Donnerstag, 8. Dezember 2016

Die geheimnisvollen Zeichen des Kaïdara (Nacherzählung)

Im afrikanischen Staat Mali lebten die drei besten Freunde Demburu, Hamtudo und Hammadi. Eines Tages beschlossen sie, das Land des Gottes Kaïdara zu finden, denn wer die Geheimnisse des Gottes kennt, dem ist ein wunderschönes Leben versprochen. Bevor die Freunde aber ihre lange Reise antraten, opferten sie dem großen Schöpfergott Geno ein Wild. Als das Feuer fast erloschen war, spaltete sich plötzlich die Erde. Die Jungen erschraken und sahen dort einen Baum, der seine Äste ausbreitete und wie eine Treppe in die Tiefe ging. Mutig stiegen sie die Treppe hinab. Unten angekommen warteten drei Ochsen auf sie. Diese waren mit Reiseproviant beladen. Jeder der Jungen nahm sich einen Ochsen und ihre abenteuerliche Reise begann. Sie ritten durch einen Urwald, mit riesigen Bäumen und wilden Tieren. Nach langer Zeit des Reisens, begegnete den Freunden ein Chamäleon.
Dieses sagte:
„Habt acht auf alles, was ihr sehen werdet, und lernt daraus! Ich bin das erste Zeichen im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet. Nur Mut! Geht immer weiter!“
Nachdem das Chamäleon verschwunden war, gingen die Jungen, wie befohlen, weiter. Noch am selben Abend begegnete ihnen eine riesige Fledermaus.
Die Fledermaus sprach:
„Habt keine Angst, am Tage bin ich blind, doch sehe ich bei Nacht. Ich bin das zweite Zeichen im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet. Geht nur immer weiter!“
Auch das zweite Tier verschwand plötzlich und ließ die drei einfach zurück. Müde und erschöpft zogen die Jungen weiter. Der Hunger quälte sie bereits, da ihre Vorräte aufgebraucht waren. Kraftlos bereiteten sie sich ein Nachtlager und legten sich schlafen. Am nächsten Morgen erwachte Hamtudo als Erster und sah einen großen, drohenden Skorpion. Er warf sich sofort auf die Knie und bat das Tier um Nachsicht und gleichzeitig um Hilfe, Wasser für sie und ihre Ochsen zu finden. Daraufhin richtete sich der Skorpion auf und antwortete:
„Geht immer geradeaus und betet zu den Geistern des Wassers! Ich bin das dritte Zeichen im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet.“
Als auch dieses Tier verschwand, fingen die Jungen an zu beten. Woraufhin sie in der Nähe ein Wasserloch entdeckten. Aus Dankbarkeit und Freude knieten sie sich hin, doch die Jungen mussten leider feststellen, dass das Wasserloch von giftigen Schlangen umzingelt war. Sofort wandten sie sich ab, ließen sich in der Ferne erschöpft unter einen Kapokbaum nieder und klagten ihr Leid. Die Schlangen erwiderten:
„Wir sind das vierte Zeichen im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet. Geht nur immer weiter.“
Da sie immer noch kein Wasser gefunden hatten, mussten  sie ihre Ochsen zurück lassen und gingen alleine weiter. Auf ihrer Wanderung entdeckten sie an einem Baum mit Abdrücken von Gazellenhufen.  Diese waren mit Wasser gefüllt. Sofort stürzten die Jungen sich auf den Boden und tranken aus den Abdrücken. Aber egal wie viel sie tranken, das Wasser wurde und wurde nicht weniger. Eine Stimme murmelte:
„Ich bin das fünfte Zeichen im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet. Geht weiter, geht nur immer weiter!“
Trotz der vielen Zeichen, nahm die Reise einfach kein Ende. Kaïdara zeigte sich nicht. Entmutigt rasteten die Freunde unter einem mächtigen Baum, der ihnen Schatten spendete. Nachdem alle eingeschlafen waren, passierte etwas sehr Merkwürdiges. Jedes einzelne Blatt vom Baum löste sich, flog zu einem anderen, nahestehenden Baum und dort hangen sich die Blätter an die kahlen Äste. Durch den nun fehlenden Schatten, wurden die Jungen von den Sonnenstrahlen geweckt. Sie wunderten sich, warum der Baum keine Blätter mehr hatte und stellten fest, dass das Land indem sie reisten, voller mysteriöser Rätsel war. Hamtudo äußerte: „Ich glaube nur Kaïdara kann uns das Rätsel des Landes erklären. Aber warum spricht er denn nicht mit uns?“
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, wiederholte sich der Vorgang mit dem Blätterschauspiel, dreimal. Hamadi appellierte an den Schöpfergott Geno, ihnen das Spektakel nun endlich zu erklären. Genau in diesem Moment erschien ein Vogel und verkündete ihnen, dass sie bereits im Herzen des Landes der kleinen Geister angekommen waren. Zugleich fingen die Bäume an zu rauschen und teilten ihnen mit:
„Wir sind das sechste Zeichen im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet. Geht weiter, immer weiter!“
Wie befohlen, machten sie sich sofort auf den Weg und liefen ohne jegliches Zeitgefühl. Die Jungen wussten nicht, wie lange sie nun schon unterwegs waren, als sie eines Tages auf eine Mauer trafen, die ihnen den Weg versperrte. Insgesamt verbrachten sie drei Tage an der Mauer, ohne jedoch eine Tür zu finden. Kurz bevor sie wieder umkehren wollten, stürzte ein Teil der Mauer ein. Durch das fehlende Stück konnten sie in der Ferne eine Hütte erkennen. Vor der Hütte saß ein sonderbarer Mann. Die Freunde machten sich auf den Weg zu ihm und erkannten, dass er bis zur Hüfte ein Mensch war und von dort aus abwärts den Körper einer Schlange besaß. Der Mann hieß die Freunde willkommen und bot ihnen einen Platz neben sich an. Ein Hahn, der zuvor hochmütig neben ihnen auf und ab stolziert war, verwandelte sich plötzlich in einen Widder, dieser sich wiederum, in einen wütenden Stier. Die Freunde hatten Angst vor dem Stier, da das Tier alles verwüstete. Der Stier verwandelte auch Bäume zu Asche und die Asche verkündete den aufgebrachten Freunden, dass sie sich bereits an der Schwelle zum Innersten von Kaïdaras Reich befanden. Der Schlangenmann ergänzte:
„Der Hahn war das siebte Zeichen. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet. Geht nur immer weiter!“
Daraufhin gingen sie, ohne eine Pause zu machen, vierzig Tage und vierzig Nächte. Am vierzigsten Tag gelangen die Freunde an ein tiefes Tal und hörten dort erneut eine Stimme. Diese verkündete ihnen, dass Kaïdara sie reichlich belohnen wird, wenn sie nur geduldig sind. Schnell tauchte vor ihnen das achte Zeichen auf. Zwei fröhlich, sprudelnde Quellen und eine ausgetrocknete Quelle. Sie flüsterten:
„Wir sind das achte Zeichen! Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet. Laßt euch nicht aufhalten.“
Abermals hörten die Jungen auf die geheimnisvollen Zeichen und machten sich auf den Weg. Auch nach diesem Zeichen vergingen viele Jahre, bis sie schließlich auf ein weiteres Tal trafen. Dort sahen sie einen alten Mann Holz sammeln. Als dieser seinen Holzbündel aufheben wollte, war der Stapel allerdings viel zu schwer. Der alte Mann gab jedoch nicht auf und probierte den Holzhaufen abermals aufzuheben. Beim erneuten Versagen brach Demburo in Gelächter aus und hielt den Mann für einen Irren. Daraufhin erwiderte der alte Mann:
„Du lachst, weil du glaubst, dass du klüger bist. So wisse: Ich bin das neunte Zeichen im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet.“
Da die Freunde körperlich sehr schwach waren, erhofften sie sich ein baldiges Ende der Reise und klagten dem alten Mann ihr Leid. Plötzlich  ertönte aus dem Himmel eine Stimme von einem unsichtbaren Luftgeist. Dieser forderte sie zur Ruhe und Achtsamkeit auf, da sie sich am Ziel ihrer langen Reise befanden. Im selben Moment öffnete sich ein dunkles, scheußliches Loch, welches mit Unrat gefüllt war. Doch dieses abscheuliche Loch verwandelte sich, in einen wundervollen, hellen Raum. Im Zentrum stand ein goldener Thron und auf diesem saß plötzlich Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe. Hammadi rief: „Endlich haben wir dich gefunden. Wir sind so glücklich, dass du dich zeigst.“
Kaïdara begrüßte die Freunde freundlich und befahl einem der Kleinen Geister, Gold zu holen. Er schenkte jedem der Jungen, einen goldbeladenen Ochsen. Die Jungen dankten Kaïdara sehr, jedoch war es ihnen wichtiger, nun endlich die Zeichen, die ihnen auf ihrer Reise begegnet waren, zu verstehen und baten um eine Erklärung. Denn wer die Bedeutung kennt, dem wird das Leben gelingen. 
Hammadi betonte nochmals seinen Wunsch nach Erklärung der Zeichen und versprach das Gold nur für diesen Zweck auszugeben. Daraufhin bekam jeder zwei weitere, mit Gold beladene, Ochsen und die Freunde verließen den wundersamen Ort und begaben sich auf den Rückweg ins Land der Menschen. Jeder spekulierte, was er mit dem vielen Gold machen könnte. Demburu, will sich ein großes Reich kaufen und König werden. Hamtudo hat den Wunsch, einen Goldhandel zu eröffnen. Nur Hammadi äußerte keinen Wunsch, sondern kritisierte die Ideen seiner Freunde und führte sie erneut auf das ursprüngliche, gegebene Versprechen hin, den Sinn der neun Zeichen zu verstehen. Seine Freunde verstanden seinen Einwand jedoch nicht und wollten von den Zeichen nichts mehr wissen.
Nach langer Wanderung gelangten sie erneut an einen Kapokbaum. Dort entdeckten sie  einen alten, armen Mann auf einem Ast sitzen. Der Mann starrte in den Himmel. Hamtudo und Demburu machten sich auch über diesen Mann lustig und nur Hammadi grüßte den Alten freundlich und fragte nach seinem Wohlergehen. Daraufhin half er dem Mann vom Baum und gab ihm einen seiner Goldbarren, damit dieser sich Nahrung kaufen konnte. Der Mann bedankte sich und erklärte, dass er jedoch auch viele Tage und Nächte ohne Nahrung auskommen kann. Sein einziges Ziel ist es, einen Stern zu sehen, der ihn zu Kaïdara, dem Fernen und doch so Nahen, bringen würde. Als Hammadi das hörte, fragte er den Alten, ob er die Zeichen der Reise ihnen erklären könnte. Für einen Ratschlag verlangte der Mann eine Gegenleistung. Hammadi bot ihm einen seiner drei, goldbeladenen Ochsen an. Der alte Mann nahm dieses Angebot an und fing an, seinen ersten Rat zu verkünden. Der Ratschlag lautete: „Reise niemals in der Regenzeit oder wenn es dunkel wird.“ Für diesen Hinweis war Hammadi sehr dankbar. Allerdings wollte er noch mehr wissen und gab dem Alten auch seinen zweiten, mit Gold  beladenen Ochsen. Der Alte lächelte und riet Hammadi, nie gegen die Bräuche und Sitten der Ahnen zu verstoßen. Um den dritten und letzten Rat zu erhalten, gab Hammadi sogar seinen letzten Ochsen her. Der Mann war sehr gerührt und sagte ernst, aber mit Tränen in den Augen: „Verdächtige niemals einen anderen Menschen, solange du nicht die ganze Wahrheit weißt.“
Als Hammadi noch mehr erfragen wollte, stoppte der Alte ihn und bat ihn nicht mehr zu fragen, da er alles andere selbst herausfinden kann. In diesem Moment leuchtete der große Stern, auf den der Mann gewartete hatte, auf und er ging mit seinen drei neuen Ochsen davon. Hamtudo und Demburu machten sich über Hammadi lustig und verspotteten ihn, da er sein ganzes Hab und Gut dem alten Mann gegeben hatte. Hammadi bereute seine Tat jedoch nicht und so zogen die drei jungen Männer weiter in Richtung ihrer Heimatstadt. Eines Abends, als Hammadi und Hamtudo wegen der Dämmerung rasten wollten, zog Demburu trotz aller Warnungen etwas weiter, da er endlich nach Hause gelangen wollte. Demburu war nicht weit gekommen, als ein Gewitter aufzog und er vom Blitz erschlagen wurde. Hammadi und Hamtudo sahen es und wurden an die Worte des alten Mannes erinnert. Die beiden trauerten viele Tage um ihren Freund, bevor sie ihre Reise fortsetzten.
Nach langer Zeit, gelangen die Zwei an einen Grenzfluß, der das Land des Kaïdara von der Welt der Menschen abtrennt. Als sie den Fluß überqueren wollten, versperrte ihn plötzlich ein Riese den Weg. Die beiden müssen mit seinem Boot fahren und  Wegzoll bezahlen, da dieses Vorgehen ein Gebot der Vorfahren sei. Hamtudo weigerte sich zu bezahlen und wollte, da das Wasser nicht tief war, es zu Fuß überqueren. Noch bevor er zehn Schritte gegangen ist, verschlang das Wasser ihn. Der Riese schüttelte verständnislos den Kopf und sagte: „Weh denen, die die Gebote der Ahnen übertreten!“ Nun war  Hammadi traurig und allein. Er stieg in das Boot des Riesen und ließ sich von ihm über den Fluss bringen. Als Hammadi auf der anderen Seite angekommen war, machte sich der Riese über das Wasser zurück. Doch plötzlich drehte dieser sich in der Mitte um, lobte Hammadi für sein handeln und versprach ihm das restliche Gold von seinen Freunden. Der Riese verwandelte sich und verschwand in den Fluten. Auf einmal verlor Hammadi das Bewusstsein und durchlebte im Traum erneut seine lange Reise. Er stellte fest, dass diese einundzwanzig Jahre gedauert haben muss. Als er wieder wach wurde und zu sich kam, sah er, dass neun Ochsen vor ihm standen. Überrascht stellte er fest, dass es seine drei Ochsen, die er dem alten Mann geschenkt hatte, sowie die sechs Ochsen seiner zwei verstorbenen Freunde waren und weinte bitterlich. Mit den Tieren machte er sich auf den Rückweg in sein Dorf.
Eines Tages heiratete er, und das Ehepaar bekam viele Kinder. Von einem Dorfbewohner musste Hammadi erfahren, dass seine Frau oft einen anderen Mann besuchte. Voller Wut und Eifersucht nahm Hammadi seinen Dolch und machte sich zur Hütte des Liebhabers auf. Sein Wille war es, diesen aus dem Weg zu schaffen. Kurz vor der Hütte erinnerte Hammadi sich an die Worte des alten Mannes: „Verdächtige niemals einen anderen Menschen, solange du nicht die ganze Wahrheit weißt.“ Er steckte seine Waffe ein, drehte sich um und ging nach Hause.
Hammadi war nun ein angesehener Mann in seiner Stadt. Als der König der Stadt starb, wählten die Dorfbewohner Hammadi für dieses Amt. Aber auch als König, ließen ihn die Zeichen, die ihm als Junge auf der Reise mit seinen nun toten Freunden begegnet sind, keine Ruhe. Er wollte das Rätsel endlich lösen. Hammadi ging zu vielen Wahrsagern und vielen anderen Leuten. Jedoch konnte ihm keiner die Zeichen erklären und er gab auf. Doch eines Tages stand ein Bettler vor seinem Palast. Seine Wachen wollten diesen verjagen. Im letzten Moment erkannte Hammadi den alten Mann, aus dem Land des Kaïdara und ließ ihn in sein Königreich. Dieser ist gekommen, da Hammadi sich an alle Anweisungen gehalten hat und will ihm nun die Bedeutung der Zeichen erklären.
Möglichkeit zur Gruppenarbeit:            
Die direkte Rede der einzelnen Zeichen
wird von verschiedenen Personen (Kindern) gesprochen.

Ann-Kathrin Haderer, Vanessa Idel, Maximiliane Veit
Im Rahmen des Seminars: „Interreligiöses Lernen mit Heiligen Schriften
und Erzählungen aus den Weltreligionen“ (TU Dortmund, WiSe 2016/2017)
Vorlage:  Hyacinthe Vulliez (Text) / Etienne Souppart (Illustrationen):
Die geheimnisvollen Zeichen des Kaïdara. Eine Erzählung aus Afrika.
Lahr: Kaufmann / Stuttgart: Klett 1994, 40 S., Abb.


TU-DO/WiSe 2016/2017 - Zeichen des Kaïdara-Nacherzählung, 07.12.2016  

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