Donnerstag, 15. Februar 2018

Hasan Askari: The Charter of Spiritual Humanism - Die Charta des spirituellen Humanismus 1995

Hasan Askari (1932-2008)

Wenn wir uns einander zuneigen
als beseelte Wesen,
dann beugen wir uns in Wahrheit
zum Herrn unserer Seelen.
Lasst uns einander 
als beseelte Wesen
in Frieden, Dienst und Tugend grüßen.
Lasst uns – 
einer vom Anderen Inspiration erfahren, 
indem wir unsere höhere Natur betrachten.
Lasst uns voneinander
und von unserer jeweiligen Tradition
Erfahrung und Weisheit lernen.

                               


Einleitung
1.    Wir fordern in dieser Stunde unserer Geschichte eine Schule des Denkens, die eine klare Neuformulierung der menschlichen Identität als eines universalen und spirituellen Prinzips herstellen kann, die auf der klaren Überzeugung beruht, dass es eine solche Realität wie die menschliche Seele gibt, die mehr ist als ihre körperliche und kulturelle Form. Spiritueller Humanismus ist eine solche Neuformulierung.
2.    Durch das Kriterium der Universalität und Spiritualität berühren wir jene Reinheit des menschlichen Wesens, welche das Zentrum jeder religiösen Inspiration ist, auch wenn sie durch ihre dogmatischen und exklusivisti­schen Ausdrücke verdunkelt ist. Durch die Kriterien der Universalität und Spiritualität berühren wir jenen Adel des menschlichen Wesens, welcher das Streben des säkularen Humanismus ist, auch wenn dieser durch seine halsstarrige Zurückweisung der metaphysischen Natur jenes Wesens verkrüppelt wurde.             
Wir fordern eine solche Schule des Denkens, die diese Begrenzungen überwinden kann und den Weg für jene Perspektive der Humanität bereitet, die universale Relevanz hat und die zu universaler Hoffnung und universalem Vertrauen inspirieren kann. Nur eine solche Schule des Denkens kann jenes weite ideologische Vakuum füllen, das aus dem Kollaps mehrere säkularer und religiöser Doktrinen und Ansprüche hervorgegangen ist.
3.    Humanität hat die Wahl, entweder für eine schlaffe und krankhafte Konzeption ihrer selbst zu optieren oder für einen ganzheitlichen und aktiven Universalismus mit klarer spiritueller Begründung. Solch eine Wahl wird durch spirituellen Humanismus erreicht.             
Es ist nicht die Wahl zwischen religiösem Fundamentalismus und Säkularismus, denn jene Wahl ist partiell und negativ. Beide Annäherungsweisen vergegenwärtigen sehr schlecht die umfassende humane Realität. Der religiöse Fundamentalismus verhält sich so, als gäbe es weder religiöse Verschiedenheit noch universale Einheit der menschlichen Seele. Er resultiert aus faschistischem Exklusivismus und ideologischem Obsku­rantismus. Säkularismus, der beansprucht, aus dieser Situation zu erlösen, reduziert die menschliche Realität auf ihr Material und ihre sozialen Notwendigkeiten und ignoriert die weite Suche nach Bedeutung und Identität. Ob jemand religiösen Fundamentalismus oder Säkularismus wählt, immer wählt er/sie eine deformierte und verkrüppelte Humanität. Nur durch spirituellen Humanismus optiert jemand für seine/ihre Ganzheit als spirituelles Wesen.
4.    Demokratie und freie Ökonomie können als solche nicht das ideologische Vakuum der gegenwärtigen Stunde füllen. Die multi-nationalen Imperien mit massiver Kontrolle über die Medien und den Weltmarkt haben bereits die freie Ökonomie in einen leeren Slogan und Demokratie in schiere ökonomische Übereinkunft verwandelt. Mit dem freien Markt als einzigem empfehlenswerten Modell und wachsenden multi-nationalen Unternehmungen als definitiv für das neue globale ökonomische System riskieren die wenig entwickelten Länder vollständige Marginalisierung und absolutes Elend, während die arbeitenden Klassen im allgemeinen sich selbst mehr und mehr abhängig von den globalen Umständen fühlen, die jenseits ihrer Kontrolle liegen. Diese weite Szenerie der Unsicherheit und Verzweiflung ist weiterhin durch das reaktionäre Aufsteigen von Ethnozentrismus und religiösem Fundamentalismus verdunkelt, die so einen Albtraum schaffen, der gegenwärtige Bedrängnis mit dunklen Erinnerungen einer verflossenen Vergangenheit mischt. Ein unendlicher Schrei kann aus der Tiefe der Herzen von Millionen von Menschen als ein Zeichen der Hoffnung gehört werden.
5.    Der Wohlfahrtsstaat als politischer und ökonomischer Ausdruck des säkularen Humanismus zeigt nicht nur die unausgewogene Balance der laufenden globalen Ökonomie auf, sondern mündet auch in ein spirituelles Vakuum, das durch das Hervorkommen der Massengesellschaften mit weitverbreiteter Entfremdung und Apathie, Einsamkeit und Bedeutungsverlust verdunkelt wird. Diese Leere des Herzens ist die Wildnis, die der Drache des sich selbst verabsolutierenden Technokratie und Informationstechnologie für seinen Herr­schaftsanspruch erstrebt.
6.    Wir fordern eine Schule des Denkens, die eine universal relevante ideologische Alternative herstellt, die auf einer solchen Konzeption von Humanität aufgebaut ist, die beides, ökonomische und spirituelle Not­wendigkeiten, einschließt. Solch eine Konzeption ist möglich, indem man den Diskurs über die Seele als den gemeinsamen Grund des Seienden für jede Art der Humanität, allen Lebens und des Universums wiederherstellt. Eine seelen-orientierte Kosmologie und Anthropologie kann die Begründung für eine wahrhaft universale und spirituelle Rekonstruktion der menschlichen Ordnung erreichen.
7.    Niemand soll sagen, dass die Wiedereinführung der Idee der Seele uns „anderweltlich“ macht. Die Seelen-Kenntnis ist auch für diese Welt gemeint, für die Transformation dieser Welt. Beides, Frieden und Wohlfahrt, Tugend und Erleuchtung hängen von der Weite und der Stabilität unserer Seelen-Kenntnis ab.
8.    Niemand soll auf den Körper als etwas Übles herabsehen. Der Körper ist eine wunderbare Schöpfung der Seele, von der er seine Lebenswärme, seine Schönheit des Gesichts und der Hände, die Gnade seiner Bewegungen, die Strenge seiner Arbeit und die Leichtigkeit seiner Ruhe erhält. Solch ein köstliches und kostbares Gefährt verlangt Respekt und Fürsorge. Man sage nicht in unbedachtem Glauben, dass, wenn die Seele so all-bedeutend ist, dass es da keine Notwendigkeit gäbe, solche Anstrengung dem Körper ange­deihen zu lassen. Für eine bestimmte Absicht haben unsere Seelen diese Körper gewählt, und wenn wir nicht unsere Seelen-Kenntnis vervollkommnen, wird diese Absicht nicht unser Verstehen erhellen können.
9.    Unsere Kenntnis der Seelen-Realität und Unsterblichkeit sollte uns jene Freiheit von Furcht bringen, die sich allein dem Mut anschliesst zu versuchen, unser soziales und spirituelles Leben in dieser Welt zu rekonstruieren. Es ist das Wissen, dass uns gesammelt erhält und uns in unseren friedvollen Protesten gegen und in festgelegter Konfrontation mit solchen Ideologien und Mächten beruhigt, die den menschlichen Geist unterdrücken und versklaven. Spiritueller Humanismus erfordert so gegenseitiges Gewahrwerden zu unserem Teil als Seelen-Wesen in unser Vision und Realisation einer neuen Weltordnung.

DIE CHARTA DES SPIRITUELLEN HUMANISMUS
1.  Wir sind Seelen-Wesen
1.1. Spiritueller Humanismus ist eine Weise des Gewahrwerdens, durch das wir auf uns selbst und auf die anderen Seelen-Wesen blicken.
1.2. Als Seelen-Wesen ist man mehr als physische Form, Geschlecht, Alter und Rasse.
1.3. Als Seelen-Wesen transzendiert man die eigene kulturelle und religiöse Identität und weiss sich selbst als ein universales Wesen mit universalen Werten und Rechten.
1.4. Als Seelen-Wesen ruht der Wert des einzelnen auf der Selbsterkenntnis mehr als auf äusseren Be­sitztümern, Status oder Rolle.
1.5. Als Seelen-Wesen ist man beides, eine Seele und alle Seelen, ein Individuum und die ganze Menschheit, verbunden in einer universalen Sympathie. Nun hat man Wesensverwandtschaft mit allem Leben und allen Wesen.
2.  Als Seelen-Wesen haben wir gegenseitige Rechte
2.1. Als Seelen-Wesen haben wir gegenseitige Rechte der Begrüßung, der Wahrnehmung, der Anerkenntnis und des Mitleidens.
2.2. Als Seelen-Wesen haben wir gegenseitige Rechte wie in einer Gemeinschaft. Kein Seelen-Wesen ist dem andern ein Fremder, und jedermann hat das Recht zur Gastfreundschaft, gegenseitiger Zuflucht und Kameradschaft.
2.3. Da wir alle miteinander in einer selbst-sympathetischen Ganzheit des Lebens verbunden sind, sind unsere gegenseitigen Rechte ein Ausdruck unserer Einheit und unseres gegenseitigen Vertrauens.
3.  Unser Recht auf Universalität
3.1. Die Quelle aller Menschenrechte ist das Recht auf Universalität, so dass keines unserer Rechte auf der Basis irgendeiner exklusiven Definition unserer Identität bewertet oder beiseitegesetzt wird.
3.2. Das Recht der Universalität ist das unveräußerliche Eigentum jedes Wesens als eines     
universalen spirituellen Wesens.
3.3. Mit dem Auftrag unser Recht auf Universalität durchzusetzen, müssen wir zuerst unsere wahre Identität aus den Klauen solcher Tradition oder Indoktrination einfordern, die uns auf eine Art Halbwesen reduziert. Jede Ebene unterhalb der Universalität ist eine Ebene unter der Humanität.
3.4. Das Recht zur Universalität ist das Recht, Selbst-Erkenntnis frei und liebvoll zu verfolgen. Es ist die Basis all unserer Freiheit und wirklicher Sicherheit.
4.  Universalität ist wahre Freiheit und Sicherheit
4.1. Je höher wir auf der Leiter des Lebens steigen, umso universaler werden wir. Jede Reduktion in unserer Universalität bedeutet, auf der Leiter tief abzusinken. Wenn die Menschen danach streben, eine hohe Ebene des Lebens zu erreichen, dann sollten sie diese hohe Ebene in ihrer universalen Vision reflektieren.
4.2. Je höher wir auf der Leiter der Universalität aufsteigen, desto grösser ist unsere Freiheit. Die wirkliche Freiheit ist nicht nur die Wahl einer Idee mit Respekt oder eine Handlung, sie enthält auch unsere Wahl für eine höhere Form des Lebens. Universalität ist verstehendes Leben und wahre Freiheit.
4.3. Unsere Freiheit ist ein Maß für unser Verständnis von Sicherheit. Wie kann es sein, dass jemand, der einer oder einer anderen exklusiven Identität anhängt, ein größeres Verständnis von Sicherheit haben könnte als jemand, der ein universales Seelen-Wesen ist? Während jemand der konstant einer engen Identität verbunden ist, vor dem Anderen Furcht hat, der ähnlich exklusivistisch ist, ist derjenige, der eine solche Identität nicht hat, frei von jeder Furcht. Unsere Furchtlosigkeit ist das Maß unseres Verständnisses von Sicherheit und Freiheit.
4.4. Unsere Anbindung an die eine oder andere exklusive Identität gibt uns nicht nur mehr Furcht und weniger Freiheit, sondern bringt auch Degeneration und Abfall von unserem freien und frischen Geist. Warum ist es so, dass die Einzigartigkeit unseres Gesichts und unserer Hände nicht genügend bedacht wird? Warum sollten wir uns selbst mit einem falschen Verständnis der Zuflucht und Sicherheit in dem einen oder anderen Zeichen oder Symbol betäuben? Wir schwächen unsere Seelen-Gegenwart in uns bis zu einem solchen Grad, dass sie sogar nach dem Tod nicht genug Stärke hat, ihre Flügel  in die neue Atmosphäre des körperlosen Wesens hinein auszubreiten.
5.  Als Seelen-Wesen sind wir universal verantwortlich
5.1. Da wir mehr als ein Körper sind, sind wir überall im Geiste gegenwärtig, beides ist in uns versam­melt und ausgebreitet.
5.2. Da wir universal gegenwärtig sind, sind wir universal verantwortlich für das, was immer in der Welt geschieht. Dieses Verständnis von Verantwortung ist eines der Bewusstwerdung, dass nämlich jeder Gedanke, jede Geste und Handlung, die wir ausführen, sich auf unsere Mitmenschen und auch auf das Leben von Tieren und Pflanzenwesen auswirken.
5.3. Was immer wir sind, ist nicht eingegrenzt, sondern hat an allem teil. Mit jeder Handlung, die gut ist, lassen wir das Gute in der Welt anwachsen. Nach demselben Prinzip - jeder Handlung von Ressentiment und Ärger, auch wenn sie ganz gewöhnlich ist, lassen wir die überall vorhandene Gesamtheit der Negativität anwachsen. Mit unserem Egoismus und Stolz können wir diese kleine negative Energie hinzufügen, die von jemanden irgendwo anders herangezogen wird, um seinen Geist darauf einzurichten, einen massiven Akt von Destruktion zu begehen. Die Negativität der sogenannten gewöhnlichen Leute geht unbemerkt vorbei, verschwindet aber nicht. Sie wird von jenen zu globalen Proportionen aufgebläht, die die Macht haben. Die Tat der Humanität ist eine Tat. Die Humanität ist eine unteilbare Psyche. Jeden Moment können wir das Gesamt des Menschlichen stärken oder stören.
6.  Als Seelen-Wesen ist unsere Absicht unsere Tat
6.1. Im Augenblick, wo wir uns unserer selbst als Seelen-Wesen bewusst werden, haben wir schon universal gehandelt und haben so dazu beigetragen, die Ebene des überall vorhandenen Bewusstseins der gesamten Humanität zu erhöhen. Unsere Absicht ist unsere Tat.
6.2. Da es weder Entfernung noch irgendwelche Barrieren im Reich der Ideen der Einheit gibt, wird seine Kommunikation unverzüglich und universal. Mit Respekt gegenüber jenen, die noch innerlich in der einen oder anderen exklusivistischen Identität gefangen sind, müssen wir unseren Willen nach Universalität ebenfalls in sichtbaren und darüber hinaus gehenden öffentlich zu kommunizierenden Begriffen ausdrücken.
6.3. Universale Aktion fordert, dass wir alle exklusivistischen und ethnozentrischen Haltungen bemer­ken, wo und wann sie auftreten, und dass wir ihnen in öffentlicher Kritik und öffentlichem Protest entgegentreten. Universale Aktion erfordert universale Solidarität der menschlichen Gemeinschaft durch gegenseitige Kontakte, Verbindungen und Taten.
7.  Wir sind unsterbliche Wesen
7.1. Als Seelen-Wesen sind wir unsterblich. Wir können nun ohne Furcht Krankheit und Tod, jeder Not und jedem Unglück entgegensehen.
7.2. Als unsterbliche Wesen können wir nun ohne Furcht die Wahrheit sagen, für Frieden und Gerechtigkeit aufstehen und uns jeder Form von Unterdrückung und Ausbeutung widersetzen.
7.3. Als unsterbliche Wesen sind wir frei und unverrückbar bezogen auf die Tatsache, wo wir sind und wie wir sind. Wir haben nun die Freiheit, unseren inneren Status zu wählen.
7.4. Als Seelen-Wesen gehen unsere Absichten weit hinter das individuelle Leben des einzelnen. Als Seelen-Wesen ist unser Leben nicht innerhalb der Grenzen von Geburt und Tod abgesteckt. Unser Leben umfasst weite Welten und Zeiten. Als Seelen sind wir älter als das Universum.
7.5. Wir sind Seelen innerhalb von Seelen, die in ihrem Netz das Universum halten, als wenn die Zeit von der Ewigkeit gefangen gehalten würde, als wenn der Raum weit weg fliegen würde in Furcht vor der Omnipräsenz der Seele. Nicht die Seele ist im Körper, sondern der Körper ist in der Seele.
8.  Der Körper ist das Instrument der Seele
8.1. Seelen sind ohne Masse oder Größe, Körper oder Form, ohne Dimension und Ort. Sie sind keine Mischung, die aus anderen Elementen als „Seele“ gemacht sind. Sie sind eine einfache Einheit ohne Teilung.
8.2. Von der Seele erhalten wir Leben und Wille, Bewegung und Wahrnehmung. Durch die Seele haben wir Selbst-Bewusstsein und Erkenntnis dessen, was körperlich und formlos ist.
8.3. Die Seele benutzt den einen oder anderen Körper für bestimmte Aufgaben. Ein Körper stirbt oder ein Instrument ist nicht länger nützlich. Die Seele bewegt sich ohne Notwendigkeit irgendeines Instrumentes nach oben, oder sie übernimmt die Funktion für ein anderes Instrument, wenn dessen Arbeit noch unvollendet ist.
8.4. Was die Seele als Vehikel beschäftigt, ist sie in sich selbst eine wunderbare und wertvolle Schöpfung. Von daher sollten wir unsere Körper mit Freundlichkeit, Fürsorge und Dankbarkeit behandeln.
8.5. Komplexer ist das Instrument, tiefer ist die Absicht der Seele. Mit dem menschlichen Verstand erreicht das Instrument einen hohen Grad von Komplexität, die auf die Absichten der Seele zeigt, die tiefer und universaler werden.
8.6. Mit dem menschlichen Verstand, der von einem Schein des Selbstbewusstseins umgeben ist, kündigt die Seele ihre Gegenwart an, obwohl sie hinter einem undurchsichtigen Schleier des Ego verborgen ist.
9.  Das Ego als der Repräsentant der Seele
9.1. Unsere Möglichkeiten sind auf Kräften aufgebaut, die von der Seele abgeleitet sind, wo sie eine Einheit bilden.
9.2. Die Einheit innerhalb der Seele wird im Körper aufgeteilt, der ein einigendes Prinzip erfordert, um die Einheit der Seele zu repräsentieren. Dieses Prinzip ist das Ego.
9.3. Das Ego gibt Einheit den Wahrnehmungen, Identität dem Gedächtnis und Subjektivität der Imagi­nation. Das Ego verwandelt die vereinigende Funktion unter der Führung seiner Verstandes-möglichkeiten, die die Basis für unsere Intelligenz und unser Bewusstsein sind.
9.4. Selbstbewusstsein bezieht Differenzierung des Subjekts vom Objekt ein, des Denkers vom Gedanken, des Selbst von der Umwelt, der Identität und dem Wandel. Unsere Seele steht dieser Differenzierung vor, ebenso den willentlichen Akten und Bewegungen und auch unserer Freiheit.
9.5. All unsere Kräfte und ihre Einheitsvoraussetzungen stammen von der Seele, obwohl wir dahin tendieren, dass Leben und Bewusstsein alle ihren Ursprung im Körper haben und mit ihm verschwinden werden. Die meisten von uns leben unter dieser Illusion.
9.6. Eines der Ziele des spirituellen Humanismus ist, uns an die Gegenwart der Seele hinter unserm Ego erinnern zu lassen, weil wir die Seele mehr als Personalität denn als wahren Grund unseres Selbstseins betrachten. Das Selbstsein ist nämlich die körperlose Realität sogar dann, wenn wir im Körper sind, und noch mehr, nachdem wir unsern Körper hinter uns  gelassen haben.
10.  Individualität als Bestimmung der Seele
10.1. Obwohl jeder von uns beides ist - eine Seele und alle Seelen, ist doch jede Seele in ihrer Indivi­dualität als einzigartiges Wesen.
10.2. Die Einzigartigkeit der individuellen Seele liegt zuerst auf der Basis des kreativen Seelenprinzips, das unbegrenzte Verschiedenheit, und dann eine Anzahl Wahlmöglichkeiten bietet, die jedes Individuum mit Respekt im Blick auf die Form ihrer Ver-Körperung und ihrer Umgebung ansieht.
10.3. Die Einzigartigkeit der individuellen Seele manifestiert sich  weiterhin in ihren Potentialitäten, Dispositionen und Fähigkeiten. Von daher ist jeder als Person einzigartig. Aber das Interesse der Seele ist, uns durch den Schleier unserer Personalität zum eigentlichen Geheimnis des Selbstseins zurückzuführen, das unsere unsterbliche Wesenheit ist.
10.4. Anders als der säkulare Humanismus, der unserer physischen und psychologischen Identität hier Endgültigkeit gibt, ruft der spirituelle Humanismus Unbegrenztheit und Unsterblichkeit der Seele hervor, die unser wahres Leben und Selbst ist. Die Identität des Ego verschwindet mit dem Körper nach seinem Tode, denn das Ego ist nicht länger erforderlich, um die Wahrnehmungen des Körpers zu vereinen und den „Vorsitz“ über das Bewusstsein zu führen, das auf solchen Wahrnehmungen basiert. Nur das individuelle Selbst, welche Ebenen der Erleuchtung es auch immer erreicht hat, überdauert den Körper. Es ist nicht so, dass etwas, was sterblich ist, unsterblich wird. Nur was unsterblich ist, bleibt unsterblich. Was wir fordern ist, von der Hypnose unserer physischen Sinne aufzuwachen und die Brücke zu überqueren, die das Ego mit unserer Seele verbindet, und dann die Welt und uns selbst vom Auge der Seele her zu sehen.
11.  Verschiedenheit ist der Beweis für die kreative Kraft der Seele
11.1. Die weite Verschiedenheit (diversity) von beidem, der physischen Dinge und der Lebensformen, ist ein Beweis, dass ihre Quelle eine metaphysische und formlose ist. Es kann nicht sein, dass ein Körper von einer spezifischen Masse und Größe eine solche unausschöpfliche Verschiedenheit mit sich bringt. Es ist absurd zu vermuten, dass aus einer einheitlichen und unbewussten Sache oder Energie solch eine Mannigfaltigkeit eines multi-formen und selbst-bewussten Lebens hervorkommt. Es kommt die Zeit, da wird Verschiedenheit anerkannt, und das Prinzip der Einheit in der Verschiedenheit bejaht. Jenes Prinzip ist die Seele.
11.2. Jede Sprache mit ihrer besonderen Form der Bedeutungsgehalte, jede religiöse Kultur mit ihrer spezifischen Symbolik, jede Kunst in ihrer mannigfaltigen Kreativität, und jede philosophische Schule mit ihrer Weise des Diskurses und der Dialektik, sie sind alle Orakel der Seele. Verschiedenheit und Entgegensetzung sind Ausdruck der Seelenkräfte, die eines und viele sind. Nur durch die Erkenntnis der Seele können wir beides haben – Kontemplation und Diskurs, Anbetung und Sinn für Nachforschung. Anders als der säkulare Humanismus, der entweder die eine oder andere Komponente der Verschiedenheit wegen seiner materialistischen Schieflage zurückweist oder bloße Toleranz und Freiheit der Äußerung fordert, bejaht der spirituelle Humanismus die Verschiedenheit als ein metaphysisches Zeichen. Bejahung der Verschiedenheit ist Frieden und Abschaffung von Gewalt aus unserem Herz und Geist.
12.  Spiritueller Humanismus und spirituelle Demokratie
12.1. Spiritueller Humanismus mit seiner Bejahung kultureller und religiöser Verschiedenheit führt zu spiritueller Demokratie. Dabei genießt jedes Individuum spirituelle Freiheit und nimmt am kollektiven Leben als ein Seelen-Wesen teil.
12.2. Spirituelle Demokratie beruht auf der Übereinstimmung zwischen den Mitgliedern der Gemein­schaft, dass sie nämlich Seelen-Wesen sind, dass sie gegenseitige Rechte als solche haben und dass sie gegenseitig ihre spirituelle Suche respektieren, die sie frei praktizieren und durch Studium, kreative Arbeit und gegenseitigen Dienst teilen.
12.3. Spirituelle Demokratie bedeutet nicht das Entscheiden metaphysischer Fragen durch Mehrheits­abstimmung und Autorität, sondern ist die Gabe von Erkenntnis im Blick auf jede vernünftige und öffentlich vorgetragene spirituelle Perspektive.
12.4. Spirituelle Demokratie schließt all jene ein, einschließlich säkularer Humanisten, die einen offenen Sinn für spirituelle Angelegenheiten haben und die universalen Menschenrechte hoch­halten.
13.  Spiritueller Humanismus und spirituelle Ökonomie
13.1. Spiritueller Humanismus wird all solche sozialen und ökonomischen Strukturen beseitigen, die das Individuum in einen Sklaven von Mangel, Armut und Furcht verwandeln. Vielmehr wird er  darauf abzielen, Gelegenheiten zu schaffen, die jedes Individuum zur Selbst-Erkenntnis als Seelen-Wesen befähigen.
13.2. Spiritueller Humanismus wird Fundamente einer solchen Ökonomie legen, die beides ist - post-kapitalistisch und post-marxistisch. Er wird freien Markt mit Freiheit von Mobilität und Wohnsitz für jedes Individuum in jedem Teil der Welt kombinieren. Er wird die kollektive Eigentümerschaft von Ressourcen und Wohlstand auf das freiwillige Teilen für das gemeinsame Gut beziehen.
13.3. Spirituelle Ökonomie wird die Erfüllung der gegenseitigen Menschenrechte bedenken. Einer der hungrig und obdachlos ist, hat ein Recht gegen jemanden, der ihm Nahrung und Obdach geben kann. Ein Menschenrecht muss dann und dort erfüllt werden, in Begegnung und Vertrauen von Person zu Person.
13.4. Spiritueller Humanismus hebt die Entfremdung zwischen einem Menschen gegenüber einem anderen wieder auf, und beseitigt ebenfalls die Erfahrung von gegenseitiger Entfremdung, die über Jahrhunderte durch soziale und psychologische Ängste aufgebaut wurde. Spirituelle Öko­nomie, die aus der inneren menschlichen Verwandtschaft als einer Seelen-Einheit erwächst, schaut auf die Zeit voraus, wenn jedermann an jedermanns Tür in irgendeiner Stadt klopfen und nach Nahrung, Obdach und Begleitung fragen kann. Spirituelle Ökonomie ist die Praxis der Gastfreundschaft des Füreinander-Daseins.
13.5. Niemand soll sagen, warum einer den anderen grüßen soll, den er niemals zuvor getroffen hat oder seine Tür einem Fremden öffnen, ohne zu fragen, wer er ist und welche Absicht er wirklich hat, um zu kommen. Jemand, der bereits die Tür zu seinem Herzen geöffnet hat, würde die Erfahrung machen, dass es beim Öffnen der Tür seines physischen Hauses keine Furcht gibt. Wo keine Furcht ist, wird auch keine Furcht eintreten. Wenn jemand weiß, dass einer ein Seelen-Wesen ist, welches Leid kann dann noch irgendein Fremder solch einem Unsterblichen bringen! Lass ihn als Fremden eintreten und als Freund gehen. Er war mit der Erwartung gekommen, dass bei seinem Klopfen an die Tür diese sich öffnen würde. In Wirklichkeit gibt es keinen Fremden. Alle kennen einander in der Einheit ihrer Seelen. Unsere Verkleidung soll uns nicht blind für unsere innere Identität machen. Soweit wie die Logik der Furcht geht, gehört sie zu denen, die noch schlafen und einen Albtraum haben.
14.  Spiritueller Humanismus und Ökologie
14.1. Spiritueller Humanismus beruht auf der Verbindung unserer universalen Einheit mit der Natur. Nur eine universal und spirituell selbstbewusste Humanität kann ein glaubwürdiger Treuhänder der Natur sein.
14.2. Spiritueller Humanismus bedenkt menschliche Existenz und die Strukturen der Gesetze der Natur als eine Einheit, die das Fundament unseres Weltwissens ist. Selbst und Kosmos sind zwei Seiten derselben Medaille der universalen Seele.
14.3. Humanität und ihre Behausung sind eine Architektur der Seele, der der Architekt die Ordnung, Schönheit und das Bewusstsein gibt. Spiritueller Humanismus ersetzt die dominierende Haltung gegen die Natur durch Gemeinschaft, wohlwollende Betrachtung, Liebe und Dienst.
14.4. Spiritueller Humanismus schaut vorwärts, um die Balance zwischen Technologie und Natur als Basis für die Wiederherstellung und Rekonstruktion der Umwelt durch Selbst-Disziplin durch Industrielle und Regierungen.
15.  Spiritueller Humanismus und Erziehung
15.1. Spirituelle Humanität beinhaltet eine seelen-orientierte Philosophie der Erziehung, die auf der Universalität und Unsterblichkeit unseres wahren Wesens beruht und die beides, Humanität und Kosmos als einen Akt der Seele studiert, wobei es keine Teilung von Physik und Metaphysik gibt.
15.2. Eine seelen-orientierte Philosophie der Erziehung enthält die Anatomie des Selbst als eines integralen Bestandteils seines Lehrplans, eine Anatomie, die eine klare aufwärts gerichtete Unterscheidung zwischen Körper, Ego, Seele und was oberhalb der Seele ist, beinhaltet.
15.3. Solch eine Philosophie der Erziehung kalkuliert von den ersten Stufen der Erziehung her ein ein­deutiges Verständnis unter den Kindern mit ein, und zwar wegen ihrer spirituellen Ursprünge und der universalen Humanität.
15.4. Eine seelen-orientierte Pädagogik wird neben den wissenschaftlichen Werkzeugen der Vernunft, der Beobachtung und des Experimentes die imaginativen und intuitiven Dimensionen zum Studi­um und Lernen hinzufügen.
15.5. Die letztendliche Absicht der Erziehung ist, zu einer kontemplativen Vision unserer universalen und unsterblichen Realität zu führen. Die initiatorische Dimension sollte ein integraler Teil unser Methodologie des Lehrens und Studierens sein. Es ist unsere spirituelle Realität, mit der wir die Herzen und die Gemüter unserer jüngeren Generation erheben sollten.
16.  Spiritueller Humanismus und Wissenschaft
16.1. Spiritueller Humanismus betrachtet das gesamte menschliche Erbe der Religion, Philosophie und Wissenschaft als eine Schule des Lernens. Dies alles ist das Orakel der Seele, die die Humanität aufruft, zu ihrem edlen Ursprung und ihrer edlen Bestimmung aufzuwachen. Jenes Orakel ist also in jedem von uns als eine inhärente Verfassung unserer wahren Natur.
16.2. Spiritueller Humanismus legt großen Wert auf den wissenschaftlichen Diskurs und auf seine
Bestimmung, Buchstabengläubigkeit und Dogmatismus der mythologisch-religiösen Traditionen zu eliminie­ren. Die wissenschaftliche Methode scheint die lebendige Rolle eines Chirurgen für den menschlichen Geist gespielt zu haben, um von ihm das bösartige Wachstum von Aberglaube, Halbwahrheiten und Unwahrheiten abzuschneiden. Nachdem sie dieses erfüllt hat, scheint die wissenschaftliche Methode im Sinne dieser chirurgischen Wissenschaft in das andere Extrem der Selbst-Absolutsetzung verfallen zu sein, als wäre sie der einzig gesunde Weg zu Erkenntnis und Wahrheit. Das führte unweigerlich dazu, ihren eigenen Mythos und ihre eigenen Götter zu schaffen. Sie scheint in ihrem eigenen Selbst-Bewusstsein übermächtig geworden zu sein. Der wahre Wert des rationalen und empirischen Diskurses lag in seiner erforschenden und heilenden Funktion und nicht darin, eine Ersatz-Doktrin oder ein Supermythos zu werden.
16.3. Spiritueller Humanismus blickt voran auf die Befreiung der Wissenschaft von ihrem selbst auferlegten Dogmatismus und unbewusster Imitation religiöser Autorität. In Treue zu ihrem ursprünglichen Geist kann die Wissenschaft fortfahren, unser Wissen über die Welt zu vertiefen, so dass sie nicht länger durch ihren reaktionären Komplex behindert wird, die von ihrem frühen Streit mit der Religion herrührt. Wissenschaft erfordert eine metaphysische Orientierung. Welches ihre Natur sein wird, hängt von der offenen Kooperation zwischen Wissenschaftlern und Philosophen ab. Kein Philosoph kann heute die Entdeckungen ignorieren, die die Wissenschaft gemacht hat, und kein Wissenschaftler kann es sich leisten, sich von den metaphysischen Fragen von Kausalität und Nicht-Kausalität, Determinismus und Indeterminismus abzuwenden.         
Die Dinge sind von solch einer Größenordnung, so dass sie nicht in einem Zustand jugendlicher Anhänglichkeit an einen primitiven Empirismus studiert werden können.
Wissenschaft erfordert Metaphysik als ihre eigene erkenntnistheoretische Notwendigkeit.
16.4. Spiritueller Humanismus bringt der Wissenschaft einen gereinigten Sinn von menschlicher Identi­tät, gereinigt nämlich von kultureller und religiöser Diskriminierung. Spiritueller Humanismus hofft, eine Symmetrie zwischen universaler Wissenschaft und universaler Humanität herzu­stellen. Lassen wir beide, und zwar die Wissenschaftler und jene, die die Entdeckungen und Erfindungen der Wissenschaft nutzen, so universal in ihrer Anschauungsweise und in ihrem Wesen sein, wie die Themen-Bezogenheit der Wissenschaft universal ist. Der Nachdruck, mit dem der spirituelle Humanismus die Seele als gemeinsame Basis sowohl für Humanität wie für das Universum verortet, zielt dahin, diese Symmetrie zu ermöglichen.
17.1.  Spiritueller Humanismus und Therapie
17.1. Eine seelen-orientierte Therapie wird die Psychiatrie von ihrer materialistischen Schieflage, von der Konfirmität mit der einen oder anderen problematischen Schule moderner Psychologie befreien.
17.2. Eine seelen-orientierte Therapie wird davon abgehen, die Zwiespältigkeiten und unrealistischen Dichotomien zu empfehlen, die die moderne Psychologie in die Konzeption der menschlichen Psyche eingebaut hat. Sie wird die Beziehung zwischen bewussten und sogenannten unbewussten Sektoren der individuellen Psyche nochmals festsetzen, indem sie betont, das die menschliche Psyche eine Einheit des Seelenfeldes ist.
17.3. Seelentherapie wird das sogenannte kollektive Unbewusste als einen menschlichen Archetypus ansehen, als Selbst-Leben und Selbst-Wahrnehmung.
17.4. Eine seelen-orientierte Therapie wird die Kosmologie miteinschließen, worin beides, der menschliche Archetypus und der Archetypus des Universums als eine Einheit der universalen Seele gesehen werden.
17.5. Spiritueller Humanismus wird die Psychiatrie revolutionieren, indem er jedes Individuum als ein Seelen-Wesen ansieht. Die Aufgabe der Psychiatrie wird dann sein, die Beziehung zwischen dem Ego, der Seele und dem Intellekt wieder herzustellen, so dass das Individuum ein ganz­heitliches Wesen wird.
17.6. Spiritueller Humanismus wird Gemütskrankheit als einen spirituellen Fehler behandeln. Spiritu­eller Humanismus wird sich darum auf den mental Kranken beziehen, nicht nur um Heilung, sondern auch um Erleuchtung zu bringen. Psychiatrie wird dann folgen, um Philosophie und Mystik dazu zu führen, die Seele aufzuwecken und zu stärken.
17.7. Spiritueller Humanismus, der sich ganz auf seine metaphysischen und spirituellen Prinzipien bezieht, wird in der Psychiatrie jede chemische Behandlung mit mentalem Stress, Depression oder Verwirrtheit abschaffen.
18.  Spiritueller Humanismus und Religion
18.1. Der allgemeine Verlust der metaphysischen Perspektive scheint für den Gebrauch von che­mischen und physischen Mitteln verantwortlich zu sein, um psychologische und politische Un­ordnung zu beseitigen. Von daher verbindet sich moderne Psychologie mit moderner Staats-Administration, um Konformität und Gehorsam herbeizubringen, indem sie das intellektuelle Profil des Individuums unter Drogen setzen und lahm legen. Deshalb wird spiritueller Humanis­mus die Tyrannei von beidem abschaffen, indem er der Individualität und der Unsterblichkeit jedes Seelen-Wesens Nachdruck verleiht.
18.2. Nur durch das Wissen von der Unsterblichkeit der menschlichen Seele kann jeglicher Krieg abgeschafft werden. Frieden wird die Vorherrschaft übernehmen.
18.3. Wie kann ein Unsterblicher einen anderen Unsterblichen töten? Wenn man weiß, dass auch dieser Gegner dahin geht, seinen Tod zu überdauern. Was kann schon erreicht werden, wenn man seine physische Form zerbricht? Das Wissen über unsere Seelen-Wirklichkeit sollte aus dem Geist und Herz  von Philosophen und Mystikern kommen und sich ganzheitlich im na­tionalen und internationalen Leben äußern. Dieses Wissen, das lange verborgen und verdun­kelt war, sollte nun klar und laut ausgesendet und verbreitet werden.
18.4. Spiritueller Humanismus wird alle Technologien der Massenzerstörung abschaffen und die Forschung im Blick auf nukleare, chemische und biologische Waffen verbieten.
18.5. Spiritueller Humanismus wird die Armeen der Nationen abbauen und sie in die öffentlichen Dienste und die öffentliche Wohlfahrt hineinziehen.
18.6. Spiritueller Humanismus wird so in der Lage sein, die massiven Ausgaben der Nationen für die Unterhaltung und Erweiterung der Kriegsmaschinerie in die öffentliche Wohlfahrt und Gesundheit sowie in die Wiederherstellung der Umwelt in internationalem Bezugsrahmen zu leiten.
19. Spiritueller Humanismus und Religion
19.1. Spiritueller Humanismus schafft im Namen der Einheit der menschlichen Seele alle Weisen exklusiver religiöser Identität ab, es mag sich um das Individuum oder die Gemeinschaft handeln.
19.2. Spiritueller Humanismus sieht auf religiöse Traditionen als ein angefülltes Erbe für das gesamte Menschengeschlecht, um davon zu lernen, nicht als Quelle für widerstreitende und im Kampf miteinander liegende Wahrheitsansprüche und obskure Ideologien.
19.3. Spiritueller Humanismus entfernt religiöse Identität als Kennzeichen personaler Identifikation dort, wo diese als ein Kriterium benutzt wird, um Arbeit, Geschäft oder Heirat als Basis für getrennte Schulen und getrennten Staat zu betrachten.
19.4. Spiritueller Humanismus macht solcher religiöser Autorität ein Ende, die irrationalen Gehorsam fordert und die Menschen verfolgt, die ein abweichendes System von Glaubensüberzeugungen und Werten festhalten.
19.5. Spiritueller Humanismus betrachtet Priesterschaft und alle Formen der Mediation zwischen der Humanität und ihren höheren Quellen als nicht notwendig und sogar schädlich, weil sie die Aufmerksamkeit von der Fürsorge um das Recht der höheren Verbindung in uns selbst abwendet.
19.6. Spiritueller Humanismus streikt darum angesichts der Arroganz und des Separatismus beider, und zwar der berüchtigten Gemeinschaften und Kulte, die sich selbst als Erlöser der menschli­chen Rasse installieren, von wo sie Teilung dorthin bringen, wo Einheit war, nun festgefügter blinder Glaube und Geheimnis, wo einmal das Licht der Vernunft und der Geist freien Forschens leuchtete.
19.7. Lasst niemanden sich vorstellen, dass man in die höchste Einheit vom Ego des einzelnen her springen könnte, denn der Weg in den Gipfel geht durch die Seele.
19.8. Spiritueller Humanismus legt deshalb Nachdruck auf Selbsterkenntnis, auf unser Selbsterkennen als Seelen-Wesen. Wenn wir uns einander als Seelen-Wesen zuneigen, neigen wir uns in Wahrheit zum Herrn unserer Seelen.
19.9. Spiritueller Humanismus bedenkt theologisches Versagen in unserer Zeit als Konsequenz des Verlusts von Transzendenz, der aus dem Verlust der Perspektive auf die Seele kommt. Die eine Leere (Verlust der Transzendenz) wird in einer anderen Leere reflektiert (Verlust des Seelen-Bewusstseins). Die innere Leere wird mit der exklusiven Identität von jemandem gefüllt, und die Leere nach oben hin wird durch die kollektive Autorität jener Identität besetzt. Die Gemeinschaft nimmt den Platz der transzendenten Realität ein, und die religiöse Identität wird die Seele des Individuums. Theologischer Diskurs ohne Beziehung zur Seele ist deshalb nicht glaubwürdig.
19.10. Nur als Seelen können wir Gott kennen, weil wir als Seelen Ihn vorher schon kannten. Lasst uns deshalb die Regel festlegen, dass der um die metaphysische Realität Wissende selbst ein metaphysisches Wesen sein sollte. Die Vision und das Wissen von dem Einen zu haben, jener formlosen Quelle aller Formen, das setzt voraus, dass man die Essenz des Einsseins haben sollte. Von daher kommt zuerst die Selbst-Realisation als Seele, dann sein Zeugnis von Gott.
20.  Spiritueller Humanismus und religiöse Erziehung
20.1. Eine seelen-orientierte Erziehung wird alle offenen und verdrehten Weisen materialistischer Indoktrination beenden und zur selben Zeit gegen religiösen Dogmatismus und Exklusivismus streiken.
20.2. Spiritueller Humanismus betrachtet religiöse Verschiedenheit als ein spirituelles Zeichen für Studium und Kontemplation. Von daher schlägt spiritueller Humanismus eine multireligiöse Annäherung an die Planung und das Lehren religiöser Erziehung vor.
20.3. Spiritueller Humanismus ermutigt Forschung, sowohl historisch als auch philosophisch nach der Quelle und der Entwicklung religiöser Glaubensinhalte, Symbole und Rituale zu suchen. So macht sie Religionsvergleich zu einem integralen Teil religiöser Erziehung. Spiritueller Humanismus jedoch wird allen reduktionistischen religiösen Annäherungen im Studium der Religionen gegenüber kritisch bleiben.
20.4. Eine seelen-orientierte religiöse Erziehung wird im Geist der jüngeren Generation ein Verständnis des Wunders über die weite Verschiedenheit religiöser und kultureller Formen erzeugen, ein andauerndes Gefühl spiritueller Verwandtschaft mit jenen, die einer anderen Religion folgen, und eine nachdenkende Sensitivität für letzte Fragen nach der Bedeutung und dem Sinn des Lebens. Spiritueller Humanismus wird so ein Verständnis von Glück und Wohlsein direkt in der Mitte unseres spirituellen Lebens vorantreiben.

21.  Spiritueller Humanismus und spirituelle Suche
21.1. Spiritueller Humanismus repräsentiert spirituelle Suche, die frei von kollektivem Dogma und kollektiver Autorität ist, frei von der Notwendigkeit nach psychologischer Sicherheit in der  einen oder anderen religiösen oder kulturellen Identität, und also auch frei von der Anziehungskraft geschlossener Kulte, ihrem Elitedenken und ihrer Kontrolle.
21.2. Spiritueller Humanismus betrachtet spirituelle Suche als ein Geburtsrecht für jedes Individuum hin zu Selbst-Erkenntnis als Seelen-Wesen, im Sinne eines universalen und unsterblichen Lebens.
21.3. Der Sucher nach spiritueller Erkenntnis sollte frei vom Anhaften an äußerem Besitz, Status oder Rolle sein, und am allerwichtigsten, er sollte frei von Versklavung an seinen sterblichen Körper und seine körpergebundene Personalität sein.
21.4. Spirituelle Freiheit ist innerhalb einer spirituellen Demokratie möglich, d.h. einer sozio-politischen Ordnung, die auf Gleichheit der Möglichkeit basiert, Selbst-Erkenntnis zu gewinnen. Darin besteht Freiheit von Mangel und Furcht. Darin sind sie alle miteinander in universalem Mitleiden (Compassion) verbunden.
21.5. Man kann Selbst-Erkenntnis aus sich selbst heraus suchen und im Licht eines kollektiven Erbes der gesamten Menschheit - von Mythologie zu Religion, von Philosophie zu Literatur. Man kann dann in der Lage sein, zwischen dem buchstäblichen und dem symbolischen, dem historisch relevanten und dem universal gültigen Inhalt von jemandes Religion zu unterscheiden und mit Offenheit und Enthusiasmus von jedem universalen Lehren lernen. Einmal von allen dogmatischen Erwägungen befreit, mag man nun ein strahlenderes Licht des Intellekts besitzen, um zwischen den vernünftigen und unvernünftigen Glaubensinhalten und Doktrinen, zwischen religiöser Arroganz und spirituellem Vertrauen zu unterscheiden.
21.6. Man ist nun aus seinen engen Begrenzungen des eigenen Ego herausgetreten. Man hat nun das Gesamt der Humanität, um Freunde und Mitarbeiter auszuwählen. Nun ist die eigene Gemeinschaft umfassend, die jeweiligen Freundschaften sind in der eigenen Region und universal. Man kann allein sein oder im Geistbereich eines Wesensverwandten. Man kann überall zum Gottesdienst und Gebet stehen. Vom eigenen inneren Aufenthalt hin zu irgend­einem Punkt des Universums gibt es nun einen einzigen Tempel der Vision.
21.7. Im Trachten nach Selbst-Erkenntnis, durch Erkenntnis der eigenen und anderen Seelen-Realität, wird unser Studium und unsere Nachfolge, unsere Arbeit und unsere Erholung, alles ein Akt des Gottesdienstes für unsere Höchste Quelle, von der wir alle gekommen sind und zu der wir alle zurückkehren. Durch Instruktion und Initiation an der Hand derer, die weiser sind als wir, sollen wir auch unseren Aufstieg vollführen.
21.8. Indem wir universale Freundlichkeit und Gastfreundschaft praktizieren und indem wir über die Regenbogenbrücke gehen, die das eigene Ego mit der eigenen Seele verbindet, ist man nun beides: Sucher und Gesuchtes. Dann wird ein Augenblick kommen, wo man seine eigene Mütze, das Symbol unserer eigenen Identität hier, wegwerfen wird. Und man wird mit dem Universum tanzen mit einem Schritt in der Welt, während man mit dem anderen Schritt in der Welt des Werdens und mit einem weiteren Schritt im Reich der Ewigkeit tanzt. Erwacht, frei und glücklich ist man nun ein Seelen-Wesen!

Meine lieber Leser, meine liebe Leserin,
Sie sind nicht mehr dieselbe Person, die Sie zuvor waren,
nachdem Sie diese Worte gelesen und diese Gedanken gedacht haben.
Sie mögen nun furchtlos und vertrauensvoll
Ihre eigene spirituelle Reise unternehmen und glücklich sein,
während Sie sich selbst und Ihr Geheimnis suchen.
Ihre persönliche Suche erfordert, dass Sie die Welt verändern,
so dass anderen geholfen werden kann,
denn wir sind eine Existenz, eine spirituelle Gemeinschaft.
Wir sind universal verantwortlich.
English Summary
The Charter of Spiritual Humanism (1995) highlights the need for a school of thought which can provide at this hour of history an universal spiritual perspective. We require urgently a restatement of the human identity as a metaphysical unity, that there is such a reality as the human soul, which is more than her corporal and cultural form. Spiritual Humanism is such a restatement. It is an ideological alternative to both secular humanism and religious fundamentalism. Spiritual Humanism alone can inspire to an universal hope and confidence.
Vgl. auch Hasan Askari: Vom Teilen zur Begegnung (RIG 2/1992, S. 58-65) und in RIG 3 (1994) die über den ganzen Band verteilten Kurztexte aus seinem Buch: Alone to Alone. From Awareness to Vision  (1991), dazu die Rezension dieses Buches von R. Kirste, ebenfalls in RIG 3 (1994), S. 443-444.
Aktualisiert auf der Seite:
Hasan Askari - (Islamischer) Mystiker jenseits traditioneller Religionen
Übersetzung aus dem Englischen von Reinhard Kirste

Zuerst erschienen in: Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.): Hoffnungszeichen globaler Gemeinschaft. Religionen im Gespräch, Bd. 6 (RIG 6). Balve: Zimmermann 2000, S. 150–168

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