Freitag, 27. April 2018

Der Koran und die Frauen

Dieses Thema wird in der gegenwärtigen Debatte sehr intensiv und meist kontrovers behandelt. Vom Koran und seinen Auslegungsvarianten bis hin zu theologischen Debatten zwischen Fundamentalisten, Konservativen und Reformern lassen sich viele Verstehenszugänge eröffnen.
Hier einige Schwerpunktthemen:


Der Koran und die Frauen
Cover des Buches  1985, 2. Aufl.
Mehr zum Buch: hier






CC

Dienstag, 10. April 2018

Religiöse Identitätserweiterung im Sinne des Johannesevangeliums

Wir haben einander noch so viel zu sagen
Im Johannes-Evangelium betont Jesus, dass in dem Hause seines göttlichen Vaters viele Wohnungen sind (Joh 14,2). Auch für die Jüngerinnen und Jünger ist dort der entsprechende Platz, den Jesus mit seinem Weggang zum Vater entsprechend herrichten möchte. Das heißt aber auch, dass dort noch andere sein werden, und zwar all jene, die den göttlichen Geist wirken lassen wollen, ohne ihn in irgendeine dogmatische Bahn zu lenken. 
Das erinnert unmittelbar an die Gespräch des Phärisäers Nikodemus in
Johannes 3. Dort heißt es: "Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen sehr genau, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er weht. So ist nämlich ein jeder, der aus dem Geist geboren ist" (Joh 3,8).

Es geht hier also darum, die Unverfügbarkeit des Geistes ernst zu nehmen. Der Nachweis einer wahren von Gott geprägten Geistes-Identität setzt eine Offenheit voraus, die vorgegebene Grenzen überschreitet. Das tut schon Nikodemus, indem er Jesus aufsucht, den er eigentlich auf Grund seines religiösen Moralkodexes gar nicht aufsuchen darf. Allerdings scheut er noch das Licht, also die Offenheit des Tages. Aber immerhin: Auch Nikodemus fängt an, sich neu zu verstehen, indem er sein Verhalten in Jesus spiegelt. Damit fängt er schon an, ein anderer zu werden. Das Auge kann sich ja  nicht selbst sehen, oder schärfer gesagt: Nur wer das Andere sucht, das oft genug das Fremde ist, findet das Eigene.
Einen wirklich spannende Erklärung gibt das Lexikon zur Herkunft des Ausdrucks "Identitätsnachweis". Es wird beschrieben, dass das Wort ursprünglich aus dem Zollwesen kommt und den Nachweis bezeichnet, dass Waren, die mehrmals die Grenze überschreiten (z.B. durch Bearbeitung und Veredlung), dieselben geblieben sind.
Um also wahrhaft Christ oder Christin zu sein, sind nach dieser Definition offensichtlich Grenzgänge und Grenzüberschreitungen nötig. Im anderen Fall wäre Christsein etwas Statisches, Unveränderliches, also letztlich Erstarrtes und Totes. Darauf hat schon Paul Tillich hingewiesen. 

Vgl. seine Dankesrede  anlässlich der Überreichung des Friedenspreises
des Deutschen Buchhandels 1962, S, 7-12: "Grenzen": hier


Jonathan Magonet, ehemaliger Direktor des Leo Baeck Colleges in London, hat von den Risiken gesprochen, die diejenigen eingehen, die sich auf interreligiöse Begegnungen ohne Vorbedingungen einlassen [1]:
»Was ist effektiv geschehen? Eine neue Weise der Trennung ist in der Welt durch das Wachsen des Dialogs geschaffen worden. Sie besteht zwischen denen, die den Dialog erfahren haben und dadurch verändert wurden und jenen, denen dies nicht geschah ... Wie der Prophet Jesaja, dessen Mund durch reinigende Kohle berührt wurde (Jes 6,7), so sind die, die die Erfahrungen des Dialogs gemacht haben, Vermittler zwischen zwei Herrschaftsbereichen (Domänen) geworden, beiden gegenüber verantwortlich, aber möglicherweise immer von beiden missverstanden«.
Das ist das Risiko der Grenzgänger, die wagen, über den eigenen Tellerrand zu blicken, mehr noch hinauszugehen, um sich auf Grund religiöser Vielfalt für den eigenen Glauben erweitern und bereichern zu lassen.
Mit anderen Worten ließe sich Christsein auch als dialogische Existenz beschreiben, d.h. in der Begegnung mit dem Anderen werden nicht Monologe nebeneinander gehalten, sondern es gibt Bewegung hin und her. Das "Tückische" dieser Bewegungen ist jedoch wie beim Wind: Das Sausen ist wohl zu hören, aber woher es kommt und wohin es geht, lässt sich nicht im Vorhinein feststellen.
Im Blick auf eine pluralistische Weltsituation, entsteht die Herausforderung für Christinnen und Christen, die menschliche Vielfalt als positive Möglichkeit zu entdecken. Dazu gehören auch die Religionen. Nicht nur um gegenseitige Information geht es dann, sondern um Begegnung. Und diese Begegnung verändert. Sie belässt mich als Christen, aber nach der Begegnung bin ich ein anderer - und doch Christ, ergänzt durch die Anderen. Ich möchte das die Komplementarität eines dialogischen Glaubens nennen.
Kritische Geister (ob denn wirklich erfüllt vom Heiligen Geist, lassen wir einmal dahin gestellt) wittern hier "Synkretismus", ein Wort das in der protestantischen Theologie allzu oft den Geschmack der Vermischung von etwas hat, das eigentlich nicht vermischt werden darf. Und dies, obwohl uns die Religionswissenschaft versichert, dass faktisch alle großen Religionen synkretistisch sind. Sie speisen sich mannigfach aus dem religiösen Grundwasser ihrer Vorgänger und aus den Zuflüssen andersgläubiger Zeitgenossen.
Aber das Vorurteil hält sich hartnäckig: Synkretismus ist Verrat am wahren Christentum. Doch das Christentum hat sich immer wieder verändert und reformiert. Es hat sehr unterschiedliche Züge angenommen, wie sich z.B. an westlichen und östlichen Prägungen der christlichen Traditionen sehen lässt. Darum meine ich: Nur Religion, die zur Revision fähig ist, bleibt lebendige Religion.
In der Offenheit, die der Heilige Geist nach dem Johannesevangelium symbolisiert und die sich in der Person des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus realisiert (aber offensichtlich keineswegs in ihm allein konzentriert), spricht sich Weisheit aus. Diese Sophia – es sei das Wortspiel erlaubt – ist nicht nur konkret, sondern synkret. Der Heilige Geist ermutigt und tröstet: Jesus sagt: »Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden « (Joh 16,7-8). Der Heilige Geist dient also zur Identitätsstärkung der verlassenen Jünger und macht zugleich ihr eigenes Glaubensverständnis und damit ihre eigene Identität umfassender und weiter.



[1]  J. Magonet: Beim interreligiösen Dialog Risiken eingehen.
In: R. Kirste, P. Schwarzenau, U. Tworuschka (Hg.): Interreligiöser Dialog zwischen Tradition und Moderne.
Religionen im Gespräch, Bd. 3 (RIG 3). Balve: Zimmermann 1994, S. 108


 Überarbeiteter Text aus:
 Reinhard Kirste: Die Bibel interreligiös gelesen. Interkulturelle Bibliothek, Bd. 7.
Nordhausen: Bautz 2006, S. 121-122


© Reinhard Kirste



Freitag, 6. April 2018

Lebendige Hoffnung - Anmerkungen zu 1. Petrus, Kap. 1,3-9

Lebendige Hoffnungskraft
Immer wieder hört man den Spruch: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Und wie oft sind Hoffnungen zerbrochen - im privaten Leben, aber auch was die furchtbaren Kriege betrifft, die derzeit viele Länder heimsuchen. Gewaltmenschen zerstören die Hoffnungen von Millionen.
Der Petrusbrief spricht jedoch von einer lebendigen Hoffnung, einer Hoffnung, die eben zuletzt nicht stirbt, sondern bleibt. Das ist deshalb schwer zu verstehen, weil scheinbar die letzten Hoffnungen an der Pforte des Todes zerbrechen.
Offensichtlich gibt es jedoch auch Hoffnungen, die trotz unsäglichen Leidens und Todesbedrohung weiterwirken.

Der österliche Christus als Grund der christlichen Hoffnung
Der Briefschreiber sagt, dass es für solche Hoffnungen einen Grund gibt. Dieser Grund der Hoffnung ist Jesus Christus. Der Mann aus Nazareth hat sich nicht in das Leiden gedrängt, er ist ihm allerdings auch nicht ausgewichen. Das hat ihn schließlich den Kopf gekostet.
Seine Jünger und Jüngerinnen machten nach seiner Kreuzigung eine erstaunliche Erfahrung. Der Totgeglaubte lebte, er erschien ihnen und tröstete sie, gab ihnen neue Hoffnung.
Vgl. Maria Magdalena (Joh. 20,11-18), Hinter verschlossenen Türen (Joh 20,19 - 23),
Der ungläubige Thomas (Joh 2 20,24-29), Erscheinung am See Genezareth (Joh 21,1-14).


Was sich wirklich zwischen der Kreuzigung Jesu und seiner Auferstehung abspielte, wissen wir nicht, aber wir wissen, dass die österlichen Begegnungen mit Jesus den Entmutigten wieder neue Kraft gaben.

Die Taufe als Hoffnungssymbol
Im christlichen Glauben gibt es für diese Hoffnung ein schönes Symbol: Die Taufe
Der Sonntag Quasimodogeniti - auf Deutsch: Gewissermaßen als die neu geborenen Kinder - ist der alte Taufsonntag der Kirche. Er macht diese lebendige Hoffnung besonders deutlich.
Unser irdisches Leben ist in die Pole von Geburt und Tod geradezu eingezwängt.
Mit der Taufe wird jedoch ein neues Leben angekündigt, das schon im irdischen Leben beginnt und über den Tod hinausgeht.

An der Hoffnung festhalten
Das kann man allerdings nicht beweisen, aber es ist zumindest eine ermutigende Hoffnung. Ich denke, dass es sich dadurch etwas leichter leben lässt. Im Hebräerbrief (10,23) heißt es sehr schön:
Lasst uns an dem Bekenntnis der Hoffnung festhalten und nicht wanken, denn zuverlässig und treu ist der, der uns eine solche Verheißung gegeben hat.
Diese Hoffnung ist kein Gutschein, den wir nach dem Tod gewissermaßen einlösen können, ist vielmehr die Möglichkeit, gegen Leiden und Tod ermutigend praktisch zu leben.
Ich gebe zu, das ist wahrhaftig nicht einfach. Denn ein versprechen wartet auf Einlösung. Und diese Einlösung haben wir noch nicht.

Die Hoffnung "tun"
Es kommt also darauf an, wie wir als Christen die Hoffnung "tun". Nicht umsonst sagt Jesus in der Bergpredigt: Glücklich sind diejenigen, die den Frieden tun. Wir können angesichts von Gewalt und Todes nicht irgendeine Hoffnung produzieren, aber wir können diese Hoffnung versuchen, glaubwürdig leben. 
Die zunehmende brutale Gewalt in unserer Gesellschaft, aber auch die im Nahen Osten und Afrika erbarmungslos geführten Kriege, können einen schon manchmal verzweifeln lassen.
Konkrete Zeichen der Hoffnung
Deshalb ist es wichtig, dagegen Zeichen der Hoffnung zu setzen, Orte zu schaffen, wo die Verfeindeten doch wieder aufeinander hören können. Unsere Kirchen haben hier ein besondere Verantwortung. Wenn wir auf den Hass in der Gesellschaft, in den sozialen Medien nur wütend reagieren, ist nichts gewonnen - im Gegenteil. Wenn wir aber gegen die Hass- und Gewaltmentalität immer wieder Angebote des Gesprächs und der Versöhnung machen, machen wir die lebendige Hoffnung glaubwürdig. Machen wir uns klar: Wo Beschimpfung, Hassmails, Mobbing, Verdrehung der Wahrheit, Fake News und Hetze zum Normalfall werden, nimmt die Gewaltspirale nur weiter zu.

Auf Hoffnung ausgerichtet sein
Der Petrusbrief macht uns klar, wir sind zur Hoffnung bestimmt, dafür steht Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene. Mit einer solchen Hoffnung sind wir ermutigt, in dem uns möglichen Rahmen Frieden zu schaffen. Und das fängt bei den kleinen Alltäglichkeiten an. Die Verkündigung einer lebendigen Hoffnung, das ist die Botschaft von Ostern. Diese Botschaft nimmt konkrete Sprache an durch uns, durch unsere Worte und Taten.

Die Menschlichkeit Gottes als Aufruf zum Hoffnungshandeln
Es ist eine Hoffnung, die die Zukunft nicht von menschlichen Kraftanstrengungen erwartet. Das bedeutet allerdings nicht, die Hände in den Schoß zu legen und das Leiden in der Welt zu bejammern. Wir sind vielmehr eingeladen aufzustehen und dem tiefen Geheimnis dessen nachzuspüren, was die Welt im Innersten zusammenhält: die Menschlichkeit Gottes, von der uns Jesus Christus erzählt hat. Sie ermutigt uns, bewusste Zeichen der Hoffnung zu setzen, Menschen zu trösten und in schweren Stunden zu begleiten.


Reinhard Kirste