Nacherzählung von Lisa und Kristin Ulrich
Im Rahmen des Seminars an der TU
Dortmund (WiSe 2016/2017): Interreligiöses Lernen
mit Heiligen Schriften und Erzählungen aus den Weltreligionen
mit Heiligen Schriften und Erzählungen aus den Weltreligionen
Vorlage:
Amina Okada (Illustrationen Dominique Thibault): Der Prinz, der zum Bettler wurde.
Eine Erzählung aus dem Buddhismus.
--- Reihe: Geschichten vom Himmel und der Erde. Lahr: Kaufmann / Stuttgart: Klett 1995
Amina Okada (Illustrationen Dominique Thibault): Der Prinz, der zum Bettler wurde.
Eine Erzählung aus dem Buddhismus.
--- Reihe: Geschichten vom Himmel und der Erde. Lahr: Kaufmann / Stuttgart: Klett 1995
Wir wollen euch in eine Geschichte mit
hineinnehmen. Eine Geschichte, die vor zweieinhalbtausend Jahren in Kapilavastu
spielte, im Norden Indiens an der Grenze zum Himalaya. Heute liegt dort Nepal.
In Kapilavastu befand sich ein kleines blühendes Königreich, über das der König
Schuddhodana herrschte. Er war ein weiser und gerechter König. Seine Frau war
die Königin Maya, die schöner war als die himmlischen Wassernymphen.
Eines Nachts, während der Regenzeit, hatte
Maya einen Traum. Sie träumte, dass ein Elefant mit einem roten Kopf und sechs
Stoßzähnen in ihren Bauch drang. Die Königin war verwirrt und erzählte dem
König von ihrem seltsamen Traum. Der bat Astrologen ihn zu deuten. Der
Astrologe deutete den Traum als ein gutes Vorzeichen: Die Königin würde bald
einen Sohn zur Welt bringen. Entweder wird er der vollkommenste, weiseste und
friedliebendste aller Könige sein oder er wird der Größte aller Weisen, was
bedeutet, dass er auf den Thron verzichtet und sich ganz der Suche nach der
Wahrheit widmet. Das Königpaar war glücklich. Sie waren überzeugt, ihr Sohn
würde der Vollkommenste aller Könige werden.
Die Zeit verging. 10 Monate später ging die
Königin im Garten von Lumbini spazieren. Die Vögel sangen und die Blumen
dufteten herrlich. Ein Baum fiel der Königin besonders auf. Er war groß und
schien ihr ihre Zweige entgegen zu strecken. Sie versuchte einen Zweig zu
ergreifen. In dem Moment glitt das Kind direkt aus ihrem Bauch heraus, ohne
dass sie Schmerzen hatte. Plötzlich waren die beiden Götter Brahma und Indra
bei der Königin, fingen das Neugeborene auf und wickelten es in himmlische
Seidentücher. Danach kamen zwei nach Blumen duftende Regenschauer, der eine
warm, der andere kalt. Sie waren die ersten Bäder für das kleine Baby. Das Baby
begann sofort zu laufen. Es machte sieben Schritte in jede Himmelsrichtung als
Zeichen, das es die Macht über die ganze Welt hatte. Zurück im Palast wurde der
Kleine von den Brahmanen, den Priestern, untersucht. Sie sagten, er habe alle
32 Zeichen eines Auserwählten. Er ist kein normaler Sterblicher. Er hatte ein
Haarbüschel zwischen den Augen und einen Höcker auf dem Kopf. Seine Finger
waren durch Schwimmhäute verbunden und auf den Handflächen und Fußsohlen trug
er den Abdruck eines Rades der Lehre. Man gab ihm den Namen Siddhartha. Keiner
zweifelte daran: Er würde der Herrscher der Welt werden!
Aber trotzdem lag eine große Trauer auf dem
Palast. Denn sieben Tage nach der Geburt starb die Königin Maya. Siddhartha
wurde bis zum siebten Lebensjahr von einer Tante aufgezogen, danach von einem
Meister in 64 Künsten unterrichtet, in denen er überall glänzte. Besonders
Interesse hatte Siddhartha an Fragen der Weisheit. Schon früh half er seinem
Vater, wenn es um Fragen des Rechts ging.
Eines Tages nahm der König seinen Sohn mit in
ein Bauerdorf. Es war üblich, dass der König symbolisch die erste Furche zog,
wenn die Felder gepflügt werden mussten. Siddhartha saß unter einem Baum und
beobachtete. Er sah die armen sich abrackernden Bauern und ihre Ochsen. Er sah
Tiere, die sich gegenseitig auffraßen. Voller Traurigkeit und Mitleid dachte
Siddhartha über das Leid und die Qualen der Welt nach.
Als der König die Trauer seines Sohnes sah,
bekam er Angst, dass sich Siddhartha doch für den Weg der Weisheit entscheiden
und auf den Thron verzichten würde. Da hatte er eine Idee, um seinen
sechszehnjährigen Sohn abzulenken: Eine Frau! Die schönsten Mädchen des Reiches
wurden zu einem großen Fest in den Palast eingeladen. Jede von ihnen bekam ein
Geschenk von Siddhartha überreicht. Die letzte von ihnen hieß Gopa. Sie war
wunderschön. Siddhartha beschloss sofort sie zu seiner Frau zu machen. Doch
vorher musste er eine Reihe von Prüfungen gegen 500 andere Prinzen meistern.
Siddhartha bewies mühelos seine Stärke und durfte Gopa heiraten. Siddhartha und
Gopa lebten ein glückliches zurückgezogenes Leben im Palast. 13 Jahre später
brachte Gopa ihren ersten Sohn, Rahula, auf die Welt. Jetzt endlich war der
König Schuddhodana beruhigt und fürchtete nicht mehr, dass sein Sohn auf den
Thron verzichten würde. Alle Sorgen und alles Unglück hielt er von seinem Sohn
fern.
Doch eines Tages machte Siddhartha mit seinem
treuen Diener eine Spazierfahrt in die Stadt. Am Wegrand sah er einen Mann, der
gebückt lief, Falten hatte und weißes Haar. Ganz erschrocken fragte Siddhartha,
was denn mit dem Mann los sei. Sein Diener antwortete: „Er ist alt.“ Siddhartha
frage: „Werde auch ich irgendwann alt sein?“, „Ja, Herr“, war die Antwort des
Dieners. Der Prinz wurde bei diesen Worten sehr traurig, brach die Spazierfahrt
ab und kehrte zurück in den Palast. Einige Zeit später wollte der Prinz
allerdings wieder eine Fahrt mit seinem Diener in die Stadt machen. Wieder
begegneten sie einem Mann. Der Mann atmete schwer und hatte Tränen in den
Augen. Wieder fragte der Prinz, was mit dem Mann los sei, und sein Diener
erklärte ihm, dass dieser krank sei. Voller Kummer kehrte der Prinz erneut um
zum Palast. Ein drittes Mal fuhr Siddhartha mit seinem Diener aus dem Palast.
Dieses Mal begegneten sie einer Gruppe von Menschen, die einen leblosen Körper
auf einer Bahre trugen. Auf die Fragen des Prinzen hin erzählte der Diener ihm,
dass jeder Mensch einmal sterbe müsse und keiner den genauen Zeitpunkt kenne.
Auf dem Rückweg zum Palast sahen sie einen Mann, der anders war als die
anderen: Er trug einen Safranfarbenden Umhang, seine Haare und Bart waren
rasiert und er hatte ein freundliches und kluges Gesicht. Er strahle Friede und
Gelassenheit aus. „Wer ist das?“, wollte der Prinz wissen. Der Diener erklärte,
dass der Mann ein Bettelmönch sei, der seinen ganzen Besitz aufgeben hat, um
sein Leben der Suche nach der Weisheit zu widmen.
Zuhause im Palast empfand der Prinz eine riesige
Abscheu gegenüber all dem Luxus und seinem Leben. In der Nacht ging er zu Gopas
Schlafgemacht und betrachtete seine Frau und seinen Sohn im Schlaf. Voller
Traurigkeit dachte er an die beiden. Aber seine Entscheidung war gefallen.
Nichts würde ihn mehr aufhalten. Er wandte sich schnell ab und ging. Er weckte
seinen Diener und befahl ihm sein Pferd zu satteln. Der Diener fragte „Warum
willst du nachts reisen? Ich sehe keine Feinde, die den Palast stürmen wollen.“
Siddharta antwortete: „Die Feinde sind das Alter, die Krankheit, der Tot.
Sattle mein Pferd!“ Das Pferd wieherte und beinahe wachten die Menschen im
Palast auf. Aber die Götter beobachteten aus dem Himmel die Abreise des Prinzen
und wollten ihm helfen. Sie erstickten das Wiehern des Pferdes und schickten
einen Trupp Zwerge, der das Pferd trug, damit man das Dröhnen der Hufe im
Palast nicht hörte. Lautlos verließen Siddhartha und sein Diener den Palast und
danach die Stadtmauer. Die Tore der Stadtmauer öffneten die Götter selbst. Die
ganze Nacht ritten sie und gelangten am Morgen in einen Wald. Siddhartha legte
seine Gewänder und seinen Schmuck ab und schnitt sich seine Haare ab. Die
Götter nahmen sie wie etwas Heiliges auf und trugen sie zum Himmel. Schluchzend
wandte er sich an seinen Diener: „Kehre zurück zum Palast uns sag meinem Vater
und meiner Frau, dass ich sie verlassen habe, um den Weg der Weisheit zu gehen.
Erst wenn ich weiß, wie das Leid überwunden werden kann, kehre ich zurück. Sie
sollen nicht traurig sein, sondern sich freuen.“
Siddhartha folgte den Lehren von einigen
Meistern, doch keiner von ihnen konnte ihm Antworten auf die ihn quälenden
Fragen geben. Ein Weiser lehrte ihn, enthaltsam zu leben und alles Mögliche zu
entbehren. Fünf Jahre lang lebte Siddhartha in der Nähe der heiligen Stätte
Gaya und widmete sich der Askese. Er nahm mit der
Zeit immer weniger Nahrung zu sich und magerte immer mehr ab. Der Glanz seiner
Augen war erloschen. Er wurde von Tag zu Tag schwächer. Da erkannte er, wie
sinnlos diese Askese war und beschloss, sie zu unterbrechen. Er aß, wusch sich,
ließ sich unter einem Feigenbaum nieder und versank in tiefe Meditation. Er war
fest entschlossen, das Geheimnis des menschlichen Daseins zu ergründen. Die
Götter des Himmels unterstützten die Suche des Prinzen. Der Gott Mara, der Gott
des Todes und der Finsternis, jedoch fürchtete, dass die Erkenntnisse
Siddharthas seine Macht über die Menschen bedrohte. Mara schickte seine Armeen
aus, um Siddhartha bei der Meditation zu stören. Kreaturen, die aus der Hölle
entwichen waren, griffen nach Siddhartha. Doch sie konnten ihm nichts antun.
Sobald ihre Arme nach Siddhartha griffen, verwandelten sie sich in Blumen. Mit
gesteigerter Wut schickte Mara seine drei Töchter, die die Namen Begierde,
Vergnügen und Leidenschaft trugen, um die Meditation des Siddharthas zu stören.
Siddhartha aber blickte die drei Schönheiten an und verwandelten sie in
häßliche Frauen und trug damit den Sieg über den Herrn der Finsternis davon.
Siddhartha meditierte die ganze Nacht. Als dann der Morgen kam, war er ein
vollkommener Erwachter, der die höchste Erkenntnis besaß. Er verstand, dass
Begierde, Gewalt und Unwissenheit die Ursachen für das Leiden sind. Wer sie
überwindet, geht ins Nirwana ein. Aus dem Prinzen Siddhartha war der Buddha –
der Erleuchtete- geworden. Er meditierte 7 weitere Tage. Als dann ein heftiger
Regen kam, erschien eine Kobra vor ihm und umwand ihn mit ihren 7 Köpfen und
schütze ihn so vor dem Regen, damit er weiter meditieren konnte.
Der Buddha beschloss, die
Menschen zu lehren, wie sie das Leid überwinden und sich aus dem unheilvollen
Kreislauf der Wiedergeburten befreien könnten. Er begab sich schließlich mach
Sarnath, wo viele religiöse Menschen lebten. Dort predigte er 5 Asketen seine
Erkenntnisse vom Leid. Diese Fünf wurden seine ersten Jünger. Er lebte eine
Zeit mit ihnen zusammen und zog dann weiter. Viele folgten seiner Lehre. Die
Menschen verließen ihr Heim und ihren Besitz. Weiter erzählt man sich, dass
Buddha auch Wunder vollbrachte. Einmal bekehrte er drei Brahmanen zur buddhistischen
Lehre, indem er eine Schlange bändigte. 6 Jahre waren inzwischen vergangen,
seit dem er den Palast verlassen hatte. Es war nun die Zeit gekommen, zu den
Seinigen zurückzukehren, wie er es versprochen hatte, und seine Lehre ihnen zu
predigen. Als König Schuddhodana seinen Sohn sah, gekleidet in ein
safranfarbenes Gewand und den Blick so rein wie ein Diamant, wusste er dass
die Prophezeiung von seinem Astrologen wahr geworden war. Siddhartha war der
Größte unter den Weisen geworden. Gopa hatte dem Buddha bis zu diesem Tag nicht
vergeben, dass er sie und ihren Sohn verlassen hatte. Doch als Gopa Buddha und
seinen milden Blick sah, vergab sie ihm. Der Buddha verkündete ihr seine Lehre,
worauf Gopa bestimmte, ihr Sohn solle ihm folgen und Mönch werden. Um auch
seiner verstorbenen Mutter die Lehre weiter zu geben, begab sich der Buddha in
den Himmel und kehrte danach auf die Erde zurück.
Viele Jahre verkündete der Buddha
seine Erkenntnisse. Nur wer alle seine Begierden, wie Reichtum und Macht, besiege,
wird frei vom Leid. Der Buddha begegnete jedem Mensch und jedem Tier mit Milde
und Güte. Viele wurden seine Anhänger und gründeten Mönchsorden. 45 Jahre seit
seiner Erkenntnis waren vergangen. Der Buddha war ein alter Mann und er wusste
die Stunde seines Todes und damit die endgültige Befreiung war gekommen. Er und
einige Anhänger begaben sich auf die letzte Reise nach Kuschingara. Sein
Lieblingsjünger bereitete dem Buddha ein Lager. Dieser legte sich auf den
Mönchsmantel auf die rechte Seite, den Kopf nach Norden, das Gesicht nach
Westen. Seine Anhänger weinten um ihn. Da ergriff der Buddha en letztes Mal das
Wort. Er sagte ihnen, sie sollen nicht traurig sein, denn kein einziges
Lebewesen auf dieser Erde lebe ewig. Ob alt oder jung, ob klug oder närrisch, ob
reich oder arm. Alle müssen sie sterben. Daraufhin schwieg der Buddha und
schloss die Augen. Er versenkte sich in tiefe Meditation und ging ins Nirwana
ein. Sein Körper strahlte einen wunderbaren Glanz aus. Die Götter streuten
goldene und purpurfarbene Blumen vom Himmel.
Rz-Himmel und Erde/Buddha, 15.11.2016
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