städte besucht und Intarsien verlegt. Das
Projekt hat internationale Beachtung gefunden. Die Aktion bindet die drei
abrahamitischen Religionstraditionen und die örtlichen Schulen ein. Der 1,50
Meter umfassende Engel-Stahlring wird durch die Stadt gerollt, anschließend
wird eine Engel-Intarsie sozusagen als felsenfestes Symbol
in den Boden eingelassen: an Rathäusern, Schulen, öffentlichen Plätzen oder
Gotteshäusern. Vor Ort wird dann ein neuer Ring für die nächste Stadt
geschweißt.
Dass meiner
Frau & mir heute der „Engel-der-Kulturen-Preis“ verliehen wird, betrachten
wir als große, überhaupt nicht erwartete Ehre. Nicht nur bislang 43 gemeinsame
Ehejahre – rechnet man drei früher sogenannte „wilde“ hinzu, sind es sogar
schon 46 – haben uns zusammengeschweißt, sondern auch viele gemeinsame
wissenschaftliche und wissenschaftsvermittelnde Projekte – bis hin zu dem in 14
Tagen erscheinenden komparatistischen Buch „Die großen Religionsstifter“ bei
Metzler.
Von Anfang
an zieht sich der Gedanke des friedlichen Zusammenlebens der Religionen, der
religionswissenschaftlich unterbaute Religionsdialog, die zunächst
religionswissenschaftliche, dann interreligiöse Öffnung des
Religionsunterrichts wie ein roter Faden durch unsere gemeinsame Arbeit. Dass
wir nun dafür den Engel-der-Kulturen-Preis erhalten dürfen, ist für uns eine,
wie gesagt, völlig unerwartete, aber umso dankbarer begrüßte Anerkennung.
Der – wenn
ich das richtig sehe – von den Künstlern eher zufällig entdeckte Engel – gehört es nicht zum Wesen der
Engel, dass sie unerwartet,
plötzlich da und ganz nah sind? –.gilt als Symbol für Toleranz, interreligiösen Dialog und interreligiöses Miteinander der Abrahamitischen
Religionen. Unser
gemeinsamer Weg zur Praktischen Religionswissenschaft,
deren Anerkennung in der engeren Scientific Community keineswegs gesichert ist,
wurde angeregt durch meinen religionswissenschaftlichen Lehrer Gustav
Mensching, dessen Toleranzklassiker aus dem Jahre 1955 („Toleranz und Wahrheit
in der Religion“) ich die Ehre hatte, in einer kommentierten und aktualisierten
Neuauflage herauszubringen. Inhaltliche Toleranz im Sinne der Anerkennung der
Möglichkeit einer Begegnung mit dem Heiligen auch in anderen Religionen –
dieser Gedanke hat uns von Anfang an gepackt und nicht mehr losgelassen. Ob das
nun noch Religionswissenschaft ist oder schon bzw. noch Theologie ist uns
inzwischen ziemlich egal.
Altbundeskanzler Helmut Schmidt dachte
2011 in seiner Festrede zum 100. Geburtstag der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
(heute Max-Planck-Gesellschaft) über die Rolle der Wissenschaft im 21.
Jahrhundert nach und sagte dabei etwas auch für die Praktische
Religionswissenschaft Relevantes:
„Gleichwohl können Wissenschaftler
nicht beanspruchen, unbehelligt von den Weltproblemen, unbehelligt vom
ökonomischen und politischen Geschehen, unbehelligt von den Zwängen, denen
ansonsten die Gesellschaft unterworfen ist, ein glückliches Eremitendasein zu
führen. Denn auch als hoch spezialisierter Forscher bleiben Sie ein Zoon politikon.
Und deshalb ist Wissenschaft heute nicht nur (…) `sozial organisierte
Erkenntnissuche` – sondern Wissenschaft ist zugleich eine der sozialen
Verantwortung verpflichtete Erkenntnissuche!“
Gegen Schluss stellt Schmidt dann fest:
„Viele Wissenschaftler betreiben ihre
Forschung um ihrer selbst willen. […] Im Gegensatz dazu steht die
Mitverantwortung der Wissenschaft für die weitere Entwicklung der Menschheit im
21. Jahrhundert. Diese Mitverantwortung reicht von der Stammzellforschung und
-technologie bis zur Astrophysik, von der Klimapolitik bis zu den Möglichkeiten
eines clash of
civilizations. Denn fast jedwede Grundlagenforschung führt früher
oder später zur praktischen Anwendung.“
(Monika
Tworuschka) – Meine Erfahrungen mit verschiedenen Religionen und
Kulturen reichen bis zu meiner Grundschulzeit in den 1950er Jahren in Bad
Godesberg zurück. Damals war es meine Mutter, selber evangelische
Pfarrerstochter, doch eigentlich eine zu früh geborene interreligiös und
multikulturell engagierte Weltverbesserin, die den Kontakt zu Menschen anderer
Religionen und Kulturen suchte. Anders als in der damals vorherrschenden
Theologie besaßen die verschiedenen Religionen für sie Gleichberechtigung. Sie
vermittelte mir und meinem Vater, die wir zu Besuchen bei muslimischen,
hinduistischen und Sikh-Familien aus meiner Grundschulklasse mitgenommen
wurden, dass es doch eine Bereicherung sei, dass nicht alle denselben Glauben
haben.
Das zurückliegende Jahr mit seiner zum
Teil unsäglich dummen und dumpfen Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehört,
hat gezeigt, wie wichtig die interreligiöse Arbeit ist.
Im Januar erscheint im
wiederauferstandenen Kreuz-Verlag unser Debattenband „Islam – Freund oder
Feind?“, in dem wir uns engagiert und leidenschaftlich argumentierend mit der
zugenommenen Islamfeindlichkeit auseinandersetzen und «38 Thesen gegen
Islamhysterie» aufstellen. Ob wir uns gegenüber den in den Medien gefeierten
sogenannten Islamkritikern durchsetzen, muss man abwarten.
Der Begriff Islamkritik ist in
Deutschland durch eine Handvoll muslimischer und nicht-muslimischer AutorInnen
besetzt, die man „Panikmacher“ nennen kann. Diese treten entweder als unseriöse
Stimmungsmacher auf, brechen kühl kalkulierend (angebliche) Tabus. Aktuelle Titel zum Thema Integration dokumentieren
eklatant, wohin die Reise geht, die unsere Gesellschaft immer weiter spaltet:
„Ein Protokoll des Scheiterns“, „Gegen falsche Toleranz und Panikmache“, „Wie
der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“. Mit
reißerischen Titeln, unwissenschaftlichem Rassengeschwätz, Halbwissen, groben
Sachfehlern, verschwörungstheoretischen Behauptungen kann man sich als Dauergast
in Talkshows einrichten – noch dazu mit einem
Islambild, das viel mit dem der Islamisten gemeinsam hat …
Das Ehepaar Aleida und Jan Assmann
sagte vor drei Wochen anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des
Deutschen Buchhandels: «Nicht jede Gegenstimme verdient Respekt. Sie verliert
diesen Respekt, wenn sie darauf
zielt, die Grundlagen für Meinungsvielfalt zu untergraben.» Nicht alles steht
zur Disposition. Es gibt unstrittige Überzeugungen und einen Grundkonsens – der
allerdings nicht mit der Leitkultur irgendwelcher Politiker zu verwechseln ist.
Wir nehmen den
Engel-der-Kulturen-Preis sehr dankbar und geehrt entgegen als Anerkennung für
unsere Arbeit im Bereich einer Praktischen Religionswissenschaft, die auf
inhaltlicher Toleranz basiert, substantielle Religionskritik nicht ausschließt,
sondern – im Gegenteil – zu ihr im Geiste der Wahrheit befreit, um tragfähige Grundlagen für eine gelingende Integration
zu schaffen.
CC
Archiv/Tworuschka-Engel-der-Kulturen-Preis, 03.11.2018
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