Im afrikanischen Staat Mali
lebten die drei besten Freunde Demburu, Hamtudo und Hammadi. Eines Tages
beschlossen sie, das Land des Gottes Kaïdara zu finden, denn wer die
Geheimnisse des Gottes kennt, dem ist ein wunderschönes Leben versprochen.
Bevor die Freunde aber ihre lange Reise antraten, opferten sie dem großen Schöpfergott
Geno ein Wild. Als das Feuer fast erloschen war, spaltete sich plötzlich die
Erde. Die Jungen erschraken und sahen dort einen Baum, der seine Äste
ausbreitete und wie eine Treppe in die Tiefe ging. Mutig stiegen sie die Treppe
hinab. Unten angekommen warteten drei Ochsen auf sie. Diese waren mit
Reiseproviant beladen. Jeder der Jungen nahm sich einen Ochsen und ihre
abenteuerliche Reise begann. Sie ritten durch einen Urwald, mit riesigen Bäumen
und wilden Tieren. Nach langer Zeit des Reisens, begegnete den Freunden ein Chamäleon.
Dieses sagte:
„Habt acht auf alles, was ihr sehen werdet, und lernt daraus! Ich bin
das erste Zeichen im Land der
Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was
es bedeutet. Nur Mut! Geht immer weiter!“
Nachdem das Chamäleon verschwunden
war, gingen die Jungen, wie befohlen, weiter. Noch am selben Abend begegnete
ihnen eine riesige Fledermaus.
Die Fledermaus sprach:
„Habt keine Angst, am Tage bin ich blind, doch sehe ich bei Nacht. Ich
bin das zweite Zeichen im Land der
Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was
es bedeutet. Geht nur immer weiter!“
Auch das zweite Tier verschwand plötzlich und ließ die
drei einfach zurück. Müde und erschöpft zogen die Jungen weiter. Der Hunger
quälte sie bereits, da ihre Vorräte aufgebraucht waren. Kraftlos bereiteten sie
sich ein Nachtlager und legten sich schlafen. Am nächsten Morgen erwachte
Hamtudo als Erster und sah einen großen, drohenden Skorpion. Er warf sich
sofort auf die Knie und bat das Tier um Nachsicht und gleichzeitig um Hilfe,
Wasser für sie und ihre Ochsen zu finden. Daraufhin richtete sich der Skorpion auf und antwortete:
„Geht immer geradeaus und betet zu den Geistern des Wassers! Ich bin
das dritte Zeichen im Land der
Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was
es bedeutet.“
Als auch dieses Tier verschwand, fingen die Jungen an
zu beten. Woraufhin sie in der Nähe ein Wasserloch entdeckten. Aus Dankbarkeit
und Freude knieten sie sich hin, doch die Jungen mussten leider feststellen, dass
das Wasserloch von giftigen Schlangen umzingelt war. Sofort wandten sie sich
ab, ließen sich in der Ferne erschöpft unter einen Kapokbaum nieder und klagten
ihr Leid. Die Schlangen erwiderten:
„Wir sind das vierte Zeichen
im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch
erklären, was es bedeutet. Geht nur immer weiter.“
Da sie immer noch kein Wasser gefunden hatten, mussten
sie ihre Ochsen zurück lassen und gingen
alleine weiter. Auf ihrer Wanderung entdeckten sie an einem Baum mit Abdrücken
von Gazellenhufen. Diese waren mit
Wasser gefüllt. Sofort stürzten die Jungen sich auf den Boden und tranken aus
den Abdrücken. Aber egal wie viel sie tranken, das Wasser wurde und wurde nicht
weniger. Eine Stimme murmelte:
„Ich bin das fünfte Zeichen
im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch
erklären, was es bedeutet. Geht weiter, geht nur immer weiter!“
Trotz der vielen Zeichen, nahm
die Reise einfach kein Ende. Kaïdara zeigte sich nicht. Entmutigt rasteten die
Freunde unter einem mächtigen Baum, der ihnen Schatten spendete. Nachdem alle eingeschlafen
waren, passierte etwas sehr Merkwürdiges. Jedes einzelne Blatt vom Baum löste
sich, flog zu einem anderen, nahestehenden Baum und dort hangen sich die Blätter
an die kahlen Äste. Durch den nun fehlenden Schatten, wurden die Jungen von den
Sonnenstrahlen geweckt. Sie wunderten sich, warum der Baum keine Blätter mehr
hatte und stellten fest, dass das Land indem sie reisten, voller mysteriöser Rätsel
war. Hamtudo äußerte: „Ich glaube nur Kaïdara kann uns das Rätsel des Landes
erklären. Aber warum spricht er denn nicht mit uns?“
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, wiederholte
sich der Vorgang mit dem Blätterschauspiel, dreimal. Hamadi appellierte an den
Schöpfergott Geno, ihnen das Spektakel nun endlich zu erklären. Genau in diesem
Moment erschien ein Vogel und verkündete ihnen, dass sie bereits im Herzen des
Landes der kleinen Geister angekommen waren. Zugleich fingen die Bäume an zu rauschen und teilten ihnen
mit:
„Wir sind das sechste Zeichen
im Land der Kleinen Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch
erklären, was es bedeutet. Geht weiter, immer weiter!“
Wie befohlen, machten sie sich sofort auf den Weg und
liefen ohne jegliches Zeitgefühl. Die Jungen wussten nicht, wie lange sie nun
schon unterwegs waren, als sie eines Tages auf eine Mauer trafen, die ihnen den
Weg versperrte. Insgesamt verbrachten sie drei Tage an der Mauer, ohne jedoch eine
Tür zu finden. Kurz bevor sie wieder umkehren wollten, stürzte ein Teil der
Mauer ein. Durch das fehlende Stück konnten sie in der Ferne eine Hütte
erkennen. Vor der Hütte saß ein sonderbarer Mann. Die Freunde machten sich auf
den Weg zu ihm und erkannten, dass er bis zur Hüfte ein Mensch war und von dort
aus abwärts den Körper einer Schlange besaß. Der Mann hieß die Freunde
willkommen und bot ihnen einen Platz neben sich an. Ein Hahn, der zuvor hochmütig neben ihnen auf und ab stolziert war, verwandelte
sich plötzlich in einen Widder, dieser sich wiederum, in einen wütenden Stier.
Die Freunde hatten Angst vor dem Stier, da das Tier alles verwüstete. Der Stier
verwandelte auch Bäume zu Asche und die Asche verkündete den aufgebrachten
Freunden, dass sie sich bereits an der Schwelle zum Innersten von Kaïdaras
Reich befanden. Der Schlangenmann
ergänzte:
„Der Hahn war das siebte Zeichen.
Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet.
Geht nur immer weiter!“
Daraufhin gingen sie, ohne eine Pause zu machen, vierzig
Tage und vierzig Nächte. Am vierzigsten Tag gelangen die Freunde an ein tiefes
Tal und hörten dort erneut eine Stimme. Diese verkündete ihnen, dass Kaïdara
sie reichlich belohnen wird, wenn sie nur geduldig sind. Schnell tauchte vor
ihnen das achte Zeichen auf. Zwei
fröhlich, sprudelnde Quellen und eine ausgetrocknete Quelle. Sie
flüsterten:
„Wir sind das achte Zeichen!
Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es bedeutet.
Laßt euch nicht aufhalten.“
Abermals hörten die Jungen auf die geheimnisvollen
Zeichen und machten sich auf den Weg. Auch nach diesem Zeichen vergingen viele
Jahre, bis sie schließlich auf ein weiteres Tal trafen. Dort sahen sie einen
alten Mann Holz sammeln. Als dieser seinen Holzbündel aufheben wollte, war der
Stapel allerdings viel zu schwer. Der alte Mann gab jedoch nicht auf und
probierte den Holzhaufen abermals aufzuheben. Beim erneuten Versagen brach
Demburo in Gelächter aus und hielt den Mann für einen Irren. Daraufhin
erwiderte der alte Mann:
„Du lachst, weil du glaubst, dass du klüger bist. So wisse: Ich bin das
neunte Zeichen im Land der Kleinen
Geister. Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe, kann euch erklären, was es
bedeutet.“
Da die Freunde körperlich sehr
schwach waren, erhofften sie sich ein baldiges Ende der Reise und klagten dem
alten Mann ihr Leid. Plötzlich ertönte
aus dem Himmel eine Stimme von einem unsichtbaren Luftgeist. Dieser forderte sie
zur Ruhe und Achtsamkeit auf, da sie sich am Ziel ihrer langen Reise befanden.
Im selben Moment öffnete sich ein dunkles, scheußliches Loch, welches mit Unrat
gefüllt war. Doch dieses abscheuliche Loch verwandelte sich, in einen
wundervollen, hellen Raum. Im Zentrum stand ein goldener Thron und auf diesem
saß plötzlich Kaïdara, der Ferne und doch ganz Nahe. Hammadi rief: „Endlich
haben wir dich gefunden. Wir sind so glücklich, dass du dich zeigst.“
Kaïdara begrüßte die Freunde
freundlich und befahl einem der Kleinen Geister, Gold zu holen. Er schenkte
jedem der Jungen, einen goldbeladenen Ochsen. Die Jungen dankten Kaïdara sehr,
jedoch war es ihnen wichtiger, nun endlich die Zeichen, die ihnen auf ihrer
Reise begegnet waren, zu verstehen und baten um eine Erklärung. Denn wer die
Bedeutung kennt, dem wird das Leben gelingen.
Hammadi betonte nochmals seinen
Wunsch nach Erklärung der Zeichen und versprach das Gold nur für diesen Zweck auszugeben.
Daraufhin bekam jeder zwei weitere, mit Gold beladene, Ochsen und die Freunde
verließen den wundersamen Ort und begaben sich auf den Rückweg ins Land der
Menschen. Jeder spekulierte, was er mit dem vielen Gold machen könnte. Demburu,
will sich ein großes Reich kaufen und König werden. Hamtudo hat den Wunsch,
einen Goldhandel zu eröffnen. Nur Hammadi äußerte keinen Wunsch, sondern
kritisierte die Ideen seiner Freunde und führte sie erneut auf das
ursprüngliche, gegebene Versprechen hin, den Sinn der neun Zeichen zu
verstehen. Seine Freunde verstanden seinen Einwand jedoch nicht und wollten von
den Zeichen nichts mehr wissen.
Nach langer Wanderung gelangten
sie erneut an einen Kapokbaum. Dort entdeckten sie einen alten, armen Mann auf einem Ast sitzen.
Der Mann starrte in den Himmel. Hamtudo und Demburu machten sich auch über
diesen Mann lustig und nur Hammadi grüßte den Alten freundlich und fragte nach
seinem Wohlergehen. Daraufhin half er dem Mann vom Baum und gab ihm einen
seiner Goldbarren, damit dieser sich Nahrung kaufen konnte. Der Mann bedankte
sich und erklärte, dass er jedoch auch viele Tage und Nächte ohne Nahrung
auskommen kann. Sein einziges Ziel ist es, einen Stern zu sehen, der ihn zu Kaïdara,
dem Fernen und doch so Nahen, bringen würde. Als Hammadi das hörte, fragte er
den Alten, ob er die Zeichen der Reise ihnen erklären könnte. Für einen
Ratschlag verlangte der Mann eine Gegenleistung. Hammadi bot ihm einen seiner
drei, goldbeladenen Ochsen an. Der alte Mann nahm dieses Angebot an und fing
an, seinen ersten Rat zu verkünden. Der Ratschlag lautete: „Reise niemals in
der Regenzeit oder wenn es dunkel wird.“ Für diesen Hinweis war Hammadi sehr
dankbar. Allerdings wollte er noch mehr wissen und gab dem Alten auch seinen
zweiten, mit Gold beladenen Ochsen. Der
Alte lächelte und riet Hammadi, nie gegen die Bräuche und Sitten der Ahnen zu
verstoßen. Um den dritten und letzten Rat zu erhalten, gab Hammadi sogar seinen
letzten Ochsen her. Der Mann war sehr gerührt und sagte ernst, aber mit Tränen
in den Augen: „Verdächtige niemals einen anderen Menschen, solange du nicht die
ganze Wahrheit weißt.“
Als Hammadi noch mehr erfragen
wollte, stoppte der Alte ihn und bat ihn nicht mehr zu fragen, da er alles
andere selbst herausfinden kann. In diesem Moment leuchtete der große Stern,
auf den der Mann gewartete hatte, auf und er ging mit seinen drei neuen Ochsen
davon. Hamtudo und Demburu machten sich über Hammadi lustig und verspotteten
ihn, da er sein ganzes Hab und Gut dem alten Mann gegeben hatte. Hammadi
bereute seine Tat jedoch nicht und so zogen die drei jungen Männer weiter in
Richtung ihrer Heimatstadt. Eines Abends, als Hammadi und Hamtudo wegen der
Dämmerung rasten wollten, zog Demburu trotz aller Warnungen etwas weiter, da er
endlich nach Hause gelangen wollte. Demburu war nicht weit gekommen, als ein
Gewitter aufzog und er vom Blitz erschlagen wurde. Hammadi und Hamtudo sahen es
und wurden an die Worte des alten Mannes erinnert. Die beiden trauerten viele
Tage um ihren Freund, bevor sie ihre Reise fortsetzten.
Nach langer Zeit, gelangen die
Zwei an einen Grenzfluß, der das Land des Kaïdara von der Welt der Menschen abtrennt.
Als sie den Fluß überqueren wollten, versperrte ihn plötzlich ein Riese den
Weg. Die beiden müssen mit seinem Boot fahren und Wegzoll bezahlen, da dieses Vorgehen ein
Gebot der Vorfahren sei. Hamtudo weigerte sich zu bezahlen und wollte, da das
Wasser nicht tief war, es zu Fuß überqueren. Noch bevor er zehn Schritte
gegangen ist, verschlang das Wasser ihn. Der Riese schüttelte verständnislos
den Kopf und sagte: „Weh denen, die die Gebote der Ahnen übertreten!“ Nun
war Hammadi traurig und allein. Er stieg
in das Boot des Riesen und ließ sich von ihm über den Fluss bringen. Als Hammadi
auf der anderen Seite angekommen war, machte sich der Riese über das Wasser
zurück. Doch plötzlich drehte dieser sich in der Mitte um, lobte Hammadi für
sein handeln und versprach ihm das restliche Gold von seinen Freunden. Der
Riese verwandelte sich und verschwand in den Fluten. Auf einmal verlor Hammadi
das Bewusstsein und durchlebte im Traum erneut seine lange Reise. Er stellte
fest, dass diese einundzwanzig Jahre gedauert haben muss. Als er wieder wach
wurde und zu sich kam, sah er, dass neun Ochsen vor ihm standen. Überrascht
stellte er fest, dass es seine drei Ochsen, die er dem alten Mann geschenkt
hatte, sowie die sechs Ochsen seiner zwei verstorbenen Freunde waren und weinte
bitterlich. Mit den Tieren machte er sich auf den Rückweg in sein Dorf.
Eines Tages heiratete er, und
das Ehepaar bekam viele Kinder. Von einem Dorfbewohner musste Hammadi erfahren,
dass seine Frau oft einen anderen Mann besuchte. Voller Wut und Eifersucht nahm
Hammadi seinen Dolch und machte sich zur Hütte des Liebhabers auf. Sein Wille
war es, diesen aus dem Weg zu schaffen. Kurz vor der Hütte erinnerte Hammadi
sich an die Worte des alten Mannes: „Verdächtige niemals einen anderen
Menschen, solange du nicht die ganze Wahrheit weißt.“ Er steckte seine Waffe
ein, drehte sich um und ging nach Hause.
Hammadi war nun ein angesehener
Mann in seiner Stadt. Als der König der Stadt starb, wählten die Dorfbewohner
Hammadi für dieses Amt. Aber auch als König, ließen ihn die Zeichen, die ihm
als Junge auf der Reise mit seinen nun toten Freunden begegnet sind, keine
Ruhe. Er wollte das Rätsel endlich lösen. Hammadi ging zu vielen Wahrsagern und
vielen anderen Leuten. Jedoch konnte ihm keiner die Zeichen erklären und er gab
auf. Doch eines Tages stand ein Bettler vor seinem Palast. Seine Wachen wollten
diesen verjagen. Im letzten Moment erkannte Hammadi den alten Mann, aus dem
Land des Kaïdara und ließ ihn in sein Königreich. Dieser ist gekommen, da
Hammadi sich an alle Anweisungen gehalten hat und will ihm nun die Bedeutung
der Zeichen erklären.
Möglichkeit zur Gruppenarbeit:
Die direkte Rede der einzelnen Zeichenwird von verschiedenen Personen (Kindern) gesprochen.
Die direkte Rede der einzelnen Zeichenwird von verschiedenen Personen (Kindern) gesprochen.
Ann-Kathrin Haderer, Vanessa Idel, Maximiliane Veit
Im Rahmen des Seminars: „Interreligiöses Lernen mit
Heiligen Schriften
und Erzählungen aus den Weltreligionen“ (TU Dortmund, WiSe 2016/2017)
und Erzählungen aus den Weltreligionen“ (TU Dortmund, WiSe 2016/2017)
Vorlage: Hyacinthe
Vulliez (Text) / Etienne Souppart (Illustrationen):
Die geheimnisvollen Zeichen des Kaïdara. Eine Erzählung aus Afrika.
Lahr: Kaufmann / Stuttgart: Klett 1994, 40 S., Abb.
Die geheimnisvollen Zeichen des Kaïdara. Eine Erzählung aus Afrika.
Lahr: Kaufmann / Stuttgart: Klett 1994, 40 S., Abb.
TU-DO/WiSe 2016/2017 - Zeichen des Kaïdara-Nacherzählung,
07.12.2016
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