Die jährlichen Gastvorlesungen im Rahmen von
„Theologie interkulturell“ an der Johann-Wolfgang-von Goethe Universität Frankfurt/M. ermöglichen
Studierenden, Dozenten und Interessierten Einblicke in andere Kulturen und
religiöse Traditionen zu gewinnen
Vgl. Gastprofessoren seit 1985: https://www.uni-frankfurt.de/44390609/gastprofessuren
Obiora Ike, nigerianischer Priester und Generalvikar
des Bistums Enugu hielt im Wintersemester 1997/1998 eine Gastvorlesung im Rahmen
von „Theologie interkulturell“: Afrikanische Kulturen und christlicher Glaube in Nigeria
– Eine Gesellschaft im Übergang.
In Mai 2006 fand unser persönliches
Treffen mit Obiora Ike an der Universität Frankfurt/Main statt, und zwar
anlässlich seines Deutschlandbesuchs und dem festlichen Symposium: 20 Jahre „Theologie Interkulturell“.
Obiora Ikes Art und Weise der Begegnungen mit
anderen Kulturen und Religionen beeindruckten meine Frau und mich sehr. So kam
es dazu, dass wir mit dem Kuratorium unserer Stiftung „Omnis Religio“
beschlossen, ihm den Förderpreis unserer Stiftung für sein interreligiöses
Engagement im religiös krisenreichen Nigeria zukommen zu lassen. Uns erschien
es notwendig, ihn
in seiner Arbeit der Aussöhnung zwischen Muslimen und Christen finanziell zu unterstützen.
(vgl.: http://religiositaet.blogspot.de/2010/12/stiftung-omnis-religio-merkzeichen.html)
(vgl.: http://religiositaet.blogspot.de/2010/12/stiftung-omnis-religio-merkzeichen.html)
Obiora
Ike bemüht sich ja nicht nur, Projekte interreligiöser Begegnung zu initiieren,
er ist auch vor Ort, um die Versöhnung zwischen Christen und Muslimen
voranzubringen. Eine Anekdote verdeutlicht dies: Ausgerechnet an einem
Karfreitag besuchte er eine Moschee, um mit Muslimen in Gespräch, Meditation
und Gebet zusammen zu sein.
Weil
Obiora Ike in dieser Weise sich für den interreligiösen Frieden in Westafrika
einsetzt, hat dies auch Folgen für die Bildung von jungen Menschen und
Erwachsenen, aber ebenso für die Sozialarbeit in einem Land, in dem Armut noch
immer an der Tagesordnung ist.
Seine
unermüdliche Arbeit der interreligiösen Bildung und Verständigung ist umso
wichtiger, als die Spannungen in Nigeria – gerade im islamisch geprägten Norden
des Landes – zugenommen haben. Das hängt mit der die Einführung der Scharia und
den Auswirkungen des Irak-Krieges sowie den globalen Auswirkungen des sog.
Islamischen Staats zusammen. So haben auch in Westafrika marodierenden
Terrormilizen, besonders Boko Haram, bedenklich zugenommen.
Das 2007 herausgekommene Buch von Obiora Ike bestätigt
bis zu den alltäglichen
Begebenheiten dieses dialogische Handeln unter Bedingen ethnischer und
religiöser Konflikte. Der Titel heißt nicht umsonst: Wende dein Gesicht der Sonne zu. Dieses
Motto erinnert daran, dass derjenige, der der Sonne entgegengeht, seine Schatten
hinter sich lässt
Rezension hier: https://drive.google.com/file/d/0B35EiO88xc00dlQ5ZlRMb1UzNzA/view
Rezension hier: https://drive.google.com/file/d/0B35EiO88xc00dlQ5ZlRMb1UzNzA/view
Das Buch insgesamt zeigt die Zuneigung
des freundlichen Priesters zu Deutschland. Er sieht unser Land mit den Augen eines
fröhlichen Menschen. Er scheint in vielem mit den rheinischen Frohnaturen
verwandt zu sein, heißt es doch in Köln: Et
kütt, wie et kütt (= es kommt, wie es kommt). Ebenso spricht er auch realistisch
die Sonnen- und Schattenseiten seines Heimatlandes an.
Wer angesichts der teilweise
dramatischen Erlebnisse von „Obi“ (wie ihn seine deutschen Freunde nennen)
nicht angesteckt wird von diesem afrikanischen Lebensmut, übersieht die
Energien, die aus diesem Kontinent hervorquellen. Afrika hat viele Seiten, sehr
dunkle und sehr helle, aber alle Ereignisse und Entwicklungen können auch als
Zeichen gedeutet werden – Deutungen auf Gott hin. Er als der Schöpfer allen
Lebens mahnt eine Bestimmung des Menschen an, die von Respekt, Liebe und Barmherzigkeit
geprägt ist. Es ist eine Humanität, für die letztlich auch die in Nigeria
handelnden Religionen, d.h. konkret die Gläubigen aus Christentum und Islam,
verantwortlich sind. Das ist keineswegs einfach! Obiora Ike versucht dies mit
seinem persönlichen Lebensstil und als Verantwortlicher seiner Kirche Tag für
Tag glaubwürdig umzusetzen.
Unsere Begegnung mit ihm öffnete uns gewissermaßen
ein neues Fenster nach Afrika, durch das wir seine Erfahrungen „sichten“
konnten. Seine dort in Afrika und hier in Deutschland erlebten Geschichten verweisen
zugleich auf einen größeren Zusammenhang. Es geht dem Priester um den Alltag
und um einen jeden. Das heißt: körperliche und spirituelle Gesundheit finden,
Zeit zum Reflektieren und zum Beten finden, Zeit, um Freude mit Kindern und mit
der Familie zu erleben. Es geht aber immer wieder auch darum, die Grenzen des
eigenen Stammes, der eigenen Nation und der eigenen Religion zu überwinden. Angesichts
der in seinem Lande oft beunruhigenden, teilweise religiös motivierten Gewalt ist
Obiora Ike auch als Theologe besonders herausgefordert. Er erzählt überzeugend bei
seinen Deutschlandbesuchen, was er versucht, in seiner nigerianischen Diözese
versöhnend zu praktizieren.
Man darf nicht vergessen, dass sich islamische
und christliche Gruppen in Nigeria oft genug ausgesprochen restriktiv und wenig
menschenfreundlich gegenüber anders denkenden und anders Glaubenden verhalten. Gerade
weil bestimmte, verengende Auslegungen der Scharia und die englische Gesetzgebung
des Landes oft miteinander konkurrieren, ist es wichtig, die religiösen Werte verantwortungsvolles
Menschsein zu betonen. Das gilt für das Christentum wie den Islam in gleicher
Weise. Angesichts von Bedrohungen antwortet der Christ Obiora Ike darum nicht mit
gegengewaltigen Worten etwa unter Berufung auf das Evangelium. Die frohe Botschaft
Jesu Christi lässt ihn in unerschütterlichem Gottvertrauen beim Brechen
der Kolanuss beten:
„Man sagt, ein
Unschuldiger, der sich
keine großen und kleinen
Sünden
hat zuschulden kommen
lassen,
kann die Gewässer
überqueren auf einem Stück Kalebasse.
Und dass es ihre gute
Zunge ist,
mit der die Schnecke
sich über Dornen bewegt ...
Lasse jedes Unkraut, das
uns begegnet,
wenn wir aufbrechen,
uns auf dem Heimweg
berühren.
Es ist kein böses
Unkraut.
Wenn wir hinten sind,
lasse das Böse vorne,
wenn wir vorne sind,
lasse das Böse hinten sein.“
(S. 266f und 268)
Reinhard
Kirste
Persönlicher Beitrag zur "Festschrift für Obiora Ike: "Telling Stories"
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