Donnerstag, 17. November 2016

Aus dem Leben des Buddha

Nacherzählung von Lisa und Kristin Ulrich
Im Rahmen des Seminars an der TU Dortmund (WiSe 2016/2017): Interreligiöses Lernen
mit Heiligen Schriften und Erzählungen aus den Weltreligionen
Vorlage:
Amina Okada (Illustrationen Dominique Thibault): Der Prinz, der zum Bettler wurde.
Eine Erzählung aus dem Buddhismus.

--- Reihe: Geschichten vom Himmel und der Erde. Lahr: Kaufmann / Stuttgart: Klett 1995  
Wir wollen euch in eine Geschichte mit hineinnehmen. Eine Geschichte, die vor zweieinhalbtausend Jahren in Kapilavastu spielte, im Norden Indiens an der Grenze zum Himalaya. Heute liegt dort Nepal. In Kapilavastu befand sich ein kleines blühendes Königreich, über das der König Schuddhodana herrschte. Er war ein weiser und gerechter König. Seine Frau war die Königin Maya, die schöner war als die himmlischen Wassernymphen.

Eines Nachts, während der Regenzeit, hatte Maya einen Traum. Sie träumte, dass ein Elefant mit einem roten Kopf und sechs Stoßzähnen in ihren Bauch drang. Die Königin war verwirrt und erzählte dem König von ihrem seltsamen Traum. Der bat Astrologen ihn zu deuten. Der Astrologe deutete den Traum als ein gutes Vorzeichen: Die Königin würde bald einen Sohn zur Welt bringen. Entweder wird er der vollkommenste, weiseste und friedliebendste aller Könige sein oder er wird der Größte aller Weisen, was bedeutet, dass er auf den Thron verzichtet und sich ganz der Suche nach der Wahrheit widmet. Das Königpaar war glücklich. Sie waren überzeugt, ihr Sohn würde der Vollkommenste aller Könige werden.

Die Zeit verging. 10 Monate später ging die Königin im Garten von Lumbini spazieren. Die Vögel sangen und die Blumen dufteten herrlich. Ein Baum fiel der Königin besonders auf. Er war groß und schien ihr ihre Zweige entgegen zu strecken. Sie versuchte einen Zweig zu ergreifen. In dem Moment glitt das Kind direkt aus ihrem Bauch heraus, ohne dass sie Schmerzen hatte. Plötzlich waren die beiden Götter Brahma und Indra bei der Königin, fingen das Neugeborene auf und wickelten es in himmlische Seidentücher. Danach kamen zwei nach Blumen duftende Regenschauer, der eine warm, der andere kalt. Sie waren die ersten Bäder für das kleine Baby. Das Baby begann sofort zu laufen. Es machte sieben Schritte in jede Himmelsrichtung als Zeichen, das es die Macht über die ganze Welt hatte. Zurück im Palast wurde der Kleine von den Brahmanen, den Priestern, untersucht. Sie sagten, er habe alle 32 Zeichen eines Auserwählten. Er ist kein normaler Sterblicher. Er hatte ein Haarbüschel zwischen den Augen und einen Höcker auf dem Kopf. Seine Finger waren durch Schwimmhäute verbunden und auf den Handflächen und Fußsohlen trug er den Abdruck eines Rades der Lehre. Man gab ihm den Namen Siddhartha. Keiner zweifelte daran: Er würde der Herrscher der Welt werden!
Aber trotzdem lag eine große Trauer auf dem Palast. Denn sieben Tage nach der Geburt starb die Königin Maya. Siddhartha wurde bis zum siebten Lebensjahr von einer Tante aufgezogen, danach von einem Meister in 64 Künsten unterrichtet, in denen er überall glänzte. Besonders Interesse hatte Siddhartha an Fragen der Weisheit. Schon früh half er seinem Vater, wenn es um Fragen des Rechts ging.

Eines Tages nahm der König seinen Sohn mit in ein Bauerdorf. Es war üblich, dass der König symbolisch die erste Furche zog, wenn die Felder gepflügt werden mussten. Siddhartha saß unter einem Baum und beobachtete. Er sah die armen sich abrackernden Bauern und ihre Ochsen. Er sah Tiere, die sich gegenseitig auffraßen. Voller Traurigkeit und Mitleid dachte Siddhartha über das Leid und die Qualen der Welt nach.

Als der König die Trauer seines Sohnes sah, bekam er Angst, dass sich Siddhartha doch für den Weg der Weisheit entscheiden und auf den Thron verzichten würde. Da hatte er eine Idee, um seinen sechszehnjährigen Sohn abzulenken: Eine Frau! Die schönsten Mädchen des Reiches wurden zu einem großen Fest in den Palast eingeladen. Jede von ihnen bekam ein Geschenk von Siddhartha überreicht. Die letzte von ihnen hieß Gopa. Sie war wunderschön. Siddhartha beschloss sofort sie zu seiner Frau zu machen. Doch vorher musste er eine Reihe von Prüfungen gegen 500 andere Prinzen meistern. Siddhartha bewies mühelos seine Stärke und durfte Gopa heiraten. Siddhartha und Gopa lebten ein glückliches zurückgezogenes Leben im Palast. 13 Jahre später brachte Gopa ihren ersten Sohn, Rahula, auf die Welt. Jetzt endlich war der König Schuddhodana beruhigt und fürchtete nicht mehr, dass sein Sohn auf den Thron verzichten würde. Alle Sorgen und alles Unglück hielt er von seinem Sohn fern.

Doch eines Tages machte Siddhartha mit seinem treuen Diener eine Spazierfahrt in die Stadt. Am Wegrand sah er einen Mann, der gebückt lief, Falten hatte und weißes Haar. Ganz erschrocken fragte Siddhartha, was denn mit dem Mann los sei. Sein Diener antwortete: „Er ist alt.“ Siddhartha frage: „Werde auch ich irgendwann alt sein?“, „Ja, Herr“, war die Antwort des Dieners. Der Prinz wurde bei diesen Worten sehr traurig, brach die Spazierfahrt ab und kehrte zurück in den Palast. Einige Zeit später wollte der Prinz allerdings wieder eine Fahrt mit seinem Diener in die Stadt machen. Wieder begegneten sie einem Mann. Der Mann atmete schwer und hatte Tränen in den Augen. Wieder fragte der Prinz, was mit dem Mann los sei, und sein Diener erklärte ihm, dass dieser krank sei. Voller Kummer kehrte der Prinz erneut um zum Palast. Ein drittes Mal fuhr Siddhartha mit seinem Diener aus dem Palast. Dieses Mal begegneten sie einer Gruppe von Menschen, die einen leblosen Körper auf einer Bahre trugen. Auf die Fragen des Prinzen hin erzählte der Diener ihm, dass jeder Mensch einmal sterbe müsse und keiner den genauen Zeitpunkt kenne. Auf dem Rückweg zum Palast sahen sie einen Mann, der anders war als die anderen: Er trug einen Safranfarbenden Umhang, seine Haare und Bart waren rasiert und er hatte ein freundliches und kluges Gesicht. Er strahle Friede und Gelassenheit aus. „Wer ist das?“, wollte der Prinz wissen. Der Diener erklärte, dass der Mann ein Bettelmönch sei, der seinen ganzen Besitz aufgeben hat, um sein Leben der Suche nach der Weisheit zu widmen.

Zuhause im Palast empfand der Prinz eine riesige Abscheu gegenüber all dem Luxus und seinem Leben. In der Nacht ging er zu Gopas Schlafgemacht und betrachtete seine Frau und seinen Sohn im Schlaf. Voller Traurigkeit dachte er an die beiden. Aber seine Entscheidung war gefallen. Nichts würde ihn mehr aufhalten. Er wandte sich schnell ab und ging. Er weckte seinen Diener und befahl ihm sein Pferd zu satteln. Der Diener fragte „Warum willst du nachts reisen? Ich sehe keine Feinde, die den Palast stürmen wollen.“ Siddharta antwortete: „Die Feinde sind das Alter, die Krankheit, der Tot. Sattle mein Pferd!“ Das Pferd wieherte und beinahe wachten die Menschen im Palast auf. Aber die Götter beobachteten aus dem Himmel die Abreise des Prinzen und wollten ihm helfen. Sie erstickten das Wiehern des Pferdes und schickten einen Trupp Zwerge, der das Pferd trug, damit man das Dröhnen der Hufe im Palast nicht hörte. Lautlos verließen Siddhartha und sein Diener den Palast und danach die Stadtmauer. Die Tore der Stadtmauer öffneten die Götter selbst. Die ganze Nacht ritten sie und gelangten am Morgen in einen Wald. Siddhartha legte seine Gewänder und seinen Schmuck ab und schnitt sich seine Haare ab. Die Götter nahmen sie wie etwas Heiliges auf und trugen sie zum Himmel. Schluchzend wandte er sich an seinen Diener: „Kehre zurück zum Palast uns sag meinem Vater und meiner Frau, dass ich sie verlassen habe, um den Weg der Weisheit zu gehen. Erst wenn ich weiß, wie das Leid überwunden werden kann, kehre ich zurück. Sie sollen nicht traurig sein, sondern sich freuen.“

Siddhartha folgte den Lehren von einigen Meistern, doch keiner von ihnen konnte ihm Antworten auf die ihn quälenden Fragen geben. Ein Weiser lehrte ihn, enthaltsam zu leben und alles Mögliche zu entbehren. Fünf Jahre lang lebte Siddhartha in der Nähe der heiligen Stätte Gaya und widmete sich der Askese. Er nahm mit der Zeit immer weniger Nahrung zu sich und magerte immer mehr ab. Der Glanz seiner Augen war erloschen. Er wurde von Tag zu Tag schwächer. Da erkannte er, wie sinnlos diese Askese war und beschloss, sie zu unterbrechen. Er aß, wusch sich, ließ sich unter einem Feigenbaum nieder und versank in tiefe Meditation. Er war fest entschlossen, das Geheimnis des menschlichen Daseins zu ergründen. Die Götter des Himmels unterstützten die Suche des Prinzen. Der Gott Mara, der Gott des Todes und der Finsternis, jedoch fürchtete, dass die Erkenntnisse Siddharthas seine Macht über die Menschen bedrohte. Mara schickte seine Armeen aus, um Siddhartha bei der Meditation zu stören. Kreaturen, die aus der Hölle entwichen waren, griffen nach Siddhartha. Doch sie konnten ihm nichts antun. Sobald ihre Arme nach Siddhartha griffen, verwandelten sie sich in Blumen. Mit gesteigerter Wut schickte Mara seine drei Töchter, die die Namen Begierde, Vergnügen und Leidenschaft trugen, um die Meditation des Siddharthas zu stören. Siddhartha aber blickte die drei Schönheiten an und verwandelten sie in häßliche Frauen und trug damit den Sieg über den Herrn der Finsternis davon. Siddhartha meditierte die ganze Nacht. Als dann der Morgen kam, war er ein vollkommener Erwachter, der die höchste Erkenntnis besaß. Er verstand, dass Begierde, Gewalt und Unwissenheit die Ursachen für das Leiden sind. Wer sie überwindet, geht ins Nirwana ein. Aus dem Prinzen Siddhartha war der Buddha – der Erleuchtete- geworden. Er meditierte 7 weitere Tage. Als dann ein heftiger Regen kam, erschien eine Kobra vor ihm und umwand ihn mit ihren 7 Köpfen und schütze ihn so vor dem Regen, damit er weiter meditieren konnte.
Der Buddha beschloss, die Menschen zu lehren, wie sie das Leid überwinden und sich aus dem unheilvollen Kreislauf der Wiedergeburten befreien könnten. Er begab sich schließlich mach Sarnath, wo viele religiöse Menschen lebten. Dort predigte er 5 Asketen seine Erkenntnisse vom Leid. Diese Fünf wurden seine ersten Jünger. Er lebte eine Zeit mit ihnen zusammen und zog dann weiter. Viele folgten seiner Lehre. Die Menschen verließen ihr Heim und ihren Besitz. Weiter erzählt man sich, dass Buddha auch Wunder vollbrachte. Einmal bekehrte er drei Brahmanen zur buddhistischen Lehre, indem er eine Schlange bändigte. 6 Jahre waren inzwischen vergangen, seit dem er den Palast verlassen hatte. Es war nun die Zeit gekommen, zu den Seinigen zurückzukehren, wie er es versprochen hatte, und seine Lehre ihnen zu predigen. Als König Schuddhodana seinen Sohn sah, gekleidet in ein safranfarbenes Gewand und den Blick so rein wie ein Diamant, wusste er dass die Prophezeiung von seinem Astrologen wahr geworden war. Siddhartha war der Größte unter den Weisen geworden. Gopa hatte dem Buddha bis zu diesem Tag nicht vergeben, dass er sie und ihren Sohn verlassen hatte. Doch als Gopa Buddha und seinen milden Blick sah, vergab sie ihm. Der Buddha verkündete ihr seine Lehre, worauf Gopa bestimmte, ihr Sohn solle ihm folgen und Mönch werden. Um auch seiner verstorbenen Mutter die Lehre weiter zu geben, begab sich der Buddha in den Himmel und kehrte danach auf die Erde zurück.

Viele Jahre verkündete der Buddha seine Erkenntnisse. Nur wer alle seine Begierden, wie Reichtum und Macht, besiege, wird frei vom Leid. Der Buddha begegnete jedem Mensch und jedem Tier mit Milde und Güte. Viele wurden seine Anhänger und gründeten Mönchsorden. 45 Jahre seit seiner Erkenntnis waren vergangen. Der Buddha war ein alter Mann und er wusste die Stunde seines Todes und damit die endgültige Befreiung war gekommen. Er und einige Anhänger begaben sich auf die letzte Reise nach Kuschingara. Sein Lieblingsjünger bereitete dem Buddha ein Lager. Dieser legte sich auf den Mönchsmantel auf die rechte Seite, den Kopf nach Norden, das Gesicht nach Westen. Seine Anhänger weinten um ihn. Da ergriff der Buddha en letztes Mal das Wort. Er sagte ihnen, sie sollen nicht traurig sein, denn kein einziges Lebewesen auf dieser Erde lebe ewig. Ob alt oder jung, ob klug oder närrisch, ob reich oder arm. Alle müssen sie sterben. Daraufhin schwieg der Buddha und schloss die Augen. Er versenkte sich in tiefe Meditation und ging ins Nirwana ein. Sein Körper strahlte einen wunderbaren Glanz aus. Die Götter streuten goldene und purpurfarbene Blumen vom Himmel.

Rz-Himmel und Erde/Buddha, 15.11.2016 




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen