Freitag, 13. Januar 2017

Nacherzählung zu Franziskus von Assisi



Vorlage: Georges Berton / Francois Place
(Übers.
Daniela Nußbaum-Jacob):      
Der mit den Vögeln sprach.
Eine Erzählung über Franz von Assisi.
    
Reihe:
Geschichten vom Himmel und der Erde        
Lahr: Ernst Kaufmann /
Stuttgart: Klett
1996, 40 S., Abb.
Nacherzählung von Miriam Conrad
und Julia Hellwig     
im Rahmen des Seminars:
„Interreligöses Lernen
mit Heiligen Schriften
und Erzählungen
aus den Weltreligionen“
(TU Dortmund, WiSe 2016/2017)

In seiner Jugendzeit war Franziskus von Bernadone, den wir heute als Franz von Assisi kennen, noch ein völlig anderer Mann: Dank des Vermögens seines Vaters, ein reicher Stoffhändler von Assisi, lebte er in Saus und Braus. Er träumte von einer Karriere als Sänger, von schönen Frauen und von militärischem Ruhm. Doch seine Träume wurden zerstört: Ein Krieg entbrannte zwischen den Städten Assisi und Perugia und Franziskus musste ein Jahr lang in Perugia als Gefangener leben.
Als er schließlich nach Assisi in seine Heimatstadt zurückkehrte, hatte er sich völlig verwandelt: Er verschenkte sein ganzes Geld an die Armen, bis er alles weggegeben hatte, was er besaß. Auch betete er oft stundenlang zu Gott und fragte ihn, was er tun müsste, um ein Heiliger zu werden doch Gott antwortete nicht.
Eines Tages befand sich Franziskus auf der Straße zwischen Assisi und Spoleto, als er die Kirche des heiligen Damian erblickte. Fast hätte er sie übersehen, da die Kirche kaum höher war als der Hafer, der um sie herum wuchs. Das Dach und die Mauern waren morsch und verfallen, aber trotzdem betrat Franziskus die kleine Kirche.
Von einem vergoldeten Kreuz herab lächelte ihn Christus an und Franziskus hörte die Worte: „Kümmere dich um mein Haus, damit es nicht zusammenfällt.“ Nun wusste Franziskus, was er zu tun hatte: In Windeseile rannte er zum Laden seines Vaters und verkaufte alle Stoffe, die er dort fand. Von den Einnahmen kaufte Franziskus alles, was er für sein neues Vorhaben benötigte und kehrte zur Kirche zurück.
Als jedoch sein Vater den leeren Laden erblickte, bekam er einen schrecklichen Wutanfall. In seinem Toben wandte er sich an den Bischof, der Franziskus auf dem Marktplatz treffen sollte. Der Bischof erklärte Franziskus, dass es nicht richtig war, das Eigentum seines Vaters einfach zu stehlen. Da begriff Franziskus plötzlich, dass er Gott nur mit dem dienen konnte, was ihm auch von Gott gegeben worden war. So zog er sein Hemd aus und flüchtete sich nackt in die Arme des Bischofs, der ihn mit seinem Mantel bedeckte.
Von diesem Tag an war es nichts Ungewöhnliches mehr, einem singenden jungen Mann in einem alten Mantel auf den Straßen von Assisi zu begegnen. Franziskus lebte nun in völliger Armut. Er dichtete Verse zum Lobe Gottes und sammelte Geld für die Instandsetzung der Kirche. Selbst im tiefsten Winter erklangen Franziskus' Lobgesänge auf dem weißen Glanz des Schnees und beim Funkeln des Raureifs. Doch nicht alle Menschen fanden ihre Freude an der kalten Jahreszeit.
Die Bewohner der Städte Assisi, Gubbio und Spoleto lebten in Angst und Schrecken, da ein gefährlicher Wolf nachts sein Unwesen trieb und sich an Schafen, Hunden und sogar Menschen vergriff. So berieten die Bürgermeister der drei Städte, Franziskus um Rat zu fragen, da ihnen bekannt war, dass dieser mit allen Geschöpfen Gottes vertraut war. Franziskus Antwort war sehr ungewöhnlich: Er schlug vor, mit dem Wolf einen Vertag zu machen. Der Bürgermeister von Gubbio überlegte einige Zeit, willigte dann jedoch in diesen Vorschlag ein und versprach, den Vertrag einzuhalten. Schließlich war es soweit und Franziskus sollte den Wolf vor den Toren der Stadt treffen. Alle Einwohner waren gekommen, um Franziskus dabei zuzusehen, wie er sich langsam dem Wolf näherte, dessen Augen und Zähne blitzten.
Doch Franziskus schaute dem Wolf fest in die Augen und dieser legte seine Pfote in die Hand, die Franziskus ihm reichte: „Bruder Wolf, du prächtiges Geschöpf Gottes, du bereitest mir große Sorge. Warum veranstaltest du so ein Gemetzel und greifst Menschen und Tiere an?“ Der Wolf erklärte, dass er dies nicht zum Spaß tun würde, sondern allein aus Hunger und da er berauscht würde vom Geruch des Blutes. Daraufhin prophezeite Franziskus dem Raubtier ein glückliches Leben in Gubbio, wenn der Wolf seine Lust zu töten überwinden würde: „Jeden Morgen wird dir der Fleischer ein gutes Stück Fleisch zubereiten und die Kinder werden dein seidiges Fell streicheln. Aber versprich mir zuerst, dich zu bekehren.“ Plötzlich erschien der Schimmer einer Rose am Himmel und es begann sanft zu regnen. Der Frühling hatte sich angekündigt. Doch der Wolf begann zu weinen und zwei große Tränen kullerten in den Schnee.
Franziskus erkannte die Reue des Wolfes und nahm ihn mit in die Stadt. Zunächst waren die Menschen gegenüber diesem gefährlichen Tier misstrauisch, aber der Bürgermeister empfing den Wolf wie einen neuenMitbürger und ließ ihn zwischen der Kirche und dem großen Platz in einer Hütte wohnen. So nahm der Wolf an allen Veranstaltungen der Stadt teil und als er schließlich starb, trauerte jeder Bewohner um ihn.
Als Franziskus im Kloster von Portiunkula lebte, besuchte er jeden Morgen den wunderschönen Garten. Während seiner täglichen Streifzüge durch den Garten bemängelte Franziskus die unablässige Arbeit der Ameisen und des Gärtners, die ständig dabei waren, Vorräte zu sammeln. Der Gärtner, der wunderbares Gemüse anpflanzte, vergaß dabei jedoch die schönen Blumen, sodass Franziskus ihn daran erinnerte, dies nachzuholen. Als der Gärtner einige Rosen, Petunien und Ranunkeln angepflanzt hat, kamen die Bienen angeflogen und machten sich glücklich auf den Blüten breit.
Auf dem Weg zu einer Predigt entdeckte Franziskus eine Lerche im Gebüsch. Ihr unscheinbares Federkleid erinnerte Franziskus daran, wie unwichtig Kleidung ist. Außerdem lehrt sie den Menschen, die Dinge dieser Welt zu schätzen. Während einer Rast, bei der seine Brüder Angus und Matteo, die ihn zur Predigt begleiteten, zur Ruhe kamen, predigte Franziskus zu den Vögeln. Er erinnerte die verschiedenen Vögel daran, dankbar für das zu sein, was sie haben. Denn sie haben die Freiheit, zu fliegen, besitzen ein schönes, buntes Federkleid, Nahrung im Überfluss, ohne dass sie Arbeit verrichten müssen. Er forderte die Vögel dazu auf, singend davon zu fliegen. Einen Tag später berichtete Franziskus der Gemeinde, die sich wegen Geld gestritten hatten, von seinen Erlebnissen. Ihnen wurde bewusst, dass es nicht wichtig ist, was man besitzt, weil man auch mit wenig, glücklich sein kann.
Eines Tages ging Franziskus mit seinem Bruder Paul Richtung Stadt Osimo, um dort eines der zahlreichen Klöster zu besuchen. Auf dem Weg dorthin begegneten ihnen eine Herde Schafe und Ziegenböcke. Die gesamte Herde tollte übermütig herum und verteilte sich auf dem gesamten Weg. Alle – bis auf ein Lamm, das sanft und gehorsam seines Weges ging. Es erinnerte Franziskus an Jesus, der genauso still und ohne Widerstand den Soldaten während seines Kreuzzugs folgte. Franziskus kam die Idee auf, das Lamm zu kaufen, doch leider besaß er kein Geld. Dies machte ihn sehr traurig, sodass ein vorüberziehender Händler auf ihn aufmerksam wurde. Er schenkte ihm, ohne zu zögern, einen Sack Geld, sodass Franziskus das Lamm kaufen konnte. Da er aber so arm war und das Lamm nicht ernähren konnte, kam er auf die Idee, das Lamm den Schwestern im Kloster von San Severino zu schenken, was diese freudig annahmen.
Im Kloster von Portiunkula lebte ein Bruder namens Morico, der alle Vorschriften buchstabengetreu einhielt. Da jedoch Weihnachten anstand, kam ihm die Frage auf, ob es an Weihnachten erlaubt ist Fleisch zu essen, wenn das Fest auf einen Freitag fällt. Franziskus erinnerte Morico daran, dass an Weihnachten nicht gefastet werden soll, auch wenn es ein Freitag ist, da an diesem Tag Gott als kleines Kind auf die Erde gekommen ist.
Einige Tage später kehrte Franziskus in die Nachbarstadt Greccio ein, um in einer Grotte des Jean Veleta, ein Freund der Brüder, zu Weihnachten eine Krippe aufzubauen, die der Krippe in Bethlehem gleicht. In der Heiligen Nacht zogen viele Menschen zur Höhle hinauf, um die Geburt Jesu zu feiern.
Drei Jahre später war für Franziskus die Zeit gekommen, zu sterben und zu seinem Gott zurückzukehren. Während seiner letzten Stunden sang er mit schwacher Stimme gemeinsam mit seinen Brüdern und Schwestern einen Lobgesang. Alsbald er gestorben war, machten sich einige Lerchen auf dem Dach der Hütte breit und stießen lange, betrübte Töne aus. Nach einiger Zeit erhoben sie sich und flogen in die Weite des Himmels hinaus.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                              

      TU-DO, WiSe 2016/2017 – Franziskus nacherzählt, 13.01.2017

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