Im März 1982 veröffentlichte der damalige Leiter der Sternwarte Bochum Heinz. Kaminski (1921–2002) die erste Studie über die Tierkreiszeichen in der Pfarrkirche von Wormbach mit einer astronomisch-vorchristlichen Interpretation. Mehrfach versuchte er, die Arbeitshypothese der ersten Studie zu erhärten, nämlich, dass der Tierkreis eine einmalige Erscheinung ist und hierdurch der Raum Wormbach im Sinne der Kultstätten-Kontinuität eine besondere frühgeschichtlich-kultische Herausforderung erfährt.1 Der Heimatforscher Elmar Hartmann aus Hohenlimburg widersprach ihm heftig. Unabhängig von diesem damaligen Disput zeigt der Zodiakus eine Ikonografie, die sich nicht nur auf vorchristliche Elemente bezieht, sondern auch Wormbach als Kultplatz erheblich aufzuwerten scheint. Dies bestätigte übrigens auch Hartmann:2
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(Dokumentation, 01.05.2012)
Mond und Sonne mit Frauen- bzw. Männergesicht
Halten
wir fest: Die Ausmalung des Gewölbes, einschließlich der Gewölbeschlusssteine,
erfolgte mit erstaunlichen Kenntnissen
der Astronomie, und zwar in gekonnter Anlehnung an die Äquinoktien (Frühlings-
und Herbstanfang) und an die Solstitien (Sommer- und Wintersonnenwende). Das
wird besonders deutlich am Ostjoch-Gewölbeschlussstein durch das Männergesicht
in der Sonne und das Frauengesicht in der Mondsichel. Der Mann schaut in
Blickrichtung Fische, dem Frühlingspunkt im Jahre 1200 n. Chr., die Frau schaut
in Blickrichtung Wassermann und somit in die Bewegungsrichtung des Frühlingspunktes.
(\ Bild links)
Rätselhaft
ist die Linie, die den gekrönten Mann des Westjoch-Gewölbeschlusssteins mit der
Waage verbindet. Sie kennzeichnet vielleicht die extreme Position, die der
Ostervollmond einnehmen kann.
Die
gesamte Ausmalung mit dem Tierkreis, verbunden mit den Darstellungen der Apsis weisen
nun mit der Ostrichtung der Kirche auf die christliche Heilsbotschaft hin. So wird
selbst die Auferstehung und das Jüngste Gericht durch Aufnahme vorchristlicher
Elemente zum Zeichen, wie sich das Christentum in eine vorchristliche Religion hinein
inkulturiert und sich dabei selbst und auch die Vorgängerreligion verändert.
Geografisch
ist auffällig, dass bei Wormbach das Plateau
der Egge mit der pyramidenförmigen Bergkuppe der Hardt eine Einheit bildet.
Jeweils am Tage des Frühlings- und Herbstanfangs geht die Sonne über der
Spitze er Hardt auf. Da Wormbach auf der gleichen geographischen Breite wie
Stonehenge liegt, kam bei manchen Forschern die Hypothese auf, dass Leute aus
dem Raum Wormbach irgendwie auch mit Stonehenge zu tun gehabt haben müssen.
Aber wenn ja, wie? Diese Frage lässt sich wohl nicht mehr historisch gesichert
beantworten.
Und
noch eine Auffälligkeit soll angesprochen werden: In Wormbach treffen sich sog.
Totenwege. Die Ortsnamen wie Bestwig
= "bester Weg", Halbeswig = "halber Weg", oder Halberbracht
= "halb gebracht" erinnern an die uralten Pilgerwege, auf denen man
früher die Toten weit weg von ihrem Sterbeort zur letzten Ruhe geleitete.4 Vielleicht fürchtete man
damals noch die „Wiedergänger“, die dann an den Ort ihres Ablebens zurückkommen
wollten. Der Wormbacher Friedhof fasziniert übrigens durch die Gleichförmigkeit
seiner Holzgrabkreuze.
Ist das Zusammentreffen von geografischen
Besonderheiten, Totenritualen Himmelszeichen und dem Tierkreis in Wormbach nur
ein erstaunlicher Zufall, der im 12./13. Jahrhundert Gestalt annahm oder steckt
mehr dahinter?
Dom
in Worms – Westtürme
Eine
Untersuchung aller urkundlich erwähnten
Namen Wormbachs zeigt, dass sich die Hauptsilbe "worm" fast nie
geändert hat. Damit hat Wormbach den gleichen Wortstamm wie Worms. Für Worms haben aber
Sprachwissenschaftler die Ableitung des Namens von Borbet-O-Magus = Borbet,
Worbede, Warbede, d.h. den Bezug zu den drei
Göttinnen oder „Drei Matronen“5
nachweisen wollen. Immerhin
befinden sich im Wormser Dom diese Drei, bekannt als „Bethen“, mütterliche
Göttinnen, die nun mit christlichen Heiligen identifiziert werden: Ambeth ( =
Anna), Wilbet ( = Katharina) und Borbet (= Barbara).6 Diese Göttinnen sind wohl auch im Sauerland bekannt
(gewesen), vielleicht als „Nachkommen“ der „Nornen“.7 Man kann also nicht ausschließen, dass Wormbach in
vorchristlicher Zeit eine Kultstätte, vielleicht sogar der Sonnen- und Mondverehrung
gewesen ist.
In und
um das landschaftlich reizvoll liegende Wormbach bleiben viele Fragen offen,
aber vielleicht macht das gerade den Zauber aus, diesen Ort unmittelbar auf
sich wirken zu lassen und eine Zeitreise in die Vergangenheit anzutreten, in
der das Christentum erst nach und nach wirklich im Sauerland Fuß fasste.
Anmerkungen
1)
Heinz
Kaminski: Wormbach – eine vorgeschichtliche Sonnenwarte in Westfalen / Der Tierkreis in der Kirche St. Peter und
Paul in Wormbach. Bochum 1984, 56 S., Abb. und ausführlich: Ders.: Die Götter
des Landes Vestfalen. Der Wormbacher Tierkreis – Schlüssel zur keltisch-Germanischen
Kultstätte. Fredeburg: Grobbel 1988
2)
Elmar
Hartmann: Die St. Peter und Paul-Kirche in Wormbach und die Symbolik ihrer
spätromanischen Ausmalung. Eine Auseinandersetzung mit Heinz Kaminski. In
Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau (Hg.): Heilige Plätze – heilende Plätze.
Iserlohner Con-Texte Nr. 10 (ICT 10). Iserlohn 1991, S. 6 – 20
3)
Hartmann,
aaO S. 10
4)
Zum
Soester Totenweg: http://www.ebbinghof-live.de/heiligenhaeuschen_wegekreuz/soester_totenweg.php, umfassender:
Deutschlandradio: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/sonntagsspaziergang/957496/
(abgerufen
16.04.2012)
5)
http://de.wikipedia.org/wiki/Matrone (abgerufen
16.04.2012)
6)
http://eichfelder.de/worms/w_sagen/bethen/bethen.html (abgerufen
16.04.2012)
7)
http://www.varunaholzapfel.de/nornen.html (abgerufen
16.04.2012)
Reinhard Kirste
Relpäd/Tierkreis
Wormbach, 01.05.12
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