Kampfszene aus dem Mahabharata (Fächer mit indonesischen Schattenspielfiguren) |
Errettung der Prinzessin Sita
aus dem Epos Ramayana
Das Ramayana kann man als "Fortsetzung" des Mahabharata ansehen: Narrativ über Verantwortung und Pflichten. Diese Erzählungen dienen als Orientierung für die Kindererziehung.
Einst herrschte ein Dämonenkönig namens
Ravana auf Sri Lanka. Er war sehr mächtig und drohte die Menschheit zu
vernichten. Aus Angst vor ihm suchten die Menschen Hilfe bei Gott. Der Rat der
Götter im Himmel beschloss, Vishnu - den Bewahrer der Welt - in Menschengestalt
auf die Erde zu schicken, denn es war schon seit jeher die Aufgabe der Götter,
Recht und Ordnung auf der Erde zu bewahren, die Guten zu unterstützen und das
Böse zu vernichten.
So wurde dem Gott Vishnu, der
drei königliche Frauen hatte, Rama als ältester Sohn geboren (er gilt als die 7. Inkarnation Vishnus)
Einen Tag vor Ramas Krönung verlangte
seine Stiefmutter von ihrem Gemahl, dem König, ihr die zwei Wünsche zu
erfüllen, die er ihr vor langer Zeit versprochen hatte. Sie wünschte sich, dass
ihr leiblicher Sohn Bharata statt Rama die Krone bekäme; und damit Rama kein
Dorn für ihn wäre, sollte er vierzehn Jahre in die Wälder verbannt werden.
Der König war entsetzt und bat seine
Frau, sich etwas anderes zu wünschen, aber sie beharrte darauf. Als Rama davon
hörte, gab er die Krone freiwillig ab.
Hier kam die Pflicht des Gehorsams und
die Pflicht , das einmal gegebene Wort zu halten, zusammen. Zwar hatte nicht er
das Versprechen gegeben, aber das Versprechen des Vaters war auch sein
Versprechen. Und vor allem, die Mutter hatte es verlangt, und er musste
gehorchen.
Ramas Frau Sita, die ihm die Treue
geschworen hatte, ging mit ihm - das war die Pflicht des Lebenspartners, in
guten und schlechten Zeiten zusammenzuhalten. Und auch sein jüngerer Bruder
Laxman wollte nicht ohne ihn im Königreich bleiben. Ihn rief die Pflicht, dem
Älteren zu dienen.
So verließen Rama, Sita und Laxman ihr
Königreich, um in den Wäldern zu leben.
Kurze Zeit darauf starb der alte König
in Trauer um seine Kinder. Als Bharata, der die ganze Zeit über bei seinem
Onkel war, erfuhr, was während seiner Abwesenheit geschehen war, war er völlig
verzweifelt. Er missbilligte das Verhalten seiner Mutter und lehnte die Krone
ab. Er eilte hinter seinem geliebten Bruder Rama her, fand ihn in den Wäldern
und bat ihn, zurückzukommen und das Land zu regieren.
Rama im Wald bei den Tieren |
Rama überzeugte seinen Bruder, dass er
das Versprechen seines Vaters erfüllen müsse, dass Bharata zu seinem Königreich
zurückkehren solle und dass ein Königreich ohne einen König von Feinden besiegt
werden könne. Er versprach ihm aber, am Ende der Verbannung zurückzukommen und
das Königreich zu übernehmen, um ihn von der Last der Regierung zu befreien.
Bharata versprach Rama, dass er ebenso
wie sein Bruder ein Asketenleben führen würde. Er ging zurück und trug dabei
die Schuhe seines Bruders. Er legte diese auf den Thron und regierte im Namen
seines Bruders. Er verzichtete auf ein Leben im Palast, zog in eine Hütte und
lebte von Beeren und Waldfrüchten wie seine Brüder und seine Schwägerin.
Dreizehn Jahre vergingen. Während
dieser Zeit durchwanderten Rama, seine Frau und sein Bruder die Wälder und
töteten viele Dämonen, die die Menschen und Asketen dort belästigten.
Eines Tages erfuhr der Dämonenkönig
Ravana von der Schönheit Sitas - Ramas Frau. Er begehrte sie und heckte einen
Plan aus, sie zu entführen. Sein Onkel versuchte, ihn davon abzubringen. Aber
Ravana drohte ihm mit dem Tode, wenn er ihn nicht unterstützen würde. Es blieb
dem Onkel also nichts anderes übrig als der Tod - denn eins wusste er: entweder
würde er durch den Dämonenkönig getötet, wenn er ihm nicht hülfe, oder Rama
tötete ihn als Bestrafung wegen der Hilfeleistung bei der Entführung. Er zog es
vor, durch Gottes Hand zu sterben und half seinem Neffen.
Sita wurde durch die Luft von Ravana
entführt, als ihr Gemahl und sein Bruder auf der Jagd waren. Unterwegs hörte
der König der Vögel ihre Hilfeschreie und flog ihr zu Hilfe, wurde aber durch
Ravana tödlich verletzt. Als er zu Boden fiel, fanden ihn Rama und Laxman. In
seinen letzen Atemzügen erzählte der Vogelkönig von der Entführung und von der
Himmelsrichtung, in der Ravana entkommen war. Nun zogen beide Brüder los, um
Sita zu suchen.
In der Zwischenzeit - in Sri Lanka
angekommen - zwang Ravana Sita, ihn zu heiraten. Sie weigerte sich und drohte
ihm mit einem Fluch, falls er sie anrühren würde. Da man keine Frau ohne ihre
Einwilligung anfassen sollte, konnte er sie zwar nicht heiraten, hielt sie
aber gefangen in der Hoffnung, dass sie ihre Meinung änderte.
Rama und Laxman suchten verzweifelt
nach Sita. Unterwegs schlossen sie Freundschaft mit der Tierwelt und zwar
genauer gesagt: mit den Menschenaffen und den Bären. Trotz seiner eigenen
Probleme half Rama dem Affenkönig eine familiäre Krise zu lösen - das war die
Pflicht eines Freundes. Der Affenkönig wiederum versprach Rama, ihm bei der
Suche nach seiner Frau zu helfen.
Er schickte seine Affensoldaten in alle
Himmelsrichtungen, um den Weg zu erkunden. Nach monatelanger Suche kam endlich
Hanuman, der als der Affengott bekannt ist, mit dem Hinweis, dass Sita in Sri
Lanka gefangen gehalten wird, weit hinter der Landesgrenze.
Rama ging mit seinem Bruder, seinem
Freund, dem Affenkönig, und seiner Affenarmee zur Südküste Indiens. Sie fanden
keinen Weg über das weite Meer. Es vergingen Wochen. Rama erinnerte sich an
sein Versprechen, das er seinem Bruder gegeben hatte: Nach vierzehn Jahren
wollte er zurückkehren und keinen Tag länger bleiben. Bald wären die vierzehn
Jahre um, und er hatte noch keinen Weg zu seiner Frau gefunden. Er fing an zu
beten, und der Wassergott erhörte seine Gebete. Die Affenarmee durfte eine
steinerne Brücke über das Wasser bauen, um nach Sri Lanka zu gelangen. Alle
gingen darüber.
Die Pfeiler dieser Brücke kann man
heute noch sehen, die Felsinseln, die die Südküste Indiens mit der Nordküste
Sri Lankas verbinden.
In Sri Lanka angekommen, forderte Rama
Ravana zum Krieg auf. Die Dämonen waren zahlreich und mächtig, und der Krieg
dauerte mehrere Tage. Ravana war unbesiegbar, denn jedesmal, wenn man seinen
Kopf abschnitt, wuchs ein neuer an seiner Stelle. Rama und seine Armee waren
verzweifelt. Der Krieg dauerte an, und es war kein Ende abzusehen. Die meisten
der Dämonenfamilie waren gefallen, aber Ravana war immer noch bei Kräften.
Endlich kam die Erlösung für Rama. Ein Überläufer der Dämonenfamilie, der an
Gott glaubte und nicht an den Teufel, verriet Rama das Geheimnis Ravanas.
Am Tage darauf zielte Rama mit seinem
Pfeil und Bogen auf Ravanas Bauchnabel - sein Kundalini. Ravana fiel zu Boden.
So siegte endlich das Gute über das Böse.
Rama nahm Sita und Laxman und flog mit
seinen Freunden nach Hause zu seinem Bruder Bharata. Es war der letzte Tag der
vierzehnjährigen Verbannung. Er musste sein Versprechen einhalten.
Es war die dunkelste Nacht des Jahres.
Als er heranflog, sah er von weitem schon viele Lichter in seinem Königreich.
Das Volk hatte überall Lichter brennen lassen, damit er seinen Weg fand. Als
Rama ankam, fiel ihm sein Bruder zu Füssen und gab ihm das Königreich zurück.
Alle feierten die Rückkehr Ramas.
So
wird auch jedes Jahr das Fest der Lichter bei den Hindus gefeiert. Es heisst Diwali oder Deepawali - Deep bedeutet
Licht oder Lampe. Es wird jedes Jahr in der dunkelsten Nacht des Jahres
gefeiert und fällt zwischen Ende Ende Oktober und Anfang November. Dies ist ein
Fest wie Weihnachten. Es ist zwar nicht die Geburt Gottes, aber der Sieg des
Guten über das Böse. Es soll den Hindus auch ein Gefühl des Pflichtbewusstseins
und der Opferbereitschaft vermitteln.
Aus: Ramayana. Die Geschichte vom Prinzen Rama, der schönen
Sita und dem Großen Affen Hanuman.
DG 45. Köln: Diederichs 1983 - nacherzählt von Renu Varandani.
DG 45. Köln: Diederichs 1983 - nacherzählt von Renu Varandani.
Krishnas Hautfarbe ist blau, und er trägt immer gelbe Gewänder. Die blaue Farbe wird immer in Zusammenhang mit der Ewigkeit oder Unendlichkeit (z.B. Himmel oder Ozean) gebracht. Und die gelbe Farbe ist die Erde. Wenn Sand mit einer farblosen Flamme in Berührung kommt, wird die Flamme gelb. Die blaue Gestalt Krishnas, der in Gelb gekleidet ist, symbolisiert die ewige Wirklichkeit. die in ein sterbliches Dasein eingezwängt ist. Die Inkarnation Krishnas stellt das Herabsteigen Gottes auf die Erde dar. Der Gedanke, dass diese grenzenlose, formlose Wirklichkeit zu einem Menschenleben beschränkt wird, deutet auch seine Geburt in einem Gefängnis an. Das göttliche Kind konnte aber in einem Gefängnis nicht eingesperrt werden, denn sobald es auf die Welt kam, öffneten sich wie durch ein Wunder die Gefängnistore. Nicht einmal die Wächter konnten Krishnas Vater, der mit ihm durch die Tore spazierte, aufhalten.
Diese Episode soll vermitteln, dass das Göttliche und Ewige nicht durch menschliche Gestalt eingeschränkt oder behindert werden kann. Das Göttliche ist immer frei, die Seele oder Atman ( = Atem) grenzenlos. Nur der Körper, Gedankengut und Intellekt sind begrenzt, eingeschränkt und sterblich. Die Materie hat einen Anfang und ein Ende. Die Seele oder Atman nicht, sie ist ewig, unendlich. Krishna stellt stellt diesen Atman dar.
Nach: Parthsarathy, A.: The symbolism of Hindu Gods and Rituals.
Bombay: Vedanta Life Institute 1983, 3. Aufl.
Bombay: Vedanta Life Institute 1983, 3. Aufl.
Rezension des Buches: hier |
Wie die Kuh der menschlichen Mutter gleichgestellt wurde
Seit jeher weiß jeder, dass die Kuh,
ebenso wie eine Frau, eine Tragzeit von neun Monaten bzw. 280 Tagen hat. Genau
wie die Mutter ernährt auch die Kuh ihre Nachkommen mit Milch. Die Mutter kann
nur ihr eigenes Kind ernähren, die Kuh dafür aber ein ganzes Dorf. Ihre Milch
ist genauso leicht und verdaulich für den empfindlichen Menschenmagen, wie die
von einer Mutter.
Eines Tages war die Entbindungszeit für
eine werdende Mutter gekommen. Sie hatte unerträgliche Schmerzen und die Geburt
war sehr schwer. Es war eine Kuh in der Nähe, und sie half der werdenden
Mutter, indem sie ihren Huf in das hintere Kleinbecken der Frau presste. Daher
sagt man, kommt auch das Dreieck mit den drei Punkten über den Pobacken des
Menschen. Heute weiß der Geburtshelfer, wo er die Anästhesie zu spritzen hat,
nämlich an der gleichen Stelle, wohin einst die Kuh ihren Huf gesetzt hatte.
So half die Kuh der Frau zu ihrem Kind.
Die Kuh bat die Frau, auch ihr zu helfen, wenn es bei ihr so weit wäre. Und als
die Zeit zum Kalben gekommen war, eilte die Mutter ihr zu Hilfe.
Mündlich
überliefert und erzählt von Renu
Varandani
im Rahmen des West-östlichen Divans Iserlohn
im Rahmen des West-östlichen Divans Iserlohn
Anregungen
für die Weiterarbeit
Die Geschichten stammen aus verschiedenen Erzähltraditionen, haben mehrere Ebenen. Sie reichen vom heiteren Nacherzählen bis zu einer Symbolik wesentlicher Daseinsfragen und transzendentem Wirklichkeitsverständnis. Diese Geschichten sind teilweise von erheblicher epischer
Breite, ermöglichen aber auf diese Weise, dass die Zuhörerinnen durch das
Erzählen gewissermaßen in die „Daseinstiefe“ hineingenommen werden.
So hat auch jedes Fest in Indien eine entsprechende Festlegende.
--- Welche Intentionen liegen jeweils hinter
diesen drei Erzählungen?--- Warum geht es in diesen Geschichten teilweise so konfliktreich zu?
--- Teilweise dauert es bis zur Lösung in einer Geschichte sehr lange, manchmal stellt sich die Lösung unvermittelt ein.
Welches sind die Hintergründe?
Es ist sinnvoll, alle Fragen an den
Geschichten einzeln und im Vergleich
aller drei Geschichten miteinander zu vertiefen und so einer vergleichenden Beantwortung näher zu bringen.
aller drei Geschichten miteinander zu vertiefen und so einer vergleichenden Beantwortung näher zu bringen.
Überarbeitet, zuerst erschienen in Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau (Hg.):Gespiegelte Wahrheit. Iserlohner Con-Texte Nr. 18 (ICT 18). Iserlohn 2003, S. 57 - 59, auch als PDF-Fassung wieder aufgelegt: 2009 und 2014. Download: hier
Mehr zum Hinduismus, den heiligen Schriften und Erzähltraditionen: hier
Lizenz: CC
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