Sonntag, 6. Oktober 2024

Die Kirche St. Peter und Paul in Wormbach (Sauerland) - Besonderheiten

Im März 1982 veröffentlichte der damalige Leiter der Sternwarte Bochum Heinz. Kaminski (1921–2002) die erste Studie über die Tierkreiszeichen in der Pfarrkirche von Wormbach mit einer astronomisch-vorchristlichen Interpretation. Mehrfach versuchte er, die Arbeitshypothese der ersten Studie zu erhärten, nämlich, dass der Tierkreis eine einmalige Erscheinung ist und hierdurch der Raum Wormbach im Sinne der Kultstätten-Kontinuität eine besondere frühgeschichtlich-kultische Herausforderung erfährt.1 Der Heimatforscher Elmar Hartmann aus Hohenlimburg widersprach ihm heftig. Unabhängig von diesem damaligen Disput zeigt der Zodiakus eine Ikonografie, die sich nicht nur auf vorchristliche Elemente bezieht, sondern auch Wormbach als Kultplatz erheblich aufzuwerten scheint. Dies bestätigte übrigens auch Hartmann:2  

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(
Dokumentation, 01.05.2012)



 



 

Mond und Sonne mit Frauen- bzw. Männergesicht

 

 

Halten wir fest: Die Ausmalung des Gewölbes, einschließlich der Gewölbeschlusssteine, erfolgte mit erstaunlichen Kenntnissen der Astronomie, und zwar in gekonnter Anlehnung an die Äquinoktien (Frühlings- und Herbstanfang) und an die Solstitien (Sommer- und Wintersonnenwende). Das wird besonders deutlich am Ostjoch-Gewölbeschlussstein durch das Männergesicht in der Sonne und das Frauengesicht in der Mondsichel. Der Mann schaut in Blickrichtung Fische, dem Frühlingspunkt im Jahre 1200 n. Chr., die Frau schaut in Blickrichtung Wassermann und somit in die Bewegungsrichtung des Frühlingspunktes.

(\ Bild links)

 

 


Rätselhaft ist die Linie, die den gekrönten Mann des Westjoch-Gewölbeschlusssteins mit der Waage verbindet. Sie kennzeichnet vielleicht die extreme Position, die der Ostervollmond einnehmen kann.

                                Mann mit Waage

Die gesamte Ausmalung mit dem Tierkreis, verbunden mit den Darstellungen der Apsis weisen nun mit der Ostrichtung der Kirche auf die christliche Heilsbotschaft hin. So wird selbst die Auferstehung und das Jüngste Gericht durch Aufnahme vorchristlicher Elemente zum Zeichen, wie sich das Christentum in eine vorchristliche Religion hinein inkulturiert und sich dabei selbst und auch die Vorgängerreligion verändert.

Geografisch ist auffällig, dass bei Wormbach das Plateau der Egge mit der pyramidenförmigen Bergkuppe der Hardt eine Einheit bildet. Jeweils am Tage des Frühlings- und Herbstanfangs geht die Sonne über der Spitze er Hardt auf. Da Wormbach auf der gleichen geographischen Breite wie Stonehenge liegt, kam bei manchen Forschern die Hypothese auf, dass Leute aus dem Raum Wormbach irgendwie auch mit Stonehenge zu tun gehabt haben müssen. Aber wenn ja, wie? Diese Frage lässt sich wohl nicht mehr historisch gesichert beantworten.

Und noch eine Auffälligkeit soll angesprochen werden: In Wormbach treffen sich sog. Totenwege. Die Ortsnamen wie Bestwig = "bester Weg", Halbeswig = "halber Weg", oder Halberbracht = "halb gebracht" erinnern an die uralten Pilgerwege, auf denen man früher die Toten weit weg von ihrem Sterbeort zur letzten Ruhe geleitete.4 Vielleicht fürchtete man damals noch die „Wiedergänger“, die dann an den Ort ihres Ablebens zurückkommen wollten. Der Wormbacher Friedhof fasziniert übrigens durch die Gleichförmigkeit seiner Holzgrabkreuze.

Ist das Zusammentreffen von geografischen Besonderheiten, Totenritualen Himmelszeichen und dem Tierkreis in Wormbach nur ein erstaunlicher Zufall, der im 12./13. Jahrhundert Gestalt annahm oder steckt mehr dahinter?


Dom in Worms – Westtürme

Eine Untersuchung aller urkundlich erwähnten Namen Wormbachs zeigt, dass sich die Hauptsilbe "worm" fast nie geändert hat. Damit hat Wormbach den gleichen Wortstamm wie Worms. Für Worms haben aber Sprachwissenschaftler die Ableitung des Namens von Borbet-O-Magus = Borbet, Worbede, Warbede, d.h. den Bezug zu den drei Göttinnen oder „Drei Matronen“5  nachweisen wollen. Immerhin befinden sich im Wormser Dom diese Drei, bekannt als „Bethen“, mütterliche Göttinnen, die nun mit christlichen Heiligen identifiziert werden: Ambeth ( = Anna), Wilbet ( = Katharina) und Borbet (= Barbara).6 Diese Göttinnen sind wohl auch im Sauerland bekannt (gewesen), vielleicht als „Nachkommen“ der „Nornen“.7 Man kann also nicht ausschließen, dass Wormbach in vorchristlicher Zeit eine Kultstätte, vielleicht sogar der Sonnen- und Mondverehrung gewesen ist.


In und um das landschaftlich reizvoll liegende Wormbach bleiben viele Fragen offen, aber vielleicht macht das gerade den Zauber aus, diesen Ort unmittelbar auf sich wirken zu lassen und eine Zeitreise in die Vergangenheit anzutreten, in der das Christentum erst nach und nach wirklich im Sauerland Fuß fasste.

Anmerkungen

1)      Heinz Kaminski: Wormbach – eine vorgeschichtliche Sonnenwarte in Westfalen  / Der Tierkreis in der Kirche St. Peter und Paul in Wormbach. Bochum 1984, 56 S., Abb. und ausführlich: Ders.: Die Götter des Landes Vestfalen. Der Wormbacher Tierkreis – Schlüssel zur keltisch-Germanischen Kultstätte. Fredeburg: Grobbel 1988

2)      Elmar Hartmann: Die St. Peter und Paul-Kirche in Wormbach und die Symbolik ihrer spätromanischen Ausmalung. Eine Auseinandersetzung mit Heinz Kaminski. In Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau (Hg.): Heilige Plätze – heilende Plätze. Iserlohner Con-Texte Nr. 10 (ICT 10). Iserlohn 1991, S. 6 – 20

3)      Hartmann, aaO S. 10

4)      Zum Soester Totenweg: http://www.ebbinghof-live.de/heiligenhaeuschen_wegekreuz/soester_totenweg.php, umfassender: Deutschlandradio: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/sonntagsspaziergang/957496/
(abgerufen 16.04.2012)

5)      http://de.wikipedia.org/wiki/Matrone (abgerufen 16.04.2012)

6)      http://eichfelder.de/worms/w_sagen/bethen/bethen.html (abgerufen 16.04.2012)

7)      http://www.varunaholzapfel.de/nornen.html (abgerufen 16.04.2012)

 

Reinhard Kirste

Relpäd/Tierkreis Wormbach, 01.05.12










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